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Kreml-Fail: „Schmutzige Bomben“ sind Rauchmelder aus Slowenien

von | Okt 27, 2022 | Analyse

Bisher war der russische Außenminister Lawrow mit der Aufgabe betraut, für Russland zu lügen. So behauptete er im März noch, dass Russland die Ukraine gar nicht angegriffen hätte. Außerdem leugnete er, dass Russland für die Massaker in Butscha verantwortlich ist. Die Fakten zu Butscha sagen etwas anderes. Kein Wunder, dass sich Verhandlungen mit einem Dauerlügner schwierig gestalten. Das Thema „schmutzige Bomben“ passt da perfekt rein.

Nun wurde also offenbar der Verteidigungsminister Sergei Shoigu vorgeschickt – und macht da weiter, wo Lawrow aufgehört hatte zu lügen. In mehreren Telefongesprächen belog er offenbar seine westlichen Kolleg:innen, die Ukraine würde eine schmutzige Bombe planen. Eine “schmutzige Bombe” ist ein konventioneller Sprengsatz, der radioaktives Material möglichst weiträumig verteilt. Das war von Anfang an extrem unplausibel, denn eine solche Bombe bietet militärisch kaum Vorteile. Außerdem würde sie ja für die Ukraine selbst das Risiko einer Verseuchung mit sich bringen. Warum sollte sie das tun? Die militärische Situation läuft ja aktuell gut für die Ukraine. 

Doch die komplette Abwesenheit von Plausibilität ist nicht einmal der Tiefpunkt russischer Glaubwürdigkeit.

Schmutzige Bomben-“Beweise” sind Fotos aus dem jahr 2010

Das russische Außenministerium veröffentlichte auf Twitter angebliche “Beweisfotos” für die Behauptungen des russischen Verteidigungsministers, dass die Ukraine schmutzige Bomben baut. Doch viele Twitter User führten die Behauptungen schon durch eine simple Bilder-Rückwärtssuche ad-absurdum – denn die Bilder waren keineswegs aktuell und konnten somit kein Beweis für eine “schmutzige Bombe” sein.

Am Ende schaltete sich dann die Regierung Sloweniens ein. Sie enthüllten, dass eine ihrer Anlagen die Quelle für die Bilder waren – allerdings sind die Bilder von 2010. Die gefährlich aussehenden Päckchen mit „Radioactive“-Aufklebern sind offenbar Rauchmelder

Und nochmal zum Thema Beweislast: Es muss nicht die Ukraine beweisen, dass sie nicht vorhat, ihre eigenen Gebiete zu verseuchen, was einfach vollkommen absurd wäre. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass Russland mit völlig absurden Lügen bestimmt, was wir für absurd oder plausibel halten (laut russischer Propaganda würde die Ukraine ja regelmäßig die eigenen Leute töten). Die Kreml-Propaganda versucht regelmäßig, durch möglichst dreiste Lügen und Behauptungen unsere Standards von Plausibilität zu verschieben. Um uns langsam aber sicher beizubringen: Nichts ist wahr, alles, was Russland tut, ist erlaubt. Auch brutalste Kriegsverbrechen.

Das Gegenteil ist richtig: Russland hat die vollständige Beweislast, denn sie haben einen illegalen Angriffskrieg gestartet, für deren Begründung bereits zigfach Fakes genutzt wurden (Wir berichteten schon mehrfach dazu). 

Fotos von Rauchmeldern aus 2010 sind jedenfalls kein überzeugender Beweis.

Pentagon: Atomangst weiterhin unbegründet

Zurück in die Welt der Erwachsenen: Sobald in irgendeiner Form „nukleare Waffen“ oder eben schmutzige Bomben ins Spiel kommen, wird es ja schnell mal irrational. Die Ukraine sagt, dass die Lügen von Shoigu ein Ablenkungsmanöver für den russischen Einsatz einer solchen Waffe waren. Doch das Pentagon ist anderer Ansicht, es hat keine Hinweise auf den geplanten Einsatz einer solchen Waffe durch beide Seiten:

Überhaupt würde ein nuklearer Angriff vermutlich nicht ohne Vorwarnung erfolgen. Die USA und andere überwachen zum Beispiel konstant die Lager für Sprengköpfe der taktischen Atomwaffen in Russland. Aktuell sind alle potentiellen Bomben weiter im Lager. Auch Länder mit besseren Beziehungen zu Russland haben das russische Regime bereits vor dem Einsatz entsprechender Waffen gewarnt, zuletzt Indien.

Und was die Ukraine angeht, so verfügt diese über keine nuklearen Waffen. Im Zuge des Budapester Memorandums hatte sie diese 1993 an Russland abgegeben – gegen Zusicherungen, dass ihre territoriale Integrität gewahrt bleibt. Die bitterste Ironie schreibt das Leben selbst.

Artikelbild: Screenshots, Canva