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Urteile der Woche (KW 49): AfD-Urteile, Härteres Vorgehen gegen Querdenker

von , | Dez 10, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“ bzw. Pandemie-Leugner, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt immer schwerer. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen

Seit einiger Zeit befassen wir uns auch juristisch überdurchschnittlich oft nur mit der AfD. Einerseits mit der Petition zur Überprüfung eines AfD-Verbotes, andererseits aber immer wieder mit Urteilen gegen ihre (Ex)-Mitglieder. Erst Freitag kam die Information, dass nun auch der sächsische Landesverband der AfD als extremistisch eingestuft wurde. Somit gelten bereits drei Landesverbände als gesichert extremistisch: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Nahezu alle anderen Landesverbände sind schon als Verdachtsfälle eingestuft. Vorletzte Woche gab es ein komplettes AfD-Spezial – es fiel uns nicht schwer, einen ganzen Artikel nur mit Urteilen von AfD-Extremisten zu füllen, letzte Woche erhielt dann auch noch Beatrix von Storch ihre passende Strafe und diese Woche dreht es sich auch wieder viel um die AfD – und ihre Ex-Mitglieder. Aber nicht nur.

1. Bundesverwaltungsgericht beschließt harte Linie gegen Pandemie-Leugner

Das Bundesverwaltungsgericht in Deutschland hat eine wegweisende Entscheidung getroffen, wonach Staatsdiener, die Verschwörungsmythen verbreiten oder die Pandemiepolitik als „diktatorisch“ bezeichnen, disziplinarische Maßnahmen, einschließlich des Verlustes ihres Dienstverhältnisses, erleiden können. Diese Entscheidung erstreckt sich nun auch auf die Verbreitung von Corona-Verschwörungsmythen, wie die Süddeutsche berichtet. In einem spezifischen Fall hat das Gericht einen ehemaligen Bundeswehr-Hauptmann verurteilt, der auf Facebook die Pandemiepolitik der Bundesregierung kritisiert und von einer „aufkommenden Diktatur“ gesprochen hatte. Diese Aussagen wurden als Verstoß gegen die dienstliche Pflicht zur Verfassungstreue bewertet, woraufhin der Staat berechtigt war, sein Ruhegehalt zu kürzen.

Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die aktuelle Einstufung der sogenannten Querdenker-Bewegung als extremistisch durch die Verfassungsschutzämter seit 2021. Obwohl diese Gruppe kein eigenes politisches Programm verfolgt und keine Diktatur befürwortet, werden ihre Aktivitäten als „Diffamierung und Delegitimierung des Staates“ angesehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Auffassung bestätigt und betont, dass die Entscheidung auch auf andere Staatsdiener anwendbar ist. Es wird klargestellt, dass Kritik an der Regierung oder an rechtlichen Regelungen grundsätzlich legitim ist, solange sie nicht in Diffamierung oder illegitimen Aktionen gegen staatliche Organe mündet.

Interessant ist, dass der betroffene Ex-Offizier in einer unteren Instanz, dem Truppendienstgericht Süd, zunächst freigesprochen wurde, indem er sich auf seine Meinungsfreiheit berief. Er behauptete, seine Äußerungen im Internet seien satirisch überspitzt gewesen, wie die Süddeutsche berichtet. Das Bundesverwaltungsgericht widersprach jedoch dieser Auffassung und verurteilte ihn für seine Äußerungen auf Facebook, in denen er die Corona-Politik der Bundesregierung heftig kritisiert und sie mit extremistischen Regimen verglichen hatte. Diese Entscheidung ist nun rechtskräftig.

2. Über 85.000 € Geldstrafe für Ex-AfD-Landtagsabgeordneten Fiechtner

Dr. Heinrich Fiechtner, Mediziner, fiel spätestens in der Corona-Pandemie mit Aussagen auf, die den Rechtsstaat delegitimierten. 2013 gründete er die AfD mit und gehörte dem mittlerweile aufgelösten Flügel an. Auch als er noch Abgeordneter für die AfD im Baden-Württembergischen Landtag war, bezeichnete er den damaligen Direktor des Landtags als „antidemokratische Ratte“. 2017 trat er dann aus der AfD aus. Das war zu einer Zeit, in der die AfD-Spitzen noch engagiert dagegen vorgingen, sobald Strafverfahren gegen ihre Mitglieder anhängig waren.

Ein früher Strafbefehl erstreckte sich über 38.000 € u.a. für Äußerungen, dass die Maske der „Hitlergruß unserer Zeit“ war, wie er 2021 auf einer Kundgebung in Erfurt auf einer Bühne tätigte. Weitere Punkte dieses Strafbefehls: Hausfriedensbruch, Verstöße bei Versammlungen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und weitere Beleidigungen. Es gab noch einige weitere Verfahren und Verurteilungen gegen Fiechtner.

