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Querdenker-Urteile der Woche KW 45 – Teil 1 (Es sind so viele)

von | Nov 11, 2022 | Serie

Für gewöhnlich leiten wir die „Querdenker“-Urteile der Woche immer damit ein, dass es mittlerweile zu viele Urteile für einzelne Artikel sind und wir sie daher gesammelt wöchentlich veröffentlichen. Jetzt ist es allerdings so, dass es selbst dafür derzeit zu viele Urteile gibt und wir bereits vor Sonntag einen Artikel mit Urteilen rausbringen, da die Liste sonst viel zu lang werden würde. Deshalb und zum ersten Mal: Querdenker-Zwischenurteile.

Positiv daran ist, dass der Staat sich nicht ohnmächtig gegenüber den „Querdenkern“ verhält, sondern sie für ihre Taten und Worte zur Verantwortung zieht. Negativ ist, dass es überhaupt so viele kriminelle „Querdenker“ gibt. So ungefährlich, wie sie von sich behaupten, scheinen sie ja irgendwie doch nicht zu sein.

Urteile von letzter Woche:

Ex-Schüler darf Lehrer weiter als „Querdenker“ bezeichnen

In Ratingen meldete ein ehemaliger Berufskollegschüler in seiner Funktion als Klassensprecher einen Lehrer bei der Schulleitung, da er aus Sicht der Schülerinnen und Schüler gegen das Neutralitätsgebot verstoßen habe. Nicht nur habe der Lehrer im Unterricht immer wieder unterschwellige Äußerungen getätigt, auch stand er in Berlin im Oktober 2020 auf einer der größeren Querdenker-Demonstrationen auf der Bühne. Zudem gehörte der Lehrer für einige Zeit zum NRW-Landesvorstand der Partei Die Basis, die nicht nur rechtsoffen ist, sondern auch antisemitischen Äußerungen eine Plattform bietet, auch Reiner Fuellmich wurde bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Wir haben die Basis hier bereits groß analysiert:

Der Lehrer mandatierte daraufhin einen Rechtsanwalt mit dem Ziel, dass der damals 18-jährige Schüler die Aussage, dass das außerschulische Engagement des Lehrers gegen das Neutralitätsverbot verstoße, unterlassen soll und künftig nicht mehr tätigen darf. Kosten allein dafür: 492,54€, im Wiederholungsfall drohten dem Schüler 5.000€ Strafe. Gleichzeitig ermittelte die Polizei nun gegen den Klassensprecher – Grundlage war eine Anzeige wegen „übler Nachrede“. Wohlgemerkt: ein Lehrer, der sich auf mehreren Versammlungen als Lehrer ankündigen ließ, Kontakte zu verurteilten Volksverhetzern wie Artur Helios hat und seine Redebeiträge aufzeichnen und veröffentlichen lässt, möchte nun nicht, dass darüber berichtet wird, was er treibt.

Der Klassensprecher ließ sich darauf jedoch nicht ein, so dass der Fall nach einem erfolglosen Versuch am Schiedsgericht nun vor dem Amtsgericht Ratingen landete.

„Da steht, dass nicht stimmt, was ich sage. Das ist aber falsch. Ich will mir nicht verbieten lassen, das zu sagen! Das verstößt gegen meine Meinungsfreiheit und gegen die Tatsachen.“

Jan-Niklas N., auf t-online.de

Der Schüler gewann in erster Instanz. Die zuständige Richterin wies die Klage ab. Der Schüler darf den Lehrer, der mittlerweile an einem Gymnasium in Essen unterrichtet, weiterhin Querdenker nennen.

Teilnahme an „Querdenker“-Demos nicht mit dem Diensteid vereinbar

Weiterhin darf der Schüler auch behaupten, dass die Teilnahme an „Querdenker“-Demonstrationen nicht mit dem Diensteid vereinbar sei. Auch diese Aussage ließ der Lehrer abmahnen – ohne Erfolg, wie die Richterin feststellte.

Auch dies ist einer von vielen Fällen, in denen „Querdenker“, die ja angeblich so sehr für die Meinungsfreiheit in diesem Land kämpfen, eher dafür kämpfen, dass die Meinung anderer Leute unterdrückt wird.

