2.870

Urteile der Woche (KW 28): Haft für Neonazi Liebich & „König von Deutschland“

von | Jul 16, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt uns mit dem Wegfall der Covid19-Schutzmaßnahmen immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns nun entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen und auszuweiten. Ab sofort werden wir nur noch die „Urteile der Woche“ veröffentlichen, und darin alle Demokratiefeinde, Desinformationsverbreiter und Wissenschaftsfeinde aufzählen. Diese Woche mit ausschließlich positiven Nachrichten mit Neonazi Sven Liebich und Reichsbürger Peter Fitzek. Die Urteile der letzten Woche, bei der ein Heilpraktiker in den Entzug geschickt wurde, findet ihr hier:

Sven Liebich muss endlich ins Gefängnis!

Der bekannte Rechtsextremist und verurteilte Volksverhetzer Sven Liebich fiel bereits vor der Covid19-Pandemie durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und entsprechend volksverhetzende Aussagen auf. Oft genug wurde er dafür auch je nachdem mal verurteilt oder freigesprochen, verurteilt aber bisher immer auf Bewährung. Auch wir vom Volksverpetzer haben Liebich aufgrund seiner Äußerungen auch schon mal angezeigt. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, da im selben Zug noch weitere Anklagen behandelt wurden, deren Strafmaß dann doch höher war:

Schon wieder Volksverhetzung

Im aktuellen Prozess ging es ebenfalls wieder einmal um den Anklagepunkt der Volksverhetzung. Das Amtsgericht Halle sah hier keinerlei Spielraum mehr für eine Bewährung und verurteilte ihn daher zu einem Jahr und 6 Monaten Freiheitsstrafe. Zudem muss er die Kosten des Verfahrens zahlen und zwei Nebenkläger finanziell entschädigen (einmal 1.000 € und einmal 500 €), da er zusätzlich auch wegen übler Nachrede angeklagt war. Hätte er sich von seinen Taten distanziert oder glaubhaft Reue gezeigt, hätte es unter Umständen doch noch eine weitere Bewährung gegeben. Rechtskraft hat das Urteil noch nicht, er hat seit vergangenem Donnerstag nun eine Woche Zeit, um Berufung einzulegen.

Richterin vergleicht Liebich mit einem aufmerksamkeitssüchtigen Kind

Die Richterin wurde in der Urteilsbegründung sehr deutlich, so sagte sie u.a.:

„Sie sind das beste Beispiel dafür, dass man in Deutschland bis zur Grenze der Unerträglichkeit seine Meinung sagen darf. Aber sie dürfen nicht beleidigen.“

Quelle: MDR.de

Weiter nannte sie Liebich laut MDR einen „Gratwanderer“, der „in manchen Fällen die Grenze des Rechts überschreite“. Politisch Andersdenkende könne man nicht überzeugen, indem man sie beleidige oder anschreie. Der letzte Vergleich hatte es schließlich in sich: Liebich sei wie ein Kind, das süchtig nach Aufmerksamkeit sei.

Unter die Volksverhetzung fiel in diesem Prozess u.a. der Verkauf von Baselballschlägern mit dem Aufdruck „Abschiebehelfer“ sowie verbale Angriffe gegenüber Mitgliedern der „Omas gegen Rechts“.

Weitere elf Fälle wurden als üble Nachrede gewertet. Freispruch gab es für die Vorwürfe des Hausfriedensbruchs und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Die jetzt gebildete Gesamtfreiheitsstrafe beinhaltet auch seine vorherigen Verurteilungen, die Bewährungen wurden somit widerrufen. Ob er die 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit aus seiner letzten Verurteilung bereits abgeleistet hat, ist uns derzeit nicht bekannt.

