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Für Querdenker wird es eng: Die lange Liste der Urteile & Ermittlungen

von | Jul 4, 2022 | Aktuelles

Es wird eng – So viele Querdenker holt das Gesetz ein

Seit über zwei Jahren klammern sich Corona-Leugner:innen an einer (für sie) verheißungsvollen Illusion fest: Prof. Drosten und die Regierung vor Gericht und schließlich hinter Gitter zu bringen. Immer wieder riefen sie in typischer Querdenken-Manier die sogenannten „Nürnberger Prozesse 2.0“ aus. Dezidiert geschichtsrevisionistisch und holocaustrelativierend fantasierten sie davon aus, im Rahmen dieser „Prozesse“ endlich Recht zu bekommen (Quelle). Auch den Volksverpetzer möchten übrigens die meisten lieber heute als morgen vor Gericht sehen (außer anscheinend der einzige Querdenker-Anwalt, der wirklich einen Prozess gegen uns angestrebt hat). Oder am besten gleich „die Kehle durchschneiden“.

Doch der große ‚Befreiungsschlag‘ blieb bisher aus. Ganz im Gegenteil: Langsam aber sicher werden immer mehr Querdenker:innen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Erst vor wenigen Tagen machte die Meldung groß die Runde, dass „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche vorläufig festgenommen wurde (mehr dazu). Doch Betrug ist nicht die einzige Art, wie das Gesetz Querdenker unter die Lupe nimmt: Volksverhetzung, Verleumdung, Gewalt, Rechtsbeugung und vieles mehr. Wir haben uns der vielen Gerichtsverfahren gegen Corona-Leugner:innen mal angenommen und sie für euch zusammengefasst.

Beleidigung, üble Nachrede, (körperliche) Gewalt und Rechtsbeugung

Natürlich wird auch weiter gegen den Antisemiten Attila Hildmann wegen einer Vielzahl von Delikten ermittelt – wegen Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen und Beleidigung, dieser ist Ende 2020 in die Türkei geflohen und wird per Haftbefehl gesucht (Quelle).

Finanzwissenschaftler Stefan Homburg machte in der Vergangenheit auf sich aufmerksam, als er die Bundesregierung mit einem „chinesischen Politikmodell“ verglich, mehrmals Bezüge der Pandemie zu 1933 zog und Mund-Nasen-Schutz als „Sklaven-Masken“ bezeichnete (Quelle). Bereits im August 2021 wurde offenbar ein Strafbefehl gegen ihn verhängt, weil er einen Masken-Befürworter beleidigt hatte (Quelle). 30 Tagessätze für den Professor, dem dann im Februar 2022 mindestens noch ein Gerichtsurteil ins Haus flatterte: Seine Falschbehauptungen über den Twitter-Account ‚Narkosedoc‘ musste er löschen und sie auch in Zukunft unterlassen (mehr dazu). Eine gerichtliche Niederlage, der er vehement verschweigt, und damit wohl mit Lügen über Volksverpetzer ablenken will – wofür er sich wohl noch mehr juristische Niederlagen holen wird (mehr dazu).

In Augsburg kam es Mitte Dezember 2021 zum Verfahren gegen eine 50-Jährige, die behauptet hatte, am Augsburger Universitätsklinikum wären 70 Personen an Impfnebenwirkungen gestorben. Wegen übler Nachrede wurde sie zu einer Geldstrafe in Höhe von 2400 Euro verurteilt. Damals hieß es, das Urteil sei nicht sofort rechtskräftig, da die Angeklagte Einspruch erheben könnte (Quelle). Ein 65-jähriger Querdenker wurde in Bad Kreuznach für die Beleidigung und den Angriff auf Polizisten zu einer hohen Geldstrafe verurteilt (Quelle). Geldstrafen gab es auch für einen anderen „Querdenker“ wegen Beleidigungen gegen eine Arztpraxis in Winterberg (Quelle), ebenfalls wurde ein Mann aus Jena verurteilt, der einen Gestapo-Vergleich machte (Quelle).

Viele weiter Urteile wegen Hetze und Lügen

Auch Dramaturg und Journalist Anselm Lenz machte sich der üblen Nachrede schuldig, als er eine Zeitschrift herausgab, in der Jens Spahn als „kokainsüchtiger Bundesgesundheitsminister“ bezeichnet wurde. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte ihn daraufhin zu 120 Tagessätzen zu je 40 Euro. Lenz könnte jedoch noch in Berufung gehen. Er muss sich außerdem wegen Straftaten bei Corona-Demos verantworten – unter anderem wird ihm Körperverletzung vorgeworfen (Quelle). Eine Frau, die bei einer Querdenken-Demo im Kempten festgenommen wurde, wurde Beleidigung und des Gebrauches unrichtiger Gesundheitszeugnisse verurteilt (Quelle).

