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Faktencheck Neubauer: Maaßen teilt wirklich antisemitische & rechtsextreme Inhalte

von | Mai 10, 2021 | Analyse

Wie rechtsoffen ist Maaßen?

Bei Anne Will gerieten die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer und CDU-Chef Armin Laschet unter anderem beim Thema Hans-Georg Maaßen aneinander. Neubauer kritisierte Laschet dafür, dass ein Mann mit Ideologien wie Maaßen für die CDU als Direktkandidat antreten dürfe. Laschet verwies dabei auf das Wahlrecht. „Ich kann dem, der antritt, nur die Regeln klarmachen, nach denen die CDU arbeitet.“ Neubauer erklärte jedoch, dass Maaßen genau nicht nach jenen Regeln arbeite: „Sie legitimieren rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte, verkörpert durch Hans-Georg Maaßen. Das hätten Sie ganz klar verurteilen müssen.“

Bei den meisten Vorwürfen meinte Laschet „Das muss eine Volkspartei aushalten“, beim Vorwurf des Antisemitismus wurde er jedoch hellhörig. „Antisemitismus wäre nicht akzeptabel.“ Ad hoc konnte Neubauer in der Sendung kein Beispiel liefern. Das heißt aber nicht, dass sie nicht recht hat. Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen verbreitet nämlich wirklich rechtsextreme, antisemitische und wissenschaftsleugnende Inhalte und nutzt solche Begriffe und das kann man belegen. In diesem Artikel belegen wir, dass Laschet sich nach seinen eigenen Aussagen Neubauer gegenüber dafür stark machen muss, eine Kandidatur des Rechtsaußen Maaßen zu verhindern.

Wie Antisemitismus funktioniert und aussieht

Ja, Laschet und die CDU tolerieren und legitimieren mit ihrer Verteidigung Maaßens indirekt auch antisemitische Inhalte. Dazu muss darauf hingewiesen werden, dass Antisemitismus nicht erst beim ausgesprochenen, expliziten Hass gegen Juden anfängt. Antisemitismus zeigt sich in vielen Facetten und ist subtil, ja er kann sogar ohne die explizite Erwähnung von „Juden“ funktionieren, und wird meistens codiert. Verschwörungserzählungen sind im Kern meistens antisemitisch, indem eben die strukturelle Erzählweise übernommen wird: In früheren antisemitischen Verschwörungserzählungen waren es angeblich die Juden, die im Hintergrund die Fäden in der Hand hielten und das Weltgeschehen manipulierten. Die Protokolle der Weisen von Zion sind so ein Beispiel für eine antisemitische Hetzschrift, die das belegen. Letztendlich führte genau diese Annahme auch zur Shoah. Denn Antisemitismus funktioniert als Erlösungsideologie: Wenn die Juden nicht mehr da wären, dann ginge es allen gut, denn sie bringen erst das Böse in die Welt, so die Erzählung.

Und jetzt ersetzen wir einfach Juden durch andere Gruppen: Mächtige in Politik und Wirtschaft. Egal ob „NWO“ (New World Order) oder „Great Reset“, „Globalisten“ oder „Eliten“, immer geht es darum, dass Reiche und Mächtige den Rest der Welt unterdrücken wollen, egal ob durch „chipping“, Corona-Maßnahmen, Schutzsuchende oder ähnliches. Was passiert also im strukturellen Antisemitismus? Die Erzählung bleibt dieselbe: Es gibt böse Mächte und die müssen weg, dann geht es allen gut. Eine Verschwörungstheorie ist strukturell oft eine Vernichtungsfantasie (mehr dazu hier und hier). Nachzulesen auch bei Antisemitismus-Expert:innen wie Michael Blume (CDU).

Ein gutes Beispiel dafür ist Attila Hildmann, der am Anfang seine Verschwörungserzählungen codierte, dann jedoch offen zugab, dass es alles nur Tarnung gewesen war. Antisemiten sprechen selten offen über „Juden“, eben damit der Antisemitismus nicht so offensichtlich ist. Man will eine Diskursverschiebung erreichen und verharmlost sich absichtlich selbst, man spricht in Codes.

Jetzt offener Antisemitismus: Hildmann hängt die Hundepfeife an den Nagel

Antisemitische Inhalte?

