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Plagiatsjäger zufrieden: Master-Abschluss von Baerbock ist völlig legitim – Faktencheck

von | Mai 14, 2021 | Analyse

Plagiatsjäger: „Auf jeden Fall hat sich Frau Baerbock nichts zu Schulden kommen lassen.“

Die Grünen und insbesondere ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sind seit Wochen einem Bombardement aus Fake News und inszenierten Skandalen ausgesetzt. Mit gefälschten Nacktbildern, erfundenen Zitaten und vielen weiteren Methoden wird versucht, dem Ruf der Spitzenkandidaten der Grünen und damit der ganzen Partei mit gezielter Propaganda zu schaden:

Bist du auf eine dieser Lügen & Verschwörungsmythen über Annalena Baerbock hereingefallen?

Dabei scheint auch das russische Regime ein Interesse daran zu haben, Frau Baerbock als zukünftige Kanzlerin verhindern zu wollen und unterstützt die Verbreitung von Fake News (Quelle, Quelle).

Fangen wir mit den Fakten an: Annalena Baerbock hat ganz legitim einen Masterabschluss an der Londoner School of Economics erworben. Für diesen Studiengang konnte man sich im betreffenden Jahr 2004 auch mit einem Diplom einschreiben, auch ohne Bachelorabschluss, was Baerbock gemacht hatte. Alles korrekt und legitim. Auch ein Blog, das sich mit dem Aufspüren von Plagiaten beschäftigt, kommt zum Schluss: „Frau Baerbock [hat sich] nichts zu Schulden kommen lassen.“ Woher kommt also die rechte Fake-Kampagne?

Die neueste Inszenierung: der universitäre Abschluss von Frau Baerbock

Hier zum Beispiel verbreitet durch die FPÖ-nahe Zeitung Wochenblick.at, die auch für ihre unseriöse Anti-Impf-Panikmache bekannt ist:

Achtung: Der hier erwähnte Plagiatsjägere stellt später auch fest, dass mit dem Master-Abschluss alles stimmt!

Die Story wird dann auch vom österreichischen Journalisten Thomas Mayer aufgegriffen, sein Tweet wurde auch von SPD Politiker:innen in Deutschland weiter verbreitet (Quelle):

Auf Telegram wird das Thema besonders in Verschwörungs-affinen Gruppen groß aufgebauscht:

Die zahlreichen politischen Gegner:innen von Frau Baerbock wittern einen Skandal, wo keiner ist. Aber woher stammt die Geschichte?

Die Vorwürfe: SZ Artikel aus dem Jahr 2019

Um den Fake zu verstehen, muss man sich einen Artikel der SZ aus dem Jahr 2019 über Annalena Baerbock anschauen. Es geht um diesen hier (Quelle):

Screenshot Süddeutsche Zeitung (Quelle)

Hier wurde Frau Baerbock kurz per Steckbrief vorgestellt:

Der Text endet mit dieser Abschlussanmerkung, die nun als Grundlage für viele der Fakes dienen, die derzeit über Baerbocks Abschluss im Umlauf sind:

„Ha, erwischt“, denken sich jetzt reihenweise die Feinde von Frau Baerbock, wenn sie auf diese Detailinformation stoßen. Denn aus dieser Info erfolgt der Fehlschluss „Wenn sie keinen Bachelorabschluss hat, wie kann sie dann einen Master haben?“. Das ist jedoch kein Beweis, nur eine vermeintliche Merkwürdigkeit. Hier sieht man, wie das bewusste Verzichten darauf, die einfache Lösung zu erwähnen, nur den Anschein eines Skandals erwecken möchte, eine beliebte Fake-News-Taktik. Dabei ist die Wahrheit völlig unspektakulär:

Masterzugang an Londoner School of Economics war im Jahr 2004 mit Vordiplom möglich

Da die Falschmeldungen rund um Baerbocks Universitätsabschluss zunahmen, äußerte sich auf Twitter der Wahlkampfsprecher der Grünen auf Twitter und legte die entsprechenden Dokumente von Frau Baerbock vor:

Mit Vordiplom zum Master

Baerbock studierte von 2000 bis 2004 Politikwissenschaft mit Nebenfach Öffentliches Recht/Europarecht an der Universität Hamburg und erlangte das Vordiplom mit der Note 1,3.

Nun behaupten einige, dass ein Diplom nicht ausreichen würde, um an der London School of Economics einen Master zu machen. Aber genau das war damals der Fall. Hier die Kriterien zur Zulassung an der LSE aus dem Jahr 2004 (Quelle):

Für damalige deutsche Bewerber:innen ließ sich folgende Erklärung finden:

Der eingangs erwähnte „Plagiatsjäger“ erklärt: „Damit scheint der Weg vom Vordiplom zum LL.M.-Studium geklärt.“

Hier steht ausdrücklich, dass Bewerber:innen aus Deutschland mit Vordiplom berücksichtigt werden. Die Webseite „plagiatsgutachten.com“, die die Fragen zu Baerbocks Werdegang angestoßen hatte, schreibt dazu: „Damit scheint der Weg vom Vordiplom zum LL.M.-Studium geklärt.“

https://twitter.com/antiplag/status/1392119886583934977

Fachliche Eignung

Und nun auch kurz zur fachlichen Eignung für den Master in Völkerrecht, da manche der Fake-News-Streuer einfach so meinen, das Politikstudium (mit Nebenfach Recht/Europarecht) würde nicht reichen, um Völkerrecht zu studieren. Hierzu äußerte sich Professor Gerhard Dannemann in der FAZ (Quelle):

„Er sagt, die Londoner Hochschule LSE könne selbst bestimmen, welche Voraussetzungen sie an ein LLM-Studium knüpft. Der Standardfall sei ein LLB, also Bachelor of the Laws, auch ein Staatsexamen würde vermutlich genügen. »Außerdem könnte die LSE in Einzelfällen auch Studierende ohne einen ersten Abschluss zulassen«, erklärt Dannemann.“

Es gibt also Ausnahmefälle, ohne ein juristisches Kernstudium Völkerrecht im Master an der LSE zu studieren, zu denen Frau Baerbock damals gehörte. Mit dem Ergebnis, dass sie an der London School of Economics and Political Science studierte und dort mit einem Master in „Public International Law“ (LL.M.) mit der höchsten Notenstufe Distinction, abschloss:

„Plagiatsjäger“ zufrieden: „Frau Baerbock nichts zu Schulden kommen lassen.“

Der von Wochenblick.at angeführte Plagiatsjäger zeigt sich zufrieden über die Erläuterungen und macht in seinen Artikel über Frau Baerbock ein entsprechendes Update (Quelle):

„Das Rätsel ist gelöst. Tatsächlich war es im Jahr 2004 möglich, mit einem Vordiplom aus Deutschland das Studium zum LL.M. in England zu absolvieren, und eben offenbar sogar aus einer fachfremden Richtung (Politikwissenschaft statt Jus). Sehr erstaunlich, aus vielen anderen Ländern war dies nicht möglich, wie diese Liste beweist. Auf jeden Fall hat sich Frau Baerbock nichts zu Schulden kommen lassen.“

Er kritisiert lediglich noch, dass Baerbock und die Grünen früher und sauberer den Hinweis auf das Diplom hätten ergänzen können, um derartige Verwirrungen auszuschließen.

Von den Vorwürfen bleibt nichts mehr übrig

Frau Baerbock wird zurecht als Völkerrechtlerin bezeichnet, ist aber keine Volljuristin. Einen Bachelorabschluss hat Annalena Baerbock nicht, aber ein Vordiplom und einen Masterabschluss, welche sie beide völlig legitim erreicht hat. Dennoch tobt in den Fake-affinen rechten und extrem rechten Kreisen die Fake-Kampagne, die lediglich aus einem Verdacht aufgebaut ist, an dem nichts dran war. Von den Fakten lässt sich dort aber kaum jemand beeindrucken.

Es ist ein erneuter Versuch, aus einem kleinen Detail einen Skandal für die Grünen aufzubauschen, wie es derzeit fast täglich geschieht. Die Wahrheit spielt keine Rolle, die Feinde der Grünen versuchen nur den Eindruck zu erzeugen, dass es fast täglich irgendwelche Skandale um die Grünen oder Baerbock gäbe. Für viele, die die Grünen nicht mögen, reicht das bereits. Dabei sind derartige Fake-Kampagnen ultimativ eine Gefahr für die Demokratie: Wenn seriöse und faktenbezogene Kritik keine Rolle mehr spielt, fördert das Radikalisierung und zerstört das Fundament des Diskurses. Auch die Feinde der Grünen sollten ein Interesse daran haben, bei der Wahrheit zu bleiben. Mehr dazu:

Grüne wollen „Deutschland“ BEIBEHALTEN: Absurde Fake-Kampagne der Union

Zum Thema: Mit ähnlichen Methoden versuchte man Prof. Drosten zu diskreditieren:

Sorry, Aluhüte: Wo die Doktorarbeit von Drosten ist? Hier: Wir haben sie ausgeliehen

Artikelbild: Foto-berlin.net

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