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Skandal! Rechtsextremer Mordanschlag auf LINKE-Politikerin in Kösching!!

von | Jul 3, 2020 | Aktuelles, Satire

So würde es zumindest lauten, wenn die LINKE so wäre wie die AfD

Ja, in Kösching wurde eine Politikerin der LINKE am Sonntag bei einem Spaziergang hinterrücks angegriffen. Der Täter sei mit einem Messer bewaffnet gewesen und habe die Kommunalpolitikerin gewürgt und dabei „Ihr scheiß Linke“ gerufen. Der Staatsschutz ermittelt (Quelle). Nein, ob es rechtsextrem motiviert war oder gar eine Tötungsabsicht vorlag, ist bisher noch nicht bekannt. Das Bild ist auch gar nicht von diesem Vorfall in Kösching, sondern dient der Dramatisierung. Und auch die AfD hat nichts damit zu tun. Warum habe ich also diese Schlagzeile mit diesen falschen Behauptungen gemacht? Ich habe die AfD „parodiert“.

Springen wir in der Zeit zurück. Zum 8. Januar 2019, Bremen. Wie sich später nach Zeugenaussagen und Videoaufnahmen herausstellt, wurde der AfD-Politiker Frank Magnitz von einem Mann von hinten geschlagen, wodurch dieser stürzte und die Angreifer umgehen flohen. Beim Sturz zog sich der AfD-Politiker eine Kopfverletzung zu. Wer die Täter waren und was ihre Motivation war, ist bis heute nicht aufgeklärt.

Fall Magnitz: Helfender Handwerker widerspricht der AfD-Darstellung

Magnitz und die AfD stellten das aber nicht so dar. Direkt nach dem Angriff veröffentlichten sie ein Foto der Verletzungen, die beim Sturz entstanden, nicht beim Angriff. Die AfD und Magnitz sprach von einem „Mordanschlag“, davon, dass sie mit „einem Kantholz“ auf ihn einschlugen, bis er „bewusstlos war“, auf ihn „eintraten“ und ihn umbringen wollten. Magnitz behauptete, es trage „die Handschrift von Linksextremisten“. Die AfD gab die Schuld dafür der LINKE, der SPD, der Grüne und „der Antifa“. Magnitz sagte wörtlich: „Das ist das Ergebnis einer permanenten Hetze gegen die AfD.“ (Quelle)

(inzwischen gelöschte erste Pressemitteilung)

Keine dieser Behauptungen ist wahr oder wurde jemals belegt. Es waren alles Lügen der AfD.

AfD inszenierte sich mit Lügen

Wie ein internes Schreiben der AfD später bewies, log die AfD bewusst über den Vorfall, um „mediale Betroffenheit“ zu erzeugen. Die bewussten Lügen und Überspitzungen der Tat, sowie die völlig an den Haaren herbeigezogenen Anschuldigungen waren eine bewusste Instrumentalisierung der in großen Teilen rechtsextremen Partei. Magnitz verkündet im Schreiben: „Wir haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!“ (Quelle).

Mit Erfolg: Die Presse übernahm unkritisch die nachweislich falsche Darstellung der AfD. Reihenweise zitierten Medien das erfundene „Kantholz“, dass Magnitz getreten worden sei, bewusstlos gewesen wäre. Die FAZ titelte: „Mit Kantholz und Kapuze“ (Quelle). Die Neue Osnabrücker Zeitung schrieb, es hätte sich um einen „Mordversuch“ gehandelt (Quelle). Übermedien kritisierte seinerzeit, dass die Medien und viele Politiker*innen den Angriff reflexhaft verurteilten, um die Anschuldigungen der Doppelmoral zu vermeiden (Quelle). Die ohnehin kamen.

Was hat das mit Kösching zu tun?

Der Angriff auf die LINKE in Kösching geschah bereits am Sonntag, erst vier Tage später gab es den ersten Bericht in einer überregionalen Zeitung „Angriff auf Linken-Politikerin in Oberbayern“ (Quelle). Hast du überhaupt bis jetzt davon gehört? Über den Angriff auf Magnitz wurde medial sogar mehr berichtet als seinerzeit über den rechtsextremen Mord an Walter Lübcke (mehr dazu). Wie kann es sein, dass ein Schlag von Unbekannten auf einen AfD-Politiker medial mehr Aufsehen erregt als ein rechtsextremer Mord? Oder jetzt in Kösching auf eine LINKE-Politikerin, die hinterrücks gewürgt wurde?