„Reichsbürgerkönig“ von Deutschland: Peter Fitzek

Peter Fitzek wurde bekannt als neuer „König“ im Königreich Deutschland, einer von Reichsbürgern gegründeten und ausgerufenen „Republik“ innerhalb Deutschlands. Sie lehnen ganz im Sinne der Reichsbürger den Staat Deutschland ab, geben ihre Personalausweise ab und gründen eigene Krankenversicherungen. Manchmal erfindet er auch eine eigene Währung.

So zum Beispiel die „Neue Deutsche Mark“. Dazu wurden mit einer eigens angeschafften Prägemaschine Münzen geprägt als auch Papiergeld gedruckt. Die eingetauschten Euro kann man zwar in seine Kasse einzahlen, es gibt jedoch keine Möglichkeit, dieses Geld wieder zurückzutauschen. Beziehungsweise: doch, das geht. Aber nur, wenn Fitzek das will, denn: „sonst wären das ja Bankgeschäfte“.

„Querdenker“ Michael Ballweg traf sich ebenfalls mit Peter Fitzek:

Ballweg hat(te) Konto bei Reichsbürgern

Kurz nach diesem Treffen wurde bekannt, dass Ballweg zudem über ein Konto bei der „Reichsbürgerbank“ verfügte:

Während Michael Ballweg noch versuchte seine Verbindungen zu Reichsbürgern zu verschleiern, tauchten allerdings geleakte Mails auf – die wir einsehen konnten.

Reichsbürgerbank wurde nach Razzia verboten

Die Reichsbürgerbank wurde schließlich im März 2023 staatlicherseits (also Deutschland jetzt) durch die Bankenfinanzaufsicht (Bafin) dichtgemacht:

Spiegel TV berichtete bereits im Mai 2022 von den „Wirtschaftszweigen“ Fitzeks, der übrigens auch durch seine Nähe zu Nikolai Nerling (dem „Volkslehrer“) aufgefallen ist. Sie zeigen dabei auch von Anonymous (Operation Tinfoil, wir berichteten) geleakte Dokumente zu Fitzeks Geschäftsplänen. Vor allem die Covid19-Pandemie scheint den Reichsbürgern einen enormen Zulauf gegeben zu haben, wie die Reportage belegt:

YouTube player

Der unschuldig dreinblickende Reichsbürgerkönig wurde jetzt aber nicht für seine „Geschäftstätigkeiten“ verurteilt, sondern für eine vorsätzliche Körperverletzung, sowie Beleidigung. Denn obwohl Fitzek den deutschen Staat ablehnt, fand der Vorfall ausgerechnet in einem Dienstgebäude des Landkreises Wittenberg eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes gegen eine Tür gestoßen und nach ihr getreten haben, nachdem ihm der Zugang verwehrt wurde. Zwei damals dort eingesetzte Bundeswehr-Soldaten kamen ihr zu Hilfe und wurden daraufhin von ihm durch beleidigt. Verurteilt wurde er nun auch im Hinblick auf seine Vorstrafen zu acht Monaten ohne Bewährung. Über die Rechtskraft ist uns derzeit nichts bekannt.

Grund für seinen Besuch war interessanterweise, dass er sich in der Führerscheinstelle ein Dokument abstempeln lassen wollte. Als das mit Verweis auf die Corona-Schutzmaßnahmen nicht ging, wollte er sich Zugang zum Büro eines Sachbearbeiters verschaffen, was ihm verwehrt wurde. Daraufhin sei er schließlich körperlich geworden.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass sich Peter Fitzek vor Gericht verantworten muss: illegale Versicherungsgeschäfte, sowie das Fahren ohne Fahrerlaubnis waren Inhalt vorheriger Verfahren. Weitere Verfahren folgen noch. Zwar nutzt er gerne alle Angebote seitens des Gerichts – doch eigentlich lehnt er diese ja alle ab. Was ihm nicht gefällt: dass die Gerichte seine Immunität als angebliches Staatsoberhaupt regelmäßig nicht anerkennen.

Artikelbild: Jan Woitas / picture alliance / dpa / Collage / Canva