3.700

Querdenker-Urteile (KW 