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Wie auch Linke massenhaft unwissend Putin-Propaganda teilten – Redfish

von | Mrz 10, 2022 | Analyse

Kreml-Propaganda für Linke

Habt ihr in den letzten Wochen zufällig dieses Sharepic gesehen? „Luftangriffe in den letzten 48 Stunden“ steht da, und zählt neben der Ukraine Syrien, Jemen und Somalia auf. Die Botschaft – „Verurteile Krieg überall“. Im Vakuum betrachtet eine Aussage, der wohl kaum jemand widersprechen dürfte. Im dazugehörigen Text wird der Eurozentrismus der „Mainstreammedien“ angeprangert. Besonders Menschen, deren politische Ausrichtung links ist, die sich für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechte einsetzen, werden damit sicherlich angesprochen – und haben es auch millionenfach geteilt. Die Seite „Redfish“ teilt(e) auch sonst regelmäßig auf den ersten Blick typisch linke Inhalte. Auf ihrer Website gibt es sogar Gastbeiträge von einer Bundestagsabgeordneten der LINKE über Rechtsextremismus in deutschen Behörden (Quelle). Vielleicht habt ihr auch dieses Sharepic gesehen oder gar geteilt?

Das Problem: Die (durchaus richtige) Botschaft, dass Krieg nicht nur in Europa schlimm ist, wurde eben nicht in einem Vakuum verbreitet. Und nicht von einer Seite, die aufrichtig auf Probleme aufmerksam machen will, die für ein eher linksgerichtetes Publikum relevant sind. Das Sharepic wurde direkt am 24. Februar, dem ersten Tag der Ukraine-Invasion Putins auf der Berliner Seite „Redfish“ gepostet. Vielleicht habt ihr zwischenzeitlich festgestellt, dass ihr die Seite eben nicht mehr auf Instagram oder Youtube aufrufen könnt. Das liegt daran, dass „Redfish“ heimlich ein Propaganda-Arm des Kreml ist.

„Redfish“ – Kreml-Propaganda für Linke

Wir haben bereits berichtet, wie eng vernetzt die „Neue Rechte“ und die Rechtsextremist:innen des Westens mit dem Putin-Regime sind. Viele verbreiten Putin-Propaganda und leugnen oder relativieren die Invasion, während andere wiederum versuchen, sich im Gegensatz zu früher deutlich von Putin und Russland zu distanzieren. Das führt zu harten inneren Konflikten innerhalb der rechten Szene und zu durchaus heuchlerischen Gratwanderungen. Wir haben berichtet:

So stark spaltet Putins Krieg die rechte Szene

Auch die eng mit dem Rechtsextremismus verwobene, verschwörungideologische „Querdenken“-Bewegung und Impfgegner:innen greifen begeistert Putin-Propaganda auf, teilen dessen Staatsmedien oder inkludieren die Ukraine-Invasion in ihre Verschwörungsmärchen. Kein Wunder: Putins Propaganda hat jahrelang die Szene gefüttert und unterwandert.

Putins Handlanger: Wieso „Querdenker“ & Impfgegner jetzt Pro Putin sind

Das geht sogar so weit, dass das russische Verteidigungsministerium jetzt ernsthaft ohne Belege andeutet, dass das Coronavirus mit Hilfe der USA in einem Labor in der Ukraine gezüchtet worden sei. Kein Witz (Quelle).

Doch Kreml-Propaganda zielt nicht nur auf Menschen mit rassistischen, nationalistischen oder verschwörungsideologischen Einstellungen ab. Putin-Outlets versuchen auch linke Narrative und Probleme zu bedienen. Ein solches Medium ist „Redfish“. Redfish hatte 500.000 Instagram-Follower, 700.000 Facebook-Likes, war ebenfalls auf Twitter und YouTube (Quelle). Ja, „war“. Denn nachdem die Social Media Plattformen im Zuge der Sperrungen von Kreml-Propaganda-Medien diverse Löschungen durchgeführt haben, ist Redfish dort nicht mehr zu finden (Quelle).

Redfish: Heimlicher Arm vom Kreml

Denn: Redfish behauptet von sich, „Grassroot“-Journalismus zu betreiben. Wie mehrere Recherchen aber enttarnt haben, gehört das Unternehmen offenbar der Videoagentur Ruptly und ist Teil der bekannten Putin-Staatspropaganda RT. Mehrere Angestellte sind ehemalige RT-Mitarbeitende, die u. a. zuvor schon Kriegspropaganda in Syrien verbreitet hatten (Quelle). Redfish selbst behauptet, sie seien lediglich ein Kollektiv an Aktivist:innen, die einfach auf der Suche nach der Wahrheit seien. Nirgends findet man ihre Verbindungen zum Kreml-Staatssender.