Neubauer hat recht: Maaßen teilt offenbar wirklich antisemitisch aufgeladene Begriffe, Verschwörungsmythen und antisemitische Personen. Ein ganz deutliches Beispiel ist die antisemitische Verschwörungserzählung um den „Great Reset“.

Diese neue Verschwörungserzählung verbreitet sich in der Pandemie-Leugner:innen-Szene. Kurz geht sie so: Eine globale Finanzelite plane ein Zurücksetzen der derzeitigen Weltwirtschaftsordnung, bezeichne dies als „The Great Reset“ und nehme als Begründung dafür die Covid-19-Pandemie her (mehr dazu). Einige Verschwörungsideolog:innen implizieren, die „globale Finanzelite“ sei von „Juden kontrolliert“ (Quelle). Der Begriff selbst macht natürlich noch keinen Antisemiten, aber Maaßen verbreitet die Darstellung, damit sei ein Plan von Eliten gemeint, den er hier und hier kritisiert als „Kriegserklärung“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Mehr zum Verschwörungsmythos „Great Reset“:

Die Zerstörung des „Great Reset“-Verschwörungsmythos – Was wirklich dahinter steckt

Maaßen soll auch Inhalte von Antisemiten geteilt haben: Der Besitzer und Betreiber dieser Website, Ron Unz, hat Berichten zu Folge den Holocaust geleugnet und sogar die extrem antisemitische „Ritualmordlegende“ verbreitet (Quelle, Quelle).

„Globalisten“ = Antisemitischer Code

Maaßen nutzt den antisemitisch codierten Begriff „Globalisten“, der in antisemitischen Kreisen (, wie denjenigen, die die „Great Reset“-Erzählung verbreiten), oft als Code für „Juden“ fungiert.

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung selbst erklärt, dass „Globalismus“ eine rechtsextreme „dog whistle“ (mehr dazu) ist, die sich auch antisemitischer Chiffren bedient. Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt:

„Bewusst oder unbewusst genutzte antisemitische Codes und Chiffren (etwa »Finanzeliten«, »1 %«, »Drahtzieher«, »Globalisten«) zur Beschreibung der mutmaßlichen »Verschwörer*innen«, die in sozialen Medien oder Messenger-Diensten geteilt werden, können schrittweise in explizit antisemitische Online-Milieus führen, in denen der Mythos der »jüdischen Weltverschwörung« und die »Protokolle« schließlich offen verbreitet werden.“

Passend dazu erklärt Maaßen, dass eine „Neuordnung der Weltpolitik“ stattfinde. Hierbei zitiert Maaßen, durch den Kontext seiner anderen Beiträge klingt es allerdings so, als handele es sich hierbei um die antisemitische Verschwörungserzählung der „Neuen Weltordnung“, vor deren demokratiefeindlicher Sprengkraft unter anderem der Beauftragte der Landesregierung BW  gegen Antisemitismus Dr. Michael Blume (CDU) warnt (Quelle). Solche subtilen Andeutungen sind alle Teil der Hundepfeifen-Politik, die Maaßen betreibt.

In diesem Podcast behandelt Blume ebenfalls die antisemitischen Verschwörungsmythen, besonders hinter dem „Great Reset“, sowie das Raunen von „Globalisten“. Beides Begriffe und Mythen, die Maaßen verbreitet hat.

In einer Nachfrage von Volksverpetzer erklärt uns Antisemitismusbeauftragter Michael Blume: „Ich kann als Beauftragter nicht einzelne Kandidaten bewerten, aber als Religionswissenschaftler und Christdemokrat alle dringend davor warnen, mit Begriffen wie »Globalisten« oder dem »Great Reset«-Verschwörungsmythos zu arbeiten. Diese werden regelmäßig antisemitisch ausgelegt und befremden große Mehrheiten der längst aufgeklärten Bevölkerung. Das Flirten mit Antisemitismus schadet – allen!“

Verbindungen zum Rechtsextremismus?

Maaßen teilt regelmäßig rechtsextreme Fake News und rechtsextreme Plattformen und Personen, beispielsweise die extrem rechte Plattform „Journalistenwatch“. Diese Plattform verbreitet systematisch revisionistische, rassistische und antisemitische Inhalte (Quelle). Die Seite gehört zu den meistgeteilten Domains in der rechtsextremen Szene (Quelle).

Auch hier, erst vor wenigen Tagen wieder veröffentlicht, sieht man Maaßen im Gespräch mit einem Reporter von „Journalistenwatch“ und des bereits vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen Compact-Magazins.