Weil die AfD keine Scheu hat, im Namen der Dramatik und Inszenierung zu lügen. Und Politik und Presse sich aus Angst vor der „Lügenpresse“-Keule nicht trauen, mit der Berichterstattung abzuwarten. Und einfach nicht zu berichten, weil es nichts zu berichten gibt. Weil es in Social Media eine rechtsextreme Empörungs-Bubble gibt, die derartige Lügen und Inszenierungen tausendfach reproduziert, um größere Medien durch Vorspiegelung einer Mehrheit dazu zu zwingen, über ihre Agenda zu berichten. Am Beispiel von Kösching wollte ich zeigen, dass es bei anderen Parteien nichts vergleichbares gibt.

„Ihr scheiß Linke“

Natürlich ist der Schlag auf Magnitz verwerflich gewesen. Aber für einen versuchten Mord und einen politischen Hintergrund spricht im Fall von Kösching viel mehr als Magnitz. Dennoch behauptet die LINKE in ihrer Pressemitteilung nicht, dass die AfD dafür verantwortlich sei oder erfindet irgendwelche Details. Oder postet dramatische Stockfotos. Sie schreibt lediglich: „Der Anschlag auf die Bezirksrätin Stefanie Kirchner ist ein Anschlag auf Die Linke. Ein Anschlag auf Die Linke ist ein Anschlag auf die Demokratie.“ (Quelle)

Die AfD lieferte nicht nur dramatische Bilder und knackige Zitate, die spannende Überschriften (und damit Klicks für Journalist*innen) bieten, sie lieferte auch gleich das Feindbild. Auch wenn es gelogen ist. Überschrift und Titelbild würden so lauten, wie ich es hier satirisch gemacht habe, wenn die LINKE Kösching genau so ausschlachten würde. Ich plädiere nicht dafür, dass andere Parteien die Lügenmethoden der AfD übernehmen sollen. Ich möchte auf die Methoden des Agenda Settings aufmerksam machen.

Und ja, auch auf den Anschlag in Kösching aufmerksam machen. Und dass von den 1451 politisch motivierten Angriffen auf Politiker*innen 2019 die meisten rechtsextrem motiviert sind. Im Januar dieses Jahres wurde auf das Bürgerbüro des SPD-Abgeordneten Diaby geschossen, in Berlin wurde das Auto der Frau des Neuköllner CDU-Jugendstadtrats angezündet. Und ja, vergessen wir nicht den Mord an Walter Lübcke durch einen geständigen Rechtsextremen, der auch Wahlkampf für die AfD betrieben hatte und ihr gespendet hatte (Quelle). Sind hier Schuldzuweisungen nicht angebrachter?

Diskursverzerrung durch die AfD

Durch das Agenda Setting, durch das Anchoring und Framing der AfD haben viele Menschen aber trotz des späteren Auffliegens der Lügen die falsche Darstellung und falschen Anschuldigungen der AfD im Kopf. Die AfD schweigt oft zu Angriffen auf andere Parteien und erfindet und überspitzt politisch motivierte Angriffe auf sich selbst. Ein Brandanschlag in Salzwedel ist laut Polizei auch eine Beziehungstat gewesen, die AfD sprach von damals „Täter aus dem linksextremen Mileu“ und postete dazu ein Stockfoto, das nichts mit der Realität zu tun hatte (mehr dazu). Mit dem Stockfoto eines gefährlichen Autounfalls behauptete die AfD auch einmal, Opfer eines „Anschlagsversuches“ eines „linksextremen Fanatikers“ gewesen zu sein. Dabei wurde jedoch einfach bei der Beschaffung von Einzelteilen gepfuscht und dessen Schrauben waren locker (mehr dazu).

Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere Demokratie. Die meisten Angriffe auf Politiker*innen werden durch Rechtsextreme begangen, die meisten politisch motivierten Straftaten werden von Rechtsextremen begangen. Und die AfD wird selbst nicht nur in großen Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtet, sie stellt regelmäßig Neonazis und Rechtsextreme als Mitarbeiter ein. Dennoch schafft sie es, den öffentlichen Diskurs zu „hacken“. Mit falschen Stockfotos, Lügen, Übertreibungen.

Das ändert zwar nichts an der Realität, aber doch an dessen Wahrnehmung. Wenn Anschläge wie in Kösching erst Tage später überhaupt erst bekannt werden und dann nicht diskutiert werden, Märchen der AfD hingegen massiv kolportiert werden, bringt jede Statistik nichts. Denn was die Menschen täglich in der Zeitung lesen ist wichtiger. Es ist eine Aufforderung an die Presse, sich nicht von den Inszenierungsversuchen der AfD manipulieren zu lassen. Und umgekehrt vielleicht öfter über Fälle wie in Kösching zu berichten, um die Realität zu zeigen.

Zum Thema:

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Artikelbild: Ph_Stephan


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