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Köln: Wer gegen „Umweltsau“ protestiert, hat das Video nicht verstanden

von | Jan 4, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Satire, Schwer verpetzt, Social Media

Sorry, aber auch ihr wurdet von Rechten manipuliert

Ja, noch einmal Umweltsau. Aber Rechte und Rechtsextreme können diesen einen ihrer größten medialen Manipulationserfolge der jüngsten Zeit nicht ruhen lassen. Und da dieses Narrativ immer noch so phänomenal falsch erzählt wird, auch von vielen Verteidiger*innen, habe ich dazu auch noch einiges zu sagen. Rechte und Rechtsextreme von AfD bis zu Nazi-Schlägergruppen haben am Samstag zu einer Anti-ÖR-Demo in Köln aufgerufen. „Gegen GEZ und gegen Instrumentalisierung von Kindern gegen ältere Menschen“ in Köln gegen den WDR. Und ebenfalls die AfD protestierte auch in Baden-Baden vor dem SWR (Quelle).

Zu der rechten Demo in Köln kamen zwischen 35 und 50 Demonstranten, auf der Gegendemo der Organisation „Köln gegen Rechts“ waren es hingegen rund 1500 Teilnehmende. Natürlich war das Umweltsau-Lied nur der Anlass, um wieder einmal die Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen zu fordern. Dies von Seiten der Rechtsextremen selbstverständlich mit dem Ziel, Misstrauen in die Medien allgemein zu streuen und insbesondere den ÖR, der weniger abhängig von wirtschaftlichen Interessen ist als Privatmedien. Studien zeigen, dass diese dadurch weniger anfällig für rechte Manipulationsversuche sind und gleichzeitig für die meisten Menschen eine zuverlässige Informationsquelle – und den Rechten damit ein Dorn im Auge.



Doch halt, ihr doofen Volksverpetzer, es sind nicht alle rechts!

Einen Vorwurf, den ich bei der ganzen Umweltsau-Hysterie bei jedem einzelnen unserer Artikel zu lesen bekommen habe, war, dass wir ja nicht differenzieren und alle, die das Video nicht gut fänden, gleich als Nazis brandmarken würden. Auch bei der rechten Demo in Köln geben sich einige Medien – sogar der WDR selbst – große Mühe, zu betonen, dass ja „nicht alle rechts“ seien.

Was ich mit Absicht nie getan habe. Aber ich nehme an, wenn man unsere vielen Texte dazu absichtlich falsch interpretiert, muss man sich nicht mit der darin enthaltenen Analyse auseinander setzen. Was ich gesagt habe: Eine Netzwerkanalyse hat gezeigt, dass rechte Accounts durch gezielte Troll-Attacken das Narrativ zu verbreiten versuchten, dass das WDR-Video über Umweltsau keine Satire sei, sondern eine ernst gemeinte Beleidigung aller Omas, was natürlich Unsinn ist. Sie simulierten einen Shitstorm, den der WDR fatalerweise ernst nahm und durch das sofortige Löschen des Videos zu allem Übel auch noch legitimierte.

Als das schnelle Löschen des Umweltsau-Videos und die Entschuldigung des Intendanten Buhrow die Kritik und das rechte Narrativ vermeintlich bestätigten, weitete sich diese falsche Interpretation weit über rechte Kreise hinaus aus – Erst Recht, weil das Original-Video nicht mehr zu finden war und viele aus Unwissenheit oder Opportunismus dieses rechte Narrativ akzeptierten. Das ging soweit, dass ich mir beim Schreiben des ersten Artikels selbst nicht ganz klar war, wofür das Video stehen sollte.

Das Problem dabei: Natürlich wurde später der große Teil der Entrüstung und der Kritik nicht von Rechtsextremen formuliert. Aber da war das Video bereits gelöscht und die erste Entschuldigung formuliert. Und auch jetzt noch glauben viele, das Video habe sich über klimaschädliches Verhalten von älteren Menschen lustig machen wollen – selbst wenn sie der Meinung sind, Satire dürfe das! Wer in Artikeln oder Kommentaren immer noch diese Kritik wiederholt, dem muss ich leider sagen:

Du bist auf ein rechtes Narrativ hereingefallen!

Und wirklich, ich beschuldige hier niemandem, heimlich eine Nazi-Agenda zu haben. Entgegen der Reputation in manchen Kreisen schwingen wir hier nicht leichtfertig die Nazi-Keule, wann immer es uns passt. Viele, die am zweiten Tag des OmaGates Kritik an der vermeintlichen Beleidigung von älteren Menschen übten, sind ganz sicherlich nicht rechts. Da waren CDU, SPD und FDP-Politiker*innen dabei, die immer klare Kante gegen Rechts zeigen und die ich unter anderem dafür auch schätze.

Und klar, wenn wirklich eine echte Oma beleidigt worden wäre, dann wäre das mindestens ungeschickt. Aber selbst wenn man es als überspitzte Kritik an der älteren Generation versteht – was auch viele Verteidiger*innen des Videos tun – ist es wirklich absolut harmlos. Und wäre auch nicht wirklich falsch. Die „Oma“-Generation ist nicht so umweltfreundlich, wie eine Gastautorin in dem Alter hier beschrieben hat – oder einfach die Statistik zeigt.