Die Bundesregierung selbst erklärte über „Compact“: „Insbesondere beim »Compact Magazin« sind mehrere Personen tätig, die einen aktiven Vorlauf in der rechtsextremistischen Bestrebung »Identitäre Bewegung Deutschland e. V.« (IBD) aufweisen beziehungsweise aus deren direktem Umfeld stammen. Diese Personen sind als Autoren engagiert sowie als freie oder festangestellte Mitarbeiter beschäftigt.“

Selbst wenn es nicht seine Absicht war, vom Verfassungsschutz überwachte Rechtsextreme sehen Maaßen als jemanden, der in „ihrem Team“ spiele:

Maaßen wird des Öfteren von Rechts-Außen Publizist:innen interviewt (Quelle).

Dabei leugnet Maaßen auch den Klimawandel (Quelle).

Auch der rechtsradikalen „Junge Freiheit“ gab Maaßen schon Interviews:

Auch der rechtsradikalen Seite „epoch times“ gab er ein „Exklusiv-Interview“.

Weitere extrem rechte Verschwörungsideologen und -mythen, die Maaßen teilt: Hier impliziert Maaßen, hinter US-Präsident Biden stecke eine Verschwörung von „Sozialisten“. Tucker Carlson wird heftig dafür kritisiert, die rassistische Ideologie des „white supremacy“ verteidigt zu haben (und zu teilen, Quelle).

Maaßen vergab auf Twitter ein Like für einen Tweet von Donald Trump, der unmittelbar die Erstürmung des Kapitols mit vorbereitete:

Weitere Recherchen:

Wir haben bereits des Öfteren zu Maaßen recherchiert. Indirekt rief Maaßen im Februar 2020 zur Wahl Höckes als Landespräsident auf:

Kein Scherz: Maaßen empfiehlt CDU Thüringen, Faschist Höcke zu wählen!

Maaßen hat des Öfteren Fakes von Rechtsradikalen verbreitet:

Ex-Verfassungsschutz Maaßen retweetet Lügen von Rechtsradikalen

Hier haben wir bereits eine Sammlung von Tweets mit rechtsextremen Inhalten angefertigt:

Faktencheck: Abrechnung mit den rechtsextremen Tweets von Maaßen

Viele in der CDU distanzieren sich bereits

Fazit: Maaßen teilt wirklich rechtsextreme und antisemitische Inhalte

Man sieht also deutlich, dass die Vorwürfe von Luisa Neubauer absolut berechtigt waren. Maaßen verbreitet regelmäßig antisemitische Begriffe, Verschwörungsmythen und Personen. Wie Mitglieder und eine Stiftung der CDU sogar bestätigen. Er gibt Magazinen und Personen, die am extrem rechten Rand stehen und teilweise vom Verfassungsschutz beobachtet werden, Interviews und teilt deren Wissenschaftsleugnung und Fake News. Seine impliziten und expliziten Aussagen zeigen eine Weltanschauung, wie sie Rechtextreme auch teilen, wie sie selbst erklären. Maaßen nutzt dabei viele antisemitische und rechtsextreme „dog whistles“.

Maaßen teilt Verschwörungs-Geraune über Corona

Hans-Georg Maaßen bedient sich dieser Codes, Kampfbegriffe und extrem rechter Ideologie, raunt auch wie „Querdenker:innen“ oder Rechtsextreme über eine Verschwörung in den Medien (à la „gleichgeschaltete Presse“/„Lügenpresse“, Quelle), teilt Fake News-Verbreiter:innen, Pandemie-Leugner:innen und Klimaleugnung (Quelle). Begriffe wie „Politikerkaste“ oder „öko-sozialistischen Block“ finden sich sonst vor allem auf rechtsextremen Seiten (Quelle, Quelle). Wenn Laschet es wirklich ernst meint mit der Abgrenzung der CDU von Antisemitismus, Verschwörungsmythen, Rechtsextremismus und diesen Ideologien, kann er einen Mann wie Maaßen nicht in seiner Partei dulden, sonst duldet er solche Ideologien.

Korrekturhinweis 14:50: Passage mit „Neuordnung der Weltpolitik“ ausgebessert/konkretisiert. Artikelbild: Screenshot ard.de (Neubauer, links)/ photocosmos1 (Maaßen, ganz rechts)

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