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Querdenker-Urteile (KW 9): Reichsbürger-Bank dicht gemacht

von | Mrz 5, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen „Querdenker“ – es gibt auch immer mehr Urteile. Da es mittlerweile so viele sind, fassen wir die Urteile regelmäßig in einem Sammelartikel zusammen. Letzte Woche berichteten wir, wie Rechtsextreme und Querdenker gezielt planen die Justiz zu unterwandern. Wir haben beschrieben, was du dagegen tun kannst:

Diese Woche gibt es aber wieder wie gewohnt geballte Querdenker-Urteile der Woche. Reichsbürger, absurde Geldsummen, gefälschte Maskenatteste – es ist von allem was dabei!

BaFin macht Reichsbürger-Banken dicht

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat als originäre Aufgabe die Kontrolle über das Finanzwesen in Deutschland zu haben. Dazu gehört es auch, Banken, sowie Geldanlagen zu überwachen und zu schauen, ob entsprechendes Risikocontrolling betrieben wird und die Einlagensicherung gewährleistet ist. Auch wenn Reichsbürger der Meinung sind, sie gehören nicht mehr zur Bundesrepublik Deutschland, so handeln sie dennoch mit dem Geld von „Noch-„Bürger:innen des Staates und unterliegen somit den Regularien, egal ob sie sich Königreich Schwurbelhausen o.ä. nennen.

Der bekannteste Kopf dieser Reichsbürgerszene dürfte Peter Fitzek sein, unvergessen seine Krönung als neuer „König von Neu-Deutschland“. Sein Ziel: die Wiederherstellung der deutschen Grenzen von 1937:

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Wenn sich Fitzek nicht gerade mit der Querdenkerszene anlegt: siehe hier, er erfindet er auch mal eine eigene Währung. So zum Beispiel die „Neue Deutsche Mark“. Dazu wurden mit einer eigens angeschafften Prägemaschine Münzen geprägt als auch Papiergeld gedruckt. Die eingetauschten Euro kann man zwar in seine Kasse einzahlen, es gibt jedoch keine Möglichkeit, dieses Geld wieder zurückzutauschen. Beziehungsweise: doch, das geht. Aber nur, wenn Fitzek das will, denn: „sonst wären das ja Bankgeschäfte“.

Geld erfinden ist verboten

Sein Problem: der § 35 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank – „Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen„. Denn dieser Paragraph untersagt die Erstellung und das in Verkehr bringen von selbst erstellten Währungen. Freiheitsstrafe: bis zu 5 Jahren. Gegenüber Fitzek gab es mehrere Verfügungen seinen Finanzbetrieb einzustellen, zuletzt betrieb er seine Produkte (darunter eine Krankenversicherung) in der „GemeinWohlKasse“ an gleich drei Standorten.

Die jetzt stattgefundene Razzia erfolgte aufgrund von Ermittlungsergebnissen wegen fehlender Erlaubnis für Einlagengeschäfte. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht schrieb dazu in ihrer Pressemitteilung: „(…) Die BaFin hat die Geschäftsräume am 23. Februar 2023 durch örtliche Polizeikräfte versiegeln lassen. (…) Die Schließungsanordnungen und die Festsetzungsbescheide zur Anwendung unmittelbaren Zwangs sind noch nicht bestandskräftig. Sie sind aber von Gesetzes wegen sofort vollziehbar. (…)“.

Ob und wie Fitzek nun weitermacht und wie seine nach eigenen Angaben knapp 6000 „Bürger:innen“ seines Königreichs reagieren werden, wenn sie erfahren, dass ihre „Bank“ und „Versicherung“ weg sind und sie keine Gegenleistung dafür erhalten werden, bleibt abzuwarten. Ebenfalls Spiegel TV berichtete bereits im Mai 2022 von den „Wirtschaftszweigen“ Fitzeks, der übrigens auch durch seine Nähe zu Nikolai Nerling (dem „Volkslehrer“) aufgefallen ist. Sie zeigen dabei auch von Anonymous (Operation Tinfoil, wir berichteten) geleakte Dokumente zu Fitzeks Geschäftsplänen. Vor allem die Covid19-Pandemie scheint den Reichsbürgern einen enormen Zulauf gegeben zu haben, wie die Reportage belegt:

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Ex-AfDler Heinrich Fiechtner zu 72.500 € Geldstrafe verurteilt: ganze 485 Tagessätze!