Organisator von „Querdenker“-demo verurteilt

Wo wir gerade dabei sind, nicht nur die Teilnahme an „Querdenker“-Demos ist nicht mit dem Diensteid vereinbar. Auch die Organisation einer Demo ohne den wichtigsten Punkt – die Anmeldung der Versammlung/Demonstration – ist mit dem Gesetz nicht vereinbar. Oder kurz:

„Der Staat hat Regeln aufgestellt, an die sich alle zu halten haben“

Guido Fischer, Richter am Amtsgericht Dillenburg

Als Querdenker kann man natürlich versuchen diese zu umgehen, aber man muss dann mit den jeweiligen Konsequenzen leben. Die jeweiligen Konsequenzen sind in dem Fall des Herborner Thomas E.: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30€. Vielleicht auch ein Ergebnis davon, dass er sich vor dem Amtsgericht der Einfachheit halber selbst vertreten und auf einen Verteidiger verzichtet hatte. Laut ihm sei das nämlich weder Versammlung noch Demonstration, sondern schlichtweg eine Weihnachtsfeier gewesen. Und die sei ausschließlich für Nicht-Geimpfte gewesen, die wegen der Corona-Beschränkungen ausgegrenzt worden seien. Also eine ziemlich (gesundheits-)politische Weihnachtsfeier.

In der Verhandlung selbst sprach er wiederholt von einem „politischen Prozess“, der hier stattfinden würde. Das Gericht korrigierte umgehend, dass es sich um einen „gerichtlichen Prozess“ handele und warnte ihn davor, eine weitere Straftat zu begehen. Auf einem „Fahndungsplakat“ bat er um Unterstützung für den „politischen Prozess“ wegen seiner Lichterkette… oh ups, er meinte doch es sei eine Weihnachtsfeier gewesen? Tja.
Auch führte er aus, dass die Anzeige gegen ihn (die wegen der strafbaren Aussagen) eine politisch motivierte Hexenjagd seien und er das Opfer.

Das Fazit des Gerichts ist klar:

Er habe in der Telegram-Gruppe eben nicht zu einer Weihnachtsfeier eingeladen, sondern zu einer Veranstaltung aufgerufen, über die in Herborn noch nach 20 Jahren gesprochen werde. Auch der Hinweis an die sogenannten Maulwürfe mache die politische Intention der Versammlung deutlich. Dass der Versammlungsort erst am 24. Dezember bekannt gegeben worden sei und zuvor auf weitere Informationen verwiesen wurde, sei ein Hinweis auf den Versammlungs-Charakter.

mittelhessen.de

Mit einer kostenfreien Anmeldung der Versammlung hätte er sich das ganze Theater übrigens sparen können. Aber so befasste er das Gericht mit seinem Fall und verursachte weitere Kosten.

Chef der Freien Sachsen wegen Volksverhetzung verurteilt

Die Freien Sachsen beschäftigen uns beim Volksverpetzer schon seit einiger Zeit und selbst die AfD fürchtete, rechts überholt zu werden:

Die Angst war auf jeden Fall berechtigt, denn jetzt gibt es ein neues Urteil: Martin Kohlmann, „szenebekannter“ Rechtsanwalt wurde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 6000€ verurteilt (120 Tagessätze zu je 50€) – er soll in einer der Ratssitzungen den Holocaust verharmlost haben. Mit 120 Tagessätzen wäre er vorbestraft – das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, Kohlmann kündigte an dagegen anzugehen. Martin Kohlmann gilt als „Chef“ der rechtsextremen Vereinigungen „Freie Sachsen“, sowie „Pro Chemnitz“ und sitzt für diese im Stadtrat. Als Strafverteidiger verteidigte er unter anderem die rechtsterroristische Gruppe Freital.

Dabei handelt es sich nicht um die erste Verurteilung für Martin Kohlmann, bereits 2020 wurde er vom Amtsgericht Verden wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 2100€ (70 Tagessätze zu je 30€) verurteilt, auch dort kündigte er an in Berufung zu gehen, scheiterte allerdings. Das Landgericht Verden hat die Berufung abgewiesen.

Die Vereinigung der Strafverteidiger Sachsen/Sachsen-Anhalt schloss Kohlmann bereits 2018 aus, u.a. wegen „Verstoß gegen die Verfahrensrechte des Beschuldigten“. Kohlmann soll damals den Haftbefehl mit Klarnamen veröffentlicht haben, nachdem ein Deutscher in Chemnitz gewaltsam zu Tode kam. Fotografiert hatte ihn ein Beamter aus der JVA Dresden, der dies dann an mehrere Personen weiterleitete.

Artikelbild: Shutterstock