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Wie uns Windräder aus der Abhängigkeit von Autokraten führen können

von | Mrz 14, 2022 | Aktuelles

Energieimporte von Autokraten – unsere Achillesferse

Die völkerrechtswidrige russische Invasion der Ukraine ist nicht nur ein brutaler militärischer Angriffskrieg. Der Konflikt findet auch in anderen Dimensionen statt. Dazu gehört der sogenannte „Informationskrieg“, wobei oft die Bezeichnung „Desinformationskrieg“ treffender wäre. Es geht dabei darum, mittels Desinformation, Fake News und Whataboutismen die Deutungshoheit über den Krieg zu erreichen. Besonders Putins Seite setzt hier verstärkt darauf, von der eigenen Kriegsschuld abzulenken. So werden dann Bombardements auf Zivilist:innen mit teils widersprüchlichen Behauptungen geleugnet:

Lawrow gibt Bomben auf Geburtsklinik in Mariupol zu, lügt über tote Zivilisten

Oder Verschwörungsmythen ohne Belege gestreut:

Russland & China streuen Mythos über US-Biolabore in der Ukraine ohne Belege

Ein ähnliches, beliebtes Narrativ bezieht sich auf die Parallelen zu Saudi-Arabien. Dabei wird „dem Westen“ vorgeworfen, Heuchelei zu betreiben, wenn man Russland isoliere und gleichzeitig die Handelsbeziehungen zu Saudi-Arabien aufrecht erhält und stärkt (Quelle). Die Vorwürfe diesbezüglich sind durchaus berechtigt. Und trotzdem müssen wir beachten, dass wir hier nicht dem Narrativ einer russischen Desinformationskampagne auf den Leim gehen. Wir ordnen für euch ein.

Russland und Saudi-Arabien: Die Parallelen

Auch wenn die Kritik in Twitter & Co. oftmals verkürzt ist, der wichtigste Punkt wird zumeist richtig benannt. Die Parallelen zwischen Saudi-Arabien und Russland sind nämlich tatsächlich kaum zu übersehen. Beide Länder werden autokratisch geführt, Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie, Russland nur pro forma Republik (in der Realität aber längst eine Oligarchie in der alle Fäden der Macht letztlich beim Autokraten Wladimir Putin zusammenlaufen, Quelle). Außerdem sind beide Länder fundamental wichtig für die Energieversorgung Europas (Quelle).

Aus Russland kommen laut EU-Kommissionsbericht 2021 mehr als 40% des Gases, 27% der Ölimporte und 46% der Kohleimporte der EU (Quelle). 2019 kamen über 25% der EU-Erdölimporte aus Russland, rund 7,5% aus Saudi-Arabien (Quelle). Gerade Deutschland macht dabei einen großen Anteil aus. Laut CIA-Factbook ist Deutschland der größte Erdgas-Importeur weltweit. Beim Erdöl liegen wir auf Platz 6, Saudi-Arabien und Russland sind die weltweit größten Exporteure (Stand: 2017).

Und die Parallelen gehen noch weiter:

Sowohl Saudi-Arabien als auch Russland führen aktuell Kriege in ihren Nachbarländern. Die seit 2015 andauernden Luftangriffe der Armee Saudi-Arabiens im Jemen haben die humanitäre Situation dort verschärft (z.B. durch die Zerstörung des Flughafens in Sanaa, womit die Einfuhr von Hilfsgütern erschwert wurde Quelle, Quelle), ähnlich katastrophale Konsequenzen drohen momentan der Ukraine nach der völkerrechtswidrigen russischen Invasion (z.B. die drohende humanitäre Katastrophe in Mariupol Quelle, Quelle). Mit Kritiker:innen wird in beiden Ländern ähnlich brutal umgegangen.

Der russische Kreml-Kritiker Alexei Nawalny überlebte im Sommer 2020 nur knapp einen Giftanschlag. Jamal Khashoggi, ein saudi-arabischer Journalist der sich kritisch über das System der absoluten Monarchie geäußert hatte, wurde im Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet. Laut Statista saßen 2021 in beiden Ländern jeweils 14 Journalist:innen im Gefängnis (Quelle), in der Rangliste der Pressefreiheit liegt Saudi-Arabien auf Rang 170, Russland auf Rang 150 (von 180, mehr dazu hier).Während in Russland immerhin die Todesstrafe ausgesetzt ist

Die Lösung: Energiewende zur Unabhängigkeit von Regimen!

Natürlich wird gerade von russischen Propagandasendern und deren Ablegern in Social Media gerade massiv versucht, diese „Heuchelei“ in Bezug auf Saudi-Arabien wie ein mediales Störfeuer einzusetzen. So berechtigt die Kritik also an vielen Stellen auch sein mag, müssen wir darauf achten, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Denn der Kern des Problems ist nicht die Frage, ob die undemokratischen Verhältnisse in Russland „schlimmer“ sind als in Saudi-Arabien. Die tatsächlich relevante Problematik ist eher, dass wir nach wie vor von Energieimporten aus Staaten wie Russland, Saudi-Arabien u.ä. abhängig sind.

Daraus folgt: Mit der für die Bewältigung der Klimakrise ohnehin notwendigen Energiewende schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und der schnelle Ausstieg aus allen anderen fossilen Brennstoffen – das ist nicht nur unsere letzte Chance, um die Auswirkungen der Klimakatastrophe im halbwegs erträglichen Rahmen zu halten. Es wird viel mehr auch unseren außenpolitischen Handlungsspielraum erweitern und uns endlich in die Position bringen, undemokratische Regimes zu bekämpfen, ohne immer nervös auf die Öl- und Gaspreise zu schielen. Wie die „Wärmewende“ aussehen kann, warum Stromversorgung nicht unser größtes Problem ist und warum Atomkraft praktisch gesehen weniger sinnvoll ist, haben wir hier ausführlich beschrieben:

Putins Gas abdrehen? Wir brauchen die Wärmewende

Fazit: Erneuerbare Energien statt Importe von Autokratien!

Fazit: Ja, Saudi-Arabien und Russland nehmen sich nicht viel, was Demokratiefeindlichkeit angeht. Beide autokratischen Regime treten die Menschenrechte mit Füßen – und zu beiden stehen wir in einer erschreckenden energiepolitischen Abhängigkeit. Deswegen müssen wir bedenken: Ja, kurzfristig gesehen ist es falsch, eine Debatte darüber zu führen, welche Abhängigkeit nun schlimmer ist. Denn momentan müssen wir der Ukraine helfen, so gut wir können. Doch langfristig muss unsere Energie- und Außenpolitik darauf ausgerichtet werden, unabhängig von fossilen Energieträgern aus jeglichen autokratischen Regimen zu werden.

Wir sollten also unsere Zeit nicht mit Heuchelei-Debatten verschwenden, sondern viel mehr so schnell es geht auf erneuerbare Energien umstellen. So erreichen wir nicht nur unsere Klimaziele, sondern machen uns auch unabhängig von Energielieferungen antidemokratischer Regierungen.

Warum Atomenergie eine wichtige Brückentechnologie sein könnte, sich für Deutschland aber trotzdem neuen Atomkraftwerke mehr rentieren, lest ihr hier:

Die Fakten zur Atomkraft, die weder Gegner noch Befürworter wahrhaben wollen

Artikelbild: Photographer RM

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