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Urteile der Woche (KW 43): Haftbefehl gegen frisch gewählten AfD-Politiker

von | Okt 29, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Prozesse, z.B. gegen AfD-Politiker. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fiel immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verflossen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen. Vorletzte Woche berichteten wir darüber wie Attila Hildmann nun doch noch seine Strafe wegen Beleidigung zahlt – ohne, dass er es wollte:

Der III. Weg wollte „die Grünen hängen“ und wurde nun verurteilt

Im September 2021 berichteten wir bereits darüber wie die rechtsextreme Kleinstpartei ‚Der III. Weg‘ zur Bundestagswahl mit widerlichen Plakaten Schlagzeilen machte. Sie warben mit „Hängt die Grünen“ und suggerierten damit, dass die Mitglieder der Partei Bündnis ’90/Die Grünen erhängt werden sollen. Die Polizei Sachsen, bei der im Laufe des Tages mehrere Beschwerden eingingen, handelte nicht: es sei keine Straftat zu erkennen. Besonders pikant war jedoch, dass ein Plakat unmittelbar vor dem Wahlkreisbüro der Grünen in Zwickau hing. In ihrer Version wollten sie nur damit aussagen, dass „grüne Plakate“ aufgegangen werden sollen. Ergibt im Kontext nicht wirklich Sinn, denn auf Wahlplakaten stehen für gewöhnlich ja eher Werbeslogans und politische Inhalte. Wir kamen bereits vor zwei Jahren zu dem Schluss, dass dies lediglich eine Schutzbehauptung gewesen sein dürfte:

DER „III. WEG“ UND DER POLICY CYCLE

Der Versuch, solche Sprüche auf Wahlplakaten nun gesellschaftsfähig zu machen, zeigt in Wahrheit nur die vollständige Entgrenzung dieser rechtsextremen Partei. Aktionen wie diese werden bewusst kalkuliert, sodass solche Provokationen eine hohe mediale Aufmerksamkeit erreichen. Denn die Aussagen bleiben im Jahr 2021 und mit all der digitalen Vernetzung nicht lange unbeachtet und demokratische Menschen werden sich dagegen auflehnen.

Das wissen rechtsextreme Parteien wie der „III. Weg“, denn sie kennen die „Triggerpunkte“, die es zu treffen gilt. So müssen sie nur wenig eigene Mittel rekrutieren, um ein maximales Ergebnis zu erzielen, betriebswirtschaftlich betrachtet clever. Laut Verfassungsschutzbericht 2017 lehnt die „rechtsextremistische Kleinstpartei“ das Wertesystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. Auffällig waren auch die personellen Überschneidungen in der ganzen Angelegenheit:

Die Strafverfahren wurden entsprechend eingeleitet. Ermittelt wurde wegen ‚Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zum Totschlag‘ – unter anderem auch gegen den mittlerweile ehemaligen Bundesvorsitzenden Klaus Armstroff. Armstroff war zuvor auch schon Mitglied der NPD. ENDSTATION RECHTS.Bayern berichtete nun vom Ausgang des Revisionsverfahrens, da Armstroff sein Urteil aus dem März 2023 nicht anerkennen wollte. Ergebnis: Revision verworfen, das Urteil ist nun rechtskräftig. Die Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu je 60€ bleibt bestehen. Armstroff gilt damit nun als vorbestraft.

Bodo Schiffmann 2024 vor Gericht

Der Querdenker und Fake News-Verbreiter Bodo Schiffmann, der mittlerweile in Tansania lebt, wird sich 2024 wohl endlich vor Gericht verantworten müssen. Rechtsextreme störten ihn bei seinen Veranstaltungen auch nicht, im Gegenteil. Sie waren sogar Willkommen:

Nachdem im Oktober 2020 bereits Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts von falschen Attesten und Maskenbefreiungsbescheinigungen stattfanden, Der Tatvorwurf: er habe diese Patient:innen zu keinem Zeitpunkt untersucht. Im Gegensatz zu Michael Ballweg, den die Polizei wegen anderer Delikte aufsuchte, landete Schiffmann aber nicht in Untersuchungshaft. Dann gab es da noch 700.000€ Spendengelder, die monatelang festhingen, da Schiffmann die Gelder nicht zeitnah an die Opfer der Ahrtal-Flutkatastrophe weiterleitete. Auch dort gab es bereits Ermittlungen. Mitglieder der Querdenken-Bewegung werden seit April 2021 vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. Die Behörde erklärte das damit, dass es sich bei Querdenkern um „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ handelt.