Andere Berichte unterstellen dem Medium, Fake-Profile in Social Media erstellt zu haben, die sich als unabhängige Journalist:innen ausgeben und die Plattformen alternativer Medien nutzen, um die russische Linie in der Geopolitik zu vertreten. Wie Netzpolitik berichtet, findet man heraus, wer dahinter steckt, wenn man sich ansieht, wer an derselben Adresse in Berlin gemeldet ist und wo die Verantwortliche im Impressum noch arbeitet. Dort kommt man bei „Ruptly“ heraus, Russlands heimlicher Medienzentrale in Europa (Quelle). Netzpolitik kritisiert: „Einerseits einen auf aufklärerischen Journalismus machen und dabei komplett intransparent sein.“

Belltower News merkte bereits skeptisch an: „Im Impressum der Website ist die »Redfish GmbH« eingetragen, mit Sitz in der Gertraudenstraße im Berliner Zentrum. Eine noble Adresse, in unmittelbarer Nähe des Regierungsviertels. Das könnte bei einem dezidiert linken Medium, das kritisch mit der »herrschen Klasse«[sic] umgehen will, schon stutzig machen. Dazu kommt eine moderne Website, die komplett ohne Werbung auskommt, dafür aber professionell gefilmte Beiträge aus der ganzen Welt bietet. Wer das alles zahlt? Der russische Staat über seinen Propagandasender RT.“

Mit Whataboutismen die Ukraine-Invasion verharmlosen

Inzwischen ist Redfish auf Social Media Plattformen – wie erwähnt – nicht mehr aufzufinden, nachdem die Putin-Propaganda in der EU verboten wurde (Quelle). Doch manche fragen sich vielleicht, wieso dieses Sharepic mit einem auf dem ersten Blick nicht kontroversen Aussage Putins Agenda unter Linken fördern soll. Während man die extreme Rechte mit Verschwörungsmythen und den alten Feindbildern füttert, versucht der Kreml bei links ausgerichteten Menschen eine andere Strategie: Whataboutismen und Relativierung.

Die Botschaft, dass Krieg überall verwerflich ist, ist an sich richtig. Wer allerdings erst in dem Moment darauf hinweisen möchte, in welchem Putin eine völkerrechtswidrige Invasion durchführt, der will ablenken und relativieren. Propaganda und Desinformation funktioniert dadurch, dass sie die Vorurteile und Wertvorstellungen der Ziele aufgreift und reproduziert, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. Wer bei Putins Angriff auf die Ukraine sagt: „Und was mit Somalia?“, der suggeriert, die Invasion sei weniger relevant und beteiligt sich auch nicht mehr an der kollektiven Verurteilung von Putins Krieg. Der Hinweis mag per se richtig sein, aber wer sich für andere Probleme immer nur interessiert, um vom Behandeln eines Problems abzulenken, der setzt sich für Passivität ein, nicht für weltweite Gerechtigkeit.

Ziel ist Schwächung per Verunsicherung und Zögern

In einem älteren Beitrag haben wir bereits erklärt, dass stümperhafte Fake News und Propaganda leicht zu durchschauen sind (und trotzdem ihre Gläubigen finden), die stärkste Propaganda jedoch diejenige ist, die mehr als nur einen wahren Kern hat, aber instrumentalisiert wird, um abzulenken und Verwirrung zu stiften.

So will euch Putins Propaganda verwirren – Whataboutismen

Einer von vielen von Putins Casus Belli ist die angebliche „Entnazifizierung“. Und natürlich gibt es in der Ukraine Neonazis, gar ein ganzes Neonazi-Bataillon. Und darüber müssen wir reden und das müssen wir kritisieren. Allerdings rechtfertigt es nicht eine Invasion der Ukraine. Und ignoriert die Nazi-Regimenter und Neonazis in Putins Armee und Umfeld. Oder die neofaschistische „Z“-Bewegung in Russland. Echte Kritikpunkte werden verwendet, um Recht und Unrecht zu verschleiern, um abzulenken, um unsere geschlossene Antwort auf seinen Krieg zu schwächen.

Putins Propaganda-Mythos von „Entnazifizierung“ der Ukraine widerlegt

Auf eigene Vorurteile achten!

Während es natürlich wahr ist, dass es vornehmlich rechtsextreme Personen und Gruppen sind, die auf Putins Propaganda hereinfallen (wollen), weil sie ihre Narrative und Feindbilder bedient, sollen Menschen mit anderen politischen Einstellungen nicht denken, dass sie für diese Tricks immun seien. Das Hinterfragen der eigenen Weltanschauung ist eine Aufgabe, der sich alle aufnehmen müssen. Wie man sieht, kann Putins Propaganda auch spielend leicht eine progressive Seite imitieren und von vielen nicht bemerkt werden. Deshalb gilt nicht nur für „Querdenken“ und die AfD, sondern für alle: Fake News sind nicht zwingend die Meldungen, die euch komisch vorkommen. Sondern die, bei denen das eben nicht der Fall ist. Das, was „Querdenken“ und AfD glauben, ist nur generell weiter weg von der Realität.

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Artikelbild: Screenshot

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