Und nun kam diese Woche ein weiteres Urteil hinzu: 90 Tagessätze zu 150 € u.a. wegen Verwendung verbotener Zeichen (Hakenkreuz). Statt Genderstern soll er auf einem Sharepic ein Hakenkreuz verwendet haben. Weitere Punkte waren: Verharmlosung des Holocaust und Beleidigung. Letztlich soll er die Verhandlung mit dem NS-Volksgerichtshof verglichen haben. Rechtsmittel wird er sehr wahrscheinlich auch hier wieder einlegen.

Alles in allem müsste Fiechtner nun schon über 85.000 € an den Staat zahlen, Einsicht zeigt er bis heute nicht, im Gegenteil. Er radikalisiert sich weiter und trägt das Narrativ von einer „Deutschland GmbH“ durch die Welt. Man könnte ihn meiner Meinung nach definitiv den Reichsbürgern zuordnen.

3. AfD-Politiker: geldstrafe wegen queerfeindlicher Äußerungen

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Ja klar, aber halt auch nur, wenn es nicht gegen Gesetze verstößt. Genau das muss jetzt der AfD-Kommunalpolitiker Peter Junker (ehemals CSU-Mitglied) noch einmal nachvollziehen lernen. Helfen dabei könnte ihm der Strafbefehl, welcher nun gegen ihn verhängt wurde. Auf dem Europa-Parteitag der AfD Ende August dieses Jahres beleidigte er queere Menschen auf übelste Art und Weise.

Wir reproduzieren diese kriminellen Äußerungen hier nicht, nur soviel: es reichte für einen Strafbefehl über 100 Tagessätze wegen Volksverhetzung. Eine Höhe nannte das Gericht aus Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse nicht. Zu unserer Überraschung hat Peter Junker den Strafbefehl akzeptiert und keinen Einspruch eingelegt, wie sonst eigentlich immer in dieser Kategorie. Das Urteil ist somit rechtskräftig, Junker gilt ab sofort als vorbestraft.

Auch er erhält der Vorbestrafte übrigens Rückendeckung von seiner Partei. Ausgerechnet von der queeren Bundessprecherin Alice Weidel. Auf die Frage im ARD-Sommerinterview, ob „offen radikal das neue Motto“ ihrer Partei sei, erwiderte sie: „in der AfD gebe es nun mal Meinungsfreiheit“.

Die Meinungsfreiheit endet jedoch dort, wo andere in ihrer Freiheit beschnitten werden. Oder um es mit den Worten des §130 Strafgesetzbuches zu sagen: wer „die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er (…) Teile der Bevölkerung (…) beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“, macht sich strafbar. Etwas, dass diese Partei offenbar weiß und bewusst macht. Wie unsere vielen Urteile zeigen dürften.

4. Ex-AfD-Funktionär muss Waffen abgeben und verliert Job bei der Bundespolizei

Bernd Pachal war Mitglied der AfD und in Berlin Marzahn-Hellersdorf zusätzlich im Fraktionsvorstand aktiv. Nebenbei leugnete er auch mal eben den Holocaust. Kurzzeitig bekannt wurde er auch durch sein Zitat: „Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien“. 2020 verlor er seinen Job als Objektschützer bei der Bundespolizei, da das Oberverwaltungsgericht eine Verfassungsfeindlichkeit Pachals feststellte.

Pachal war zuständig für die Bewachung der Botschaft in Kabul, Afghanistan. Kurz auf den Austritt aus dem Staatsdienst erfolgte sein Austritt aus der AfD. Zum damaligen Zeitpunkt wollte man mit Kriminellen in der AfD noch nichts zu tun haben – zumindest nach außen. Im Oktober 2021 demonstrierte er vor der Zentrale des Senders rbb, beleidigte dabei einen Journalisten, der wiederum Anzeige erstattete. 

Diese Anzeige wurde nun vor Gericht verhandelt. Aber die Richterin hatte weitere Fragen. So zum Beispiel, ob er seine zwei Lang- und Kurzwaffen nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts 2020 abgegeben habe. Sie musste nach eigenen Angaben insgesamt dreimal beim LKA nachfragen, ob er seine Waffen abgegeben habe, erst dann bekam sie eine Antwort und Pachal wurde aufgefordert seine Lang- und Kurzwaffen abzugeben. Laut LKA habe man das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus 2020 nicht gekannt.

Geldstrafe für Beleidigung 

Pachal wurde aufgrund dessen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt (gesamt 900 €). Die Höhe der Geldstrafe deutet darauf hin, dass er nach wie vor keiner geregelten Arbeit nachgeht. Weiterhin muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Der Tagesspiegel berichtet, dass die Richterin während einer Unterbrechung den Wachdienst alarmieren musste, weil das Publikum verbal aggressiv den Staatsanwalt und die Presse attackierte.

Laut Richterin habe er sich nicht einsichtig gezeigt. Das zeigte sich auch bei dem Verhalten der anwesenden Öffentlichkeit, die im Saal jubelten, als Bernd Pachal sagte, er würde dem Urteil widersprechen, da die Richterin befangen sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Artikelbild: canva.com