Auch Schiffmanns Ehefrau angeklagt

Neben Bodo Schiffmann selbst ist auch seine Ehefrau angeklagt. Er wird verdächtigt, falsche Gesundheitszeugnisse in zehn Fällen ausgestellt zu haben, seine Frau in siebzehn Fällen. Bei ihm kommt noch Holocaust-Verharmlosung / Volksverhetzung in zwei Fällen als weiterer Anklagepunkt hinzu. Er habe Ärzte, die Coronaimpfstoffe verabreichten, mit Josef Mengele verglichen. Die Praxisräume, in denen er, seine Frau und 13 Mitarbeitende beschäftigt waren, wurden ihm 2020 bereits gekündigt, seine Klage dagegen war erfolglos. Ob er beim Prozess erscheinen wird, ist unklar. Schließlich hat er eine ziemlich weite Anreise von seinem „Mr. Bodo Hotel & Restaurant“ aus. Der Arzt hat umgeschult und ist nun Lodge-Besitzer und bietet Safaris für Touristen an.

Mal verliert man, mal gewinnen die anderen

Dirk Sattelmaier tauchte bei uns bereits Ende 2022 in den Urteilen der Woche auf. Er war einer der Verteidiger von den sechs Angeklagten aus dem großen „dieBasis“-Prozess in Osnabrück.

Der Vorstand der „Querdenker“-Partei forderte die Mitglieder auf, ihre Coronapolitik zu überdenken. Die Tatsache, dass man auf kommunaler Ebene in erster Linie für die Umsetzung der Bundes- und Landesgesetze zuständig ist – und das auch noch durch die Verwaltung nicht Politik erfolgt, kann man dabei dezent verpeilen. Man hätte das Schreiben also direkt löschen bzw. entsorgen können, wenn dort nicht auch folgender markanter Absatz gestanden hätte:

(…) Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie mit der Zustellung dieser Informationen in einer Liste erfasst werden, die dokumentiert, dass Sie diese Informationen erhalten haben. Möglicherweise werden Ihre Namen auch auf der Website des MWGFD veröffentlicht. 

Kein Empfänger soll bei einer juristischen Aufarbeitung durch die Aussage „Ich habe das nicht gewusst“ vor möglichen Konsequenzen geschützt werden. Schreiben die Basis vom 21./22.2.2022

Der Ratsherr Andre Klekamp (SPD) erhielt das Schreiben ebenfalls und machte dieses Schreiben damals umgehend öffentlich. Er brachte diese Nachrichten zur Anzeige. Wie der Prozess damals ausging, lest ihr hier:

Niederlage vor Gericht – „Chef vom Ordnungsamt“ ist schuld

Jetzt war Dirk Sattelmaier erneut als Verteidiger vor dem Amtsgericht Langenfeld, dies berichtet er auf seinem eigenen Telegram-Kanal und in einem YouTube-Video.

Diesmal ging es um die Teilnahme an einer Querdenker-Veranstaltung, auch bekannt als „Klappstuhlfrühstück“. Bei der Versammlung wurden dann auch Flyer von „besorgten Bürgern“ verteilt in dessen Folge es 16 Bußgeldbescheide über jeweils 250€ für die Teilnehmenden gab. Grund: Verstoß gegen Infektionsschutzgesetz und Verstoß gegen die Coronaschutzverordnung in NRW. Am 5. Januar 2022 gab es bereits eine Verhandlung mit einem Urteil welches – typisch Querdenker – mal wieder nicht anerkannt wurde. Das Gericht bestätigte das Bußgeld erneut. Sattelmaier und sein Mandat kündigten direkt danach in einem Video an, nun vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Begründung: „Es kann doch nicht sein, dass der Chef des Ordnungsamts bestimmt was hier Recht ist. Der nimmt soviel Einfluss hier drauf.“

