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Faktencheck: Hetzjagd und Nazi-Mob in Chemnitz? – Beweisvideos

von | Sep 6, 2018 | Aktuelles, Analyse

Faktencheck.

Seit zwei Wochen sind die Ereignisse in Chemnitz in aller Munde. Doch leider dreht sich Diskussion vor allem darum, was und ob etwas passiert sei. Unbestritten ist die Verbrüderung der AfD mit der rechtsextremen Szene. Auch versuchen die Rechtsextremen mit vielen Lügen und Verschwörungstheorien zum Totschlag und Demos (Liste), zum #wirsindmehr Konzert (Hier) und zur Kriminalität in Chemnitz (Hier) die Deutungshoheit der Ereignisse zu erlangen.

In diesen Fällen ist es eindeutig: Die AfD und ihr Umfeld lügen. Doch weniger eindeutig scheint es bei den Vorwürfen zu sein, ob es eine „Hetzjagd“ und einen „Mob“ in Chemnitz gab. Ministerpräsident Kretschmer, der in Anbetracht von Angriffen auf Journalisten bereits zuvor lieber die Berichterstatter kritisierte, sagte gestern, es hätte „keinen Mob, keine Hetzjagd“ gegeben. Kanzlerin Merkel hatte vor ein paar Tagen etwas anderes gesagt. Dann schauen wir uns einmal die Sachlage an.



Natürlich gab es einen Nazi-Mob

Unter einem Mob verstehe ich eine wütende, pöbelnde Menschenmenge. Manchmal auch eine gewalttätige, die Passanten, Polizisten oder Journalisten angreift. Alles das ist passiert und ist auch ausführlich dokumentiert. Schauen wir uns die wütende, pöbelnde Menschenmenge an, die bei Pegida-Demonstrationen inzwischen zum Normalzustand gehören. Man denke an den berühmten Hutbürger. Angriffe auf Journalisten sind in Chemnitz oft dokumentiert.

Viele weitere Vorfälle hat Patrick Gensing hier dokumentiert.

„Hetzjagden“?

Der erste Erwähnung von „Jagd“ machte Johannes Grunert in der ZEIT, als er „Rechte jagen Menschen“ titelte. Regierungssprecher Seibert verurteilte die rechte Gewalt in Chemnitz. Er sagte wörtlich: 

„Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen Platz, und das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf das Schärfste verurteilen.“

Die Bundesregierung selbst nutzte also bereits selbst früh die Formulierung „Hetzjagd“ und vielleicht sogar als erstes. Es ist davon auszugehen, dass Journalisten sich an die Formulierung des Regierung und der Kanzlerin gehalten haben. Das Menschen anderen Aussehens, neben Journalisten und anderen, angegriffen wurden, ist gut dokumentiert, man siehe das bekannte „Hase“-Video:

Die Polizei berichtet, dass Nichtdeutsche, von Vermummten niedergeschlagen worden sind. Straßenschlachtartige Szenen haben sich in Chemnitz abgespielt:

Sind das „Hetzjagden“?

Hetzjagd bedeutet im übertragenen Sinne üblicherweise entweder eine Diffamierung oder Cybermobbing von Privatpersonen in der Öffentlichkeit, oder „das Verfolgen, Jagen eines Menschen“ laut Duden. Es gab Angriffe und Ausschreitungen auf Journalisten und nichtweiße Menschen, siehe das „Hase“-Video. Qualifiziert das als Hetzjagd? Es wurden Menschen Menschen angegriffen, auch kurz gejagt. War es eine organisierte und über weite Strecken organisierte Jagd? Eigentlich nicht.

Die Videos sprechen für sich, hier wurden wahllos Menschen angegriffen, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder journalistisch tätig waren. Rein semantisch könnte man vielleicht sagen: Es gab keine Hetzjagd. Aber es gab definitiv einen gewalttätigen Mob, verbale und physische Angriffe auf Menschen, Hitlergrüße und andere Straftaten. Dann waren es eben gewalttätige demokratiefeindliche und fremdenfeindliche Ausschreitungen eines rechtsextremen Mobs. So besser?

„Pogrom“? Ja!

Ein Pogrom, oder eine „pogromartige Stimmung“, wie es üblicherweise berichtet wird, bedeutet laut Duden. „Ausschreitungen gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten.“ Liegt das hier vor? Unbedingt. Alles andere wäre eine Verharmlosung des immer stärker werdenden Rechtsextremismus. Sicherlich gibt es unsaubere Formulierungen, oder Fehler in der Berichterstattung, das leugnet ja niemand.

Typische „Lügenpresse“-Vorwürfe dienen lediglich dazu, dass sich Rechtsextreme selbst einreden können, glauben zu können, was sie wollen. Was ziemlich viele Lügen und Übertreibungen sind. Man beschwert sich darüber, als „rechtsextrem“ oder „Nazi“ pauschalisiert zu werden, behauptet aber, dass DIE PRESSE lügt und DIE FLÜCHTLINGE kriminell seien? Differenzierung ist keine Einbahnstraße.

Wahnsinn! So krass lügt die AfD über angebliche Messerattacken

Artikelbild: Screenshot https://twitter.com/jan_wiebe