Wir recherchieren ja auch so schon immer die Informationen, die wir erhalten, aber als die hier Freitagnachmittag bei uns in der Redaktion auftauchte, waren wir doppelt aufmerksam. Es geht um den Ex-AfD-Abgeordneten Heinrich Fiechtner. Er trat übrigens 2017 aus der AfD aus, weil die sich in seinen Augen nicht genug von antisemitischen Abgeordneten distanzierte. Er ist auch bekannt dafür, sich mit genau diesem Abgeordneten 2020 gegenseitig Maskenatteste ausgestellt zu haben. Er bekundete nun kürzlich in einem von ihm veröffentlichten Video, dass er zu 685 Tagessätzen verurteilt worden wäre.

Screenshot Telegram-Kanal von Fiechtner

Das scheint unwahr zu sein, wie auch in der Stuttgarter Zeitung zu lesen ist. Fiechtner wurde im Wahrheit zu 485 Tagessätzen zu je 150 € verurteilt. Dennoch eine Gesamtstrafe von 72.750 €. Die Höhe der Tagessätze hat uns so verwundert, da meist nur bis 120 Tagessätzen geurteilt wird und es danach Haftstrafen gibt. Im Falle von Fiechtner wurden jedoch insgesamt 17 (!) Verfahren zusammengezogen, alle Strafen addiert und dann zur Bildung der Gesamtstrafe durch zwei geteilt. Das ist gesetzlich so möglich, wird aber in der Höhe nur selten verhängt.

Lange, lange Liste an Vorwürfen

In den aktuell verhandelten Fällen (zwischen 2019 und 2021) soll er unter anderem vertrauliche Dokumente aus einem Ausschuss veröffentlicht haben.

Verurteilt wurde der Mediziner zudem wegen Hausfriedensbruchs, unerlaubten Filmens von Polizeibeamten und der Veröffentlichung im Internet, Verstößen bei Versammlungen, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Weiterleitung von beleidigenden Texten an acht Gesundheitsminister von Bund und Ländern.

Stuttgarter Zeitung, abgerufen am 03.03.2023

Die Staatsanwaltschaft forderte 18 Monate Haft auf Bewährung, sowie 12.000 € Geldstrafe. Sein letztes Wort sei laut Richterin „homophob und menschenfeindlich“ gewesen, dennoch entschied sie sich für „das mildere Mittel“, also die bloße Geldstrafe, die allerdings deutlich höher ausfällt als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Ob sie mit dem milden Mittel meinte, dass dadurch den Steuerzahlenden die Haftkosten erspart bleiben: unklar.

Er sang in seinem letzten Wort sogar die deutsche Nationalhymne, beleidigte die Richterin und Staatsanwältin und seine Sympathisanten im Zuschauerraum stimmten ein. Diese flogen dafür im Anschluss direkt aus dem Saal heraus. Selbsterklärend, dass Fiechtner nun die Unabhängigkeit der Richterin infrage stellt und ankündigt, bis vor das Oberlandesgericht ziehen zu wollen, um Recht zu bekommen. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft bereits, ob es durch seine Aussagen im Schlussstatement zu weiteren Straftaten gekommen ist. In dem Fall müsste er sich mindestens einem weiteren Prozess stellen.

Ärztin verhaftet: 162 gefälschte Maskenatteste aus Sachsen

Und ein letzter Fall: Eine in Sachsen ansässige 66-jährige Ärztin wurde am 28.02.2023 von der Polizei Dresden verhaftet. Vorwurf: „Verdacht des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse im besonders schweren Fall in derzeit 162 Fällen.“ Laut Einschätzung der Staatsanwaltschaft handele es sich um einen besonders schweren Fall, da sie in den 162 Fällen Einnahmen in Höhe von insgesamt etwa 12.500 Euro erzielt haben soll. Parallel zur Festnahme erfolgten weitere Durchsuchungen in ihren Wohnräumen, sichergestellt wurden ein Handy, sowie Bargeld in vierstelliger Höhe. Die Ermittlungen dauern nach wie vor an, Anklage wurde noch nicht erhoben.

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