3.840

Urteile der Woche (KW 39): Sven Liebich muss in Haft!

von | Okt 1, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten wie Sven Liebich – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt uns mit dem Wegfall der Covid19-Schutzmaßnahmen immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns nun entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen. Letzte Woche berichteten wir u.a. darüber, dass ein AfD-Landtagsabgeordneter nur noch nach körperlicher Kontrolle Zutritt in die Gebäude erhält. Er fiel zuvor mehrfach durch Waffen auf:

Sven Liebich erneut zu einer Haftstrafe verurteilt

Erst im Juli berichteten wir über ein Urteil, indem Sven Liebich mit Haftstrafe von 1,5 Jahren bedacht wurde. Das Urteil ist nach wie vor nicht rechtskräftig, da nicht nur Liebich, sondern auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt haben. Während Liebich das Urteil zu hoch ist, ist es der Staatsanwaltschaft zu gering.

Das Urteil aus letzter Woche ebenfalls noch nicht, aber das Amtsgericht Leipzig sah es als erwiesen an, dass Sven Liebich sich diesmal gemeinsam mit drei weiteren Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe. Bei einer Querdenken-Demo in Leipzig soll er im November 2020 einen Fotografen attackiert und angegriffen haben. Am Ende waren 32 Vertreter:innen der Presse verletzt. Das Amtsgericht Leipzig verurteilte ihn daher zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung, wie endstation-rechts.de berichtet. Über die Demo hatten wir damals auch berichtet:

Staatsanwalt hält Liebichs Aussage für „Käse“

Auf dem Blog von endstation-rechts.de sind die beiden Prozesstage ausführlich beschrieben, auch lag Videomaterial des angeklagten Tatvorwurfs vor: „Dass Liebich und Caroline K. den Nebenkläger nur hätten festhalten wollen, um ihn der Polizei zu übergeben, hält der Staatsanwalt für „Käse“. Das sehe man auch daran, dass sie die ersten gewesen seien, die abgehauen seien, als die Polizei kam. Als „hochaggressiv“ beschreibt er Caroline K. in der Situation und bezieht sich auf die Videos, die das Gericht in Augenschein genommen hat.“

Die ebenfalls Angeklagte, die Erzieherin Caroline K., zum damaligen Zeitpunkt Liebichs Partnerin, wurde zusammen mit ihm bereits 2022 vor Gericht verhandelt: wegen Angriff auf ein Impfteam. Gegen die Zahlung von 500€ wurde das Verfahren für sie damals eingestellt, sie galt dadurch nicht als vorbestraft. Obwohl festgestellt werden konnte, dass sie damals einen Sanitäter getreten habe. Diesmal kam sie nicht so glimpflich davon: sie wurde zu ebenfalls wie Liebich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Für sie gab es eine Strafe von sieben Monaten und einer Woche. Allerdings ausgesetzt zur Bewährung auf zwei Jahre. Dazu muss sie 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten. „Caroline K. wird auch verurteilt, weil sie Cannabis in geringer Menge bei sich hatte, als die Polizei sie nach dem Angriff (…) feststellt.“

Volksverhetzung auf facebook: 87-Jährige festgenommen

Eine 87-jährige Frau hetzte im Internet wiederholt gegen Geflüchtete und Migrant:innen. Für zwei dieser Facebook-Beiträge erfolgte die Anklage. Vom zuständigen Amtsgericht in Rotenburg (Wümme), sowie dem Landgericht Verden an der Aller wurde sie daher 2022 zu einer Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Sie legte zunächst Berufung ein, erschien dann aber nicht zu dem Termin, so dass das ursprüngliche Urteil über die acht Monate aufrecht erhalten wurde. Laut Pressebericht sei sie „Reichsbürgerin, Rechtsextremistin und Wiederholungstäterin“. Die Haft trat sie trotz Aufforderung nicht an und tauchte stattdessen unter, so dass sie seitdem per Haftbefehl gesucht wurde. „Am Montag haben Fahnder der Rotenburger Polizei die 87-Jährige zu Hause verhaftet und in die JVA überführt.“, heißt es im Polizeibericht weiter.

Nachweis für Masernimpfungen darf eingefordert werden

Seit dem 01.03.2020 gilt das neue Masernschutzgesetz. Das bedeutet, dass seitdem alle Menschen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden und nach 1970 geboren wurden, einen Impfschutz nachweisen müssen. Geschieht dies nicht, kann ihnen die Betreuung verwehrt und der Vertrag gekündigt werden. In Schulen ist das aufgrund der Schulpflicht ein wenig anders. In den Fällen, in denen kein Nachweis erfolgte, muss eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen. Die Schule darf und muss jedoch weiterhin besucht werden. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz steht übrigens nicht im Widerspruch zur Masernimpfpflicht. Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt dazu: „Wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen bedarfsgerechten Betreuungsplatz nachweist, ist der Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege bereits durch diesen Nachweis erfüllt. Das gilt auch, wenn das Kind wegen des fehlenden Nachweises über die Masern-Schutzimpfungen nicht betreut werden kann.“

Eltern klagen im Eilverfahren gegen Gesundheitsamt

In Berlin weigerten sich Eltern von insgesamt drei Kindern nun den Nachweis in der Schule vorzulegen. Ihnen wurde somit ein Zwangsgeld über 200€ angedroht. Sie waren nicht bereit dieses zu zahlen und klagten daher im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Gesundheitsamt Berlin Treptow-Köpenick. „Die Nachweispflicht käme einer Impfpflicht gleich und sei verfassungswidrig“, argumentierten die Eltern. Dabei haben sie jedoch außer Acht gelassen, dass eine Nicht-Impfung im schulischen Kontext keinerlei Nachteile außer ggf. auf Klassenfahrten nach sich gezogen hätte.

Das Gericht, welches alle Klagen abgewiesen hatte, erklärte, dass die Nachweispflicht zwar in das Elternrecht eingreife, aber verhältnismäßig sei. Die Impfpflicht verfolge den legitimen Zweck, die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Das Elternrecht diene dem Schutz der Kinder – die Ausübung der elterlichen Gesundheitssorge müsse sich darum am Kindeswohl orientieren.

Artikelbild: dpa/Canva