Naja, eigentlich waren es ja eher alle bisherigen Instanzen, aber mh. Übrigens waren diese Klappstuhlfrühstücke insgesamt eine eher schlechte Idee. In Bad Hersfeld wurde der AfD-Politiker und Volljurist Gerhard Schenk bereits im Februar 2022 zu einem Bußgeld verurteilt, er vertrat sich vor Gericht selbst. Aus den ursprünglich 400€ wurden im Prozess dann nur noch 200€, die er zu zahlen hatte. Er kündigte ebenfalls Rechtsmittel an, die 200€ waren ihm immer noch zu viel.

Haftbefehl gegen AfD-Politiker

Gegen den erst 22 Jahre alten Daniel Halemba ist ein Haftbefehl offen. Halemba ist AfD-Mitglied und wurde dieses Jahr in den bayrischen Landtag gewählt. Ab dem Zeitpunkt der konstituierenden Sitzung genießt er als Landtagsmitglied politische Immunität. Die hilft jedoch nicht immer. Während die politische Immunität auf Antrag auch aufgehoben werden kann (bei Björn Höcke bereits sieben Mal), greift sie auch nicht bei Delikten, die bereits vor dem Beginn des Mandats verübt worden sind. Dies ist bei Halemba der Fall. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hatte einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt, der Hintergrund:

Es laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen möglicher Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und wegen möglicher Volksverhetzung. Bereits Anfang Oktober soll es bei ihm eine Hausdurchsuchung gegeben haben. Nach Informationen des BR ist er auch Mitglied der umstrittenen pflichtschlagenden Burschenschaft Teutonia Prag. Bei „Feiern“ dieser Burschenschaft sollen nach Angaben der Nachbarschaft immer wieder S**g H**l-Rufe zu hören gewesen sein.

Für die AfD sieht das mal wieder alles ganz anders aus

Die AfD-Fraktionsvorsitzende des Bayrischen Landtags, Katrin Ebner-Steiner, gab am Freitag bereits eine Presseerklärung ab. Und wie wir das schon kennen, sieht man sich dort eher in der Opferrolle und betreibt die altbekannte und bei Rechtsextremen beliebte Täter-Opfer-Umkehr. Die Tatvorwürfe seien „fadenscheinige Begründungen“. Man kenne so etwas „sonst nur von totalitären Diktaturen“. Die „Fraktion lasse sich von dieser Repression nicht einschüchtern“ und an der Arbeit hindern. Fakt ist aber: so oder so wird die Fraktion ohne Halemba auskommen müssen.

Die konstituierende Sitzung zur Wahl des Präsidiums wird nämlich immer vom ältesten und jüngsten Mitglied des Landtags geleitet. Halemba ist mit 22 Jahren das jüngste Mitglied. Möchte er also Mitglied im Landtag sein, ist seine Anwesenheit unabdingbar – allerdings wartet dort auch die Polizei auf ihn. Taucht er nicht auf, ist er zunächst auch nicht Mitglied des Landtags – der Haftbefehl bleibt dennoch offen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärter der „Süddeutschen Zeitung“ jedoch, dass der AfD-Mann „noch nicht aufgegriffen wurde“. Der Haftbefehl konnte noch nicht vollstreckt werden. Erst nach seiner Verhaftung gibt die Staatsanwaltschaft Details an die Öffentlichkeit. Früher oder später wird Halemba aufgegriffen und festgenommen werden.

2018 hatte noch fast jeder 10. AfD-Politiker Ärger mit dem Gesetz, wir hatten das damals recherchiert. Eventuell sollten wir den Artikel einmal überarbeiten und danach an den Verfassungsschutz schicken.

Artikelbild: Daniel Karmann/dpa