Das unverzügliche Löschen des Videos und das schnelle Nachgeben Buhrows sind völlig überzogen und im Gegenteil sogar gefährlich. Wie leicht der ÖR bei rechter Hysterie einknickt, dazu habe ich hier schon mehr geschrieben:

Buhrow & Öffentlich-Rechtliche: Vor rechtem Jammern buckeln, linke Kritik ignorieren?

Das alles wäre schon schlimm genug, die die rechte Hysterie, die Morddrohungen und jetzt sogar rechte Demonstrationen in Köln und Baden-Baden und die Proteste und die Drohungen von AfD-Politikern gegen Journalist*innen kein bisschen rechtfertigen würden! Bestenfalls könnte man sich darauf einigen, unterschiedliche Geschmäcker zu haben, aber die Existenzberechtigung des Umweltsau-Videos nicht anzuzweifeln. Ich selbst mochte das Video auch zu keinem Zeitpunkt, wie ich stets betont habe. Sofern man kein Rechtsextremer ist, aber über die reden wir hier jetzt mal gar nicht. Doch es noch viel gravierender, denn dann würde man immer noch auf eine rechte Manipulation hereinfallen!

Video sollte Kritik an FFF-Generation üben

Ich hatte es in älteren Artikel und Tweets schon ein paar Mal anklingen lassen, aber ich war mir von Anfang an nicht sicher, dass es ältere Menschen für ihr klimaschädliches Verhalten anprangern sollte. Doch das war neben dem ganzen Wahnsinn fast nebensächlich, weil Morddrohungen und Eskalationen. Hier rächte sich das unglaublich schnelle Einknicken des WDR und ihre Löschung des Videos. Denn viele haben das Original gar nicht erst sehen können. Und wer sich selbst ein Bild machen wollte, hatte den Text gelesen oder einen Ausschnitt in einem Twitter-Video gesehen.

Und sogar wir haben nur diesen Ausschnitt verbreitet – und damit den notwendigen Kontext weggelassen, der nun mal relevant ist. Habe ich diese Interpretation getwittert, durfte ich mir von allen Seiten anhören, was für eine lahme Ausrede das sei. Wie der Chorleiter selbst im Interview erklärt hat, gehe es gar nicht um die Oma, sondern “der Konflikt zwischen den Generationen” sollte “aufs Korn genommen werden”. Doch, wirklich: Eigentlich macht man sich über die Klimafreunde, die das Video feiern (und ich gehöre nicht dazu!), lustig.

„Satire Deluxe“

Wie die Kollegen von Übermedien herausgefunden haben, ist der Ursprung des Liedes eigentlich eine WDR-Satire-Sendung „Satire Deluxe“, die schon am 9. November 2019 ausgestrahlt wurde. Es ist auch hier noch im O-Ton abbrufbar (ab Minute 36 ca.). Über ein Greta Thunberg-Zitat sagten die Satiriker:

„Das klingt ziemlich unheimlich. „Die Augen der künftigen Generationen kleben auf euch.“ Kann man das so übersetzen? Das ist doch ein Aufruf, oder? Kinder bespitzeln ihre Eltern.

Ja, darauf wird’s rauslaufen. Irgendwann wenn du mit dem Auto nach Hause kommst, stehen deine Kinder bei dir in der Hofeinfahrt, wie die Zwillinge aus „Shining“, und dann machen sie so Notizen. Und dann melden sie das Ganze dann bei der „Fridays for Future“-Hotline, wo du deine nächsten Verwandten dann denunzieren kannst.

Aber du wirst lachen, so’ne Hotline gibt’s tatsächlich schon. Und da landen ungefähr solche Sprachnachrichtern drauf:“

Und anschließend sangen sie das bereits bekannte Umweltsau-Lied. Erst später ließ der WDR – mit Einverständnis der Eltern und der Kinder! – den Kinderchor dieses Lied einsingen, was dann zum rechten Pseudo-Skdandal führte.

Fazit

Der Kontext zeigt deutlich, dass es nicht nur selbstverständlich Satire war, die selbstverständlich genau so gemacht werden darf, sondern dass es sich sogar über Kinder lustig machen wollte, die ihre älteren Angehörigen „denunzieren“ – wenn man an einen kontroversen Scherz-Tweet von Fridays For Future wenige Tage zuvor denkt, wird das auch deutlich. Und auch warum der Chorleiter es für eine gute Idee hielt, das Lied neu zu vertonen. Und diese Nuancen gehen mir auch bei der Berichterstattung über Köln eindeutig verloren.

Denn es wird von vielen Medien versucht, neutral und nicht wertend zu bleiben – was ja an sich löblich ist – dabei passieren aber Darstellungen à la „Es sind ja nicht alle rechts“ oder „Nach Kritik am Video“. Wenn selbst Verteidiger des Videos und die Berichterstattung darüber die absichtlich falsche Interpretation des Liedes nicht in Frage stellen, ist das bereits ein Sieg des rechten Narrativs. Und das macht mir ehrlich gesagt etwas Angst. Wer also anlässlich von Köln die „Instrumentalisierung von Kindern“ verurteilt – ohne selbst ein Rechter zu sein – der sollte sich mehr Gedanken über seine eigene Instrumentalisierung durch Rechte machen. Und jetzt habe ich hoffentlich wirklich das letzte Mal darüber geschrieben!

Artikelbild: Andrei Korzhyts, shutterstock.com