Ähnlich erging es einem Sachsen, der Christian Drosten 2020 mit Adolf Hitler und dem NS-Arzt Josef Mengele verglich. Auch er wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1350 Euro verurteilt. Der Sachse ging in Berufung, doch das Landgericht verwarf diese (Quelle). Ein führender Kopf der Querdenken.Szene aus Grafing wurde wegen Volksverhetzung in fünf Fällen schuldig gesprochen (Quelle). Eine Querdenkerin hatte einen Pressefotografen mit einem Megafon verletzt und musste dafür Strafe zahlen, nachdem sie zunächst nicht zum Prozesstermin erschien (Quelle).

In Weimar ereignet sich dieses Jahr ein ganz besonderer Fall: Ein Familienrichter muss sich selbst vor Gericht verantworten. Zuvor hatte er entschieden, dass die Corona-Maßnahmen für Schüler:innen nicht gelten. Das liege laut dem Bildungsministerium Thüringen jedoch außerhalb seiner Befugnis. Zudem gibt es Indizien, die dafür sprechen, dass der Richter gezielt ausgewählt wurde, um den Prozess zu entscheiden. Nun wird er wegen Rechtsbeugung angeklagt und kann unter Umständen mit einer Bewährungsstrafe rechnen (mehr dazu).

Verstöße gegen Paragraph 278 StGB – Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Die Augsburger Staatsanwaltschaft hatte dem Mediziner Rolf Kron Anfang Juni 2021 wegen falschen Maskenattesten ein vorläufiges Berufsverbot ausgesprochen – dieses hatte sich jedoch aufgrund einer Entscheidung des Landgerichts schon vor Ende Juni wieder erledigt. Dennoch wird weiterhin wegen des Verstoßes gegen Paragraph 278 StGB ermittelt (Quelle). Auch weil Kron auf einer Kundgebung den Hitlergruß zeigte, wurde er in der Vergangenheit angeklagt (Quelle). Keines der beiden Urteile liegt bisher vor.

Im Landkreis Lörrach wurde jüngst der Hausarzt Mathias Poland vom Amtsgericht Schönau zu 150 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt – insgesamt also zu einer Strafe in Höhe von 10.500 Euro (Quelle).

Der Hamburger Arzt Walter Weber war für sein lockeres Rezeptbuch und seine rechten Gesinnungen bereits lange vor der Pandemie bekannt: Im Jahr 2000 attestierte er einer Patientin, die wegen der Beleidigung einer schwarzen Person vor Gericht stand, kurzerhand eine Angsterkrankung (Quelle). Im Rahmen der Pandemie hat er es wieder getan – gleich in 47 Fällen wird Weber wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse angeklagt (Quelle). Das Urteil bleibt abzuwarten.

Haft auf Bewährung

Am Amtsgericht Hannover wurde Busfahrer Thomas Brauner letzten Dezember zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Während einer Corona-Demo im Februar 2021 hatte er ein falsches Attest mitgeführt, das ihn vermeintlich von der Maskenpflicht befreite (Quelle). Zu seinem Prozess zog es einige Sympathisanten – denn in Querdenker-Kreisen ist Brauner eine kleine Berühmtheit. September 2020 tauchte ein Video auf, in dem er Kindern in einem Schulbus befahl, ihre Masken abzunehmen (Quelle). Auf seinem Telegram-Kanal gab er zudem dem Holocaustleugner Nikolai Nerling und dem Antisemiten Attila Hildmann eine Bühne (Quelle). Gegen das Urteil legte Brauner Berufung ein.

Ausgestellt hatte ihm sein Attest Ärztin Carola Javid-Kistel, die in Duderstadt eine Naturheilpraxis betreibt. Und er war nicht der einzige: Javid-Kistel wurde bereits wegen 16 Maskenbefreiungsattesten angeklagt. Sie selbst betont, dass sie noch „viel viel mehr“ ausgestellt habe (Quelle). Seit Februar 2022 wird gegen die Ärztin zudem wegen Volksverhetzung ermittelt. Denn auf einer Querdenker-Kundgebung habe sie von den Schutzmaßnahmen als „Jahrhundertverbrechen“ gesprochen und behauptet, sie seien „schlimmer als der Holocaust“ (Quelle).

Falsche Maskenatteste, Volksverhetzung uvm

Auch „Schwindel-Arzt“ Bodo Schiffmann traf es gleich doppelt: Er wurde wegen des Verdachts auf das Ausstellen falscher Maskenatteste sowie Volksverhetzung verklagt. Ähnlich wie Naturheilpraktikerin Javid-Kistel verharmloste er den Holocaust, indem er der Bundesregierung einen „zweiten Genozid“ anlastete (Quelle). Das Urteil ist noch nicht gefällt.

Beim Passauer Gynäkologen Ronald Weikl fiel es folgendermaßen aus: Gefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung, dreijähriges, teilweises Berufsverbot und eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro an gemeinnütze Einrichtungen. Ebenso wie die beiden vorangegangenen Ärzt:innen hatte er falsche Maskenatteste ausgestellt. Gemeinsam mit seinen Anwälten möchte er gegen das Urteil in Berufung gehen (Quelle).

Ganz aktuell wird auch gegen einen Querdenker wegen Verleumdung ermittelt, der offenbar einem nichts ahnenden Prof. Drosten im Urlaub auflauerte und ihn wüst beschimpfte (mehr dazu).

Und wer hätte es gedacht: Noch mehr Volksverhetzung!

Gemeinsam mit dem Mikrobiologie-Professor Sucharit Bhakdi hatte Weikl während der Pandemie Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie gegründet. Der Verein hat sich seither einen Namen unter Querdenker:innen gemacht – denn er verbreitet fleißig Fehlinformationen zu Pandemie und Impfungen (Quelle). Gegen Bhakdi wird auch ermittelt. Wie so viele andere Corona-Leugner:innen wurde er wegen antisemitischer Volksverhetzung angeklagt. Nachdem er von einem „zweiten Holocaust“ gesprochen hatte und „den Juden“ vorgeworfen hatte, „das Böse jetzt gelernt“ zu haben. Zudem ist in Rheinland-Pfalz ein Verfahren in Gange, das Bhakdi das Führen seines Professorentitels wegen Unwürdigkeit untersagen möchte (Quelle).

Auch Rechtsanwalt Reiner Fuellmich machte sich laut dem Amtsgericht Göttingen der Volksverhetzung schuldig, indem er in einem Video die Schuld Hitlers am Holocaust leugnete. Daraufhin wurde der bekannte Querdenker zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 200 Euro verurteilt. Der Strafbefehl über 18.000 Euro ist jedoch vorerst noch nicht rechtskräftig (Quelle). Auf der anderen Seite verlor Fuellmich den Prozess, den er gegen Prof. Drosten führen wollte – weil ihm die Gerechtigkeit es wohl nicht wert war, eine Maske im Gerichtssaal zu tragen. Manche könnten hingegen behaupten, dass Fuellmich genau weiß, dass er in der Sache verlieren würde und deshalb den Prozess absichtlich platzen ließ, um ihn die Länge zu ziehen (mehr dazu).

Matthäus Westfal ereilte kürzlich ein ähnliches Schicksal. Nachdem er einen antisemitischen Film aus der Nazi-Zeit auf seinem Telegram-Kanal Aktivist Mann teilte, wurde er vom Amtsgericht Rahden wegen Volksverhetzung zu 70 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Er kündigte an, erneut in Berufung gehen zu wollen. Denn einmal hatte er das Urteil bereits angefochten. Das Ergebnis: Statt 50 Tagessätzen hatte es sich auf 70 erhöht (Quelle). Zu Letzt dürfen wir auch natürlich nicht den Prozess gegen den Tankstellenmörder von Idar-Oberstein vergessen, gegen den der Prozess noch andauert (Quelle). Zur Erinnerung: Das Motiv war ein „Zeichen gegen die Corona-Politik“, weil der Tankstellenmitarbeiter darum gebeten hatte, eine Maske zu tragen (Quelle).

Statt Drosten oder der Bundesregierung stehen Querdenker selbst vor Gericht

Eine lange Liste, viele Verfahren und Ermittlungen und auch bereits Urteile, einige davon noch nicht rechtskräftig. Vor allem die Flut an Urteilen zeigt vor allem eines: Dass Querdenker:innen wohl doch Recht wenig mit „Wahrheit“ und „Gesetz“ zu tun haben. Dass sie die Wahrheit gerne zu ihren Gunsten beugen, häufig auch brechen. Dass sie aufhören können, auf „Nürnberger Prozesse 2.0“ zu hoffen. Und für alle aufmerksamen Beobachter:innen wird zudem deutlich: Jene „Nürnberger Prozesse 2.0“ passen mit ihrem geschichtsrevisionistischen und holocaustleugnenden Charakter prima in die Querdenken-Ideologie. Korrigiere: In die auch kriminelle Querdenker-Ideologie.

Artikelbild: shutterstock.com Timeckert 

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