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Querdenker-Urteile (KW 5): Wieder Querdenker-Klagen gegen Querdenker

von | Feb 5, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen „Querdenker“ – es gibt auch immer mehr Urteile. Da es mittlerweile so viele sind, fassen wir die Urteile regelmäßig in einem Sammelartikel zusammen. 2023 fühlt sich ein wenig wie ein Murmeltierjahr, an wenn es um die Verurteilten geht. Die Protagonisten wiederholen sich. Denn auch diese Woche sehen wir hier gleich wieder den „Aktivist Mann“ und auch Reiner Fuellmich hat in Göttingen wieder einmal vor Gericht „verloren“. Es gab schon wieder einen Querdenker gegen Querdenker-Prozess. Hier der Artikel von letzter Woche.

Aktivist Mann hat Söder & Spahn beleidigt: Geldstrafe

Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, sowie Jens Spahn, Ex-Gesundheitsminister, hatten Anzeige gegen den u.a. wegen Volksverhetzung verurteilten Matthäus Westfal („Aktivist Mann“) erstattet. Verhandelt wurden vor dem Amtsgericht Rahden dieses Mal zwei Beleidigungen (gegen Söder und Jens Spahn), sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Erstaunlich: das Urteil, eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 30€ wurde noch im Gerichtssaal angenommen. Westfal ist somit um eine Vorstrafe reicher geworden.

Doch worum ging es genau? Zum einen duldete er in seinem Kanal ein Video der Hitler-Jugend. Seine Erklärung: er dachte „Ein junges Volk steht auf“ sei ein Volks- und Wanderlied. Zum anderen bezeichnete er Söder als „dreckigen Satanisten“, „der die Menschheit am liebsten totgeimpft hätte“. Zu Jens Spahn schrieb er: „Spahnferkel“. Vor Gericht versuchte er noch sich mit dem Argument der Satire rauszureden, scheiterte jedoch. Auf seinem Telegram-Kanal beschwerte er sich danach, dass er nur das Adjektiv von Satan und nicht das Nomen verwendet habe und pöbelte auf seinem Kanal gegen den Redakteur der Neuen Westfälische.

Eigentlich ist die Presse an allem Schuld – wirklich?

Zudem sei die Presse auch Schuld an seiner damaligen Hausdurchsuchung. Äh sorry, aber vielleicht lag das eher an entsprechenden Straftaten, lieber Aktivist Mann? Bis es zu einer Hausdurchsuchung kommt, muss in der Regel die ein oder andere juristische Hürde genommen werden. Das klappt nicht, indem ein Journalist einer Lokalzeitung mal kurz bei Staatsanwaltschaft bzw. Polizei anklingelt. Nicht der Staat trägt die Schuld, sondern Aktivist Mann alleine.

Aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes der obigen Anklagen, wurden zwei weitere Anklagepunkte eingestellt. Dabei ging es unter anderem um einen öffentlichen Aufruf zu Straftaten, den Westfal auf seinem Telegram-Kanal verbreitete. Westfal selbst lässt diese nicht ganz irrelevante Info unter den Tisch fallen. Die Anklagepunkte wurden nicht fallen gelassen, weil nichts dran war, sondern weil seine anderen mitverhandelten Delikte einfach noch schwerer wogen. Er selbst äußert sich dahingehend, dass Beleidigungen gegen Söder und Spahn unverhältnismäßig stark verfolgt würden. Wir sagen: im Hinblick auf den Mord an Walter Lübcke ist die konsequente Verfolgung solcher Straftaten nur richtig.

Aus Wörtern wurden damals Taten:

Keine zwei Tage später erhielt Westfal nach eigener Aussage übrigens wieder Post: es gab einen Strafbefehl über 4.500€ wegen transfeindlicher Äußerungen gegen die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Bündnis 90/Grüne). Auch in diesem Videoclip unterließ er das Deadnaming nicht.

Querdenker gegen Querdenker reloaded

Nachdem Fuellmich letztens erst von Viviane Fischer lernen durfte, dass er nicht alles aussprechen darf und es sich um einen Querdenker vs. Querdenker-Prozess handelte, kommt nun ein weiterer hinzu. Diesmal: OVALmedia vs. Fuellmich. OVALmedia produziert u.a. den Coronaausschuss, fällt aber auch sonst durch rechte Nähe, sowie Verschwörungsmythen auf, wie der Tagesspiegel berichtete. OVALmedia war zumindest im Hinblick auf den Tagesspiegel klagefreudig. Nun auch in Bezug auf Fuellmich. Dabei haben sie damals bei den ersten Corona-Maßnahmen noch gemeinsam in Berlin gefeiert – und nun das. Ähnlich wie Viviane Fischer möchte auch das Unternehmen OVALmedia Fuellmich gewisse Aussagen untersagen und bekam vor Gericht Recht.

Die einstweilige Verfügung wurde bereits im Herbst des vergangenen Jahres beantragt, jetzt aber erst beschieden. So wurde der Verfügung nur in Teilen stattgegeben. Wichtigster bestätigter Punkt: Fuellmich darf keine Aussagen zur Verwendung der Spendengelder aufstellen und verbreiten.

Fuellmich sitzt derzeit übrigens nach eigenen Angaben in Mexiko fest, da er ein Einreiseverbot habe, welches sich aber „sicher zeitnah klären lässt“.

Uelzener Kinderarzt: Revision

Im April 2022 wurde der ehemalige Uelzener Kinderarzt und AfD-Stadrat Dr. Günther R. zu einer Geldstrafe von 8.400€ verurteilt, da er gefälschte Maskenatteste in 29 Fällen ausgestellt haben soll. Das Urteil wurde nun vom Oberlandesgericht Celle aufgehoben. Zwar sagt der Senat, dass Atteste nur nach vorangegangener Untersuchung ausgestellt werden dürften und die Maskenatteste daher sehr wahrscheinlich zu Unrecht ausgestellt wurden. Aber: das Amtsgericht Uelzen hat in seiner Urteilsbegründung nicht hinreichend dargelegt ob in den Bescheinigungen die nicht-stattgefundenen Untersuchungen aufgeführt waren.

Allein zur Korrektur dieser noch offenen Frage und zur Feststellung ob dem so war oder nicht, wurde das Urteil nun erst einmal wieder aufgehoben. Es kann also sehr wohl sein, dass das Amtsgericht Uelzen im zweiten Prozess zum selben Ergebnis kommen wird – nun allerdings mit der nacherhobenen Feststellung.

Ursprünglich erhielt R. einen Strafbefehl über 10.500€ (150 Tagessätze zu je 70€), den er nicht akzeptierte und deswegen vor Gericht zog. Dort fiel das Urteil mit insgesamt 8.400€ (120 Tagessätze zu je 70€) deutlich niedriger aus. Als vorbestraft gälte er damit dennoch.

Artikelbild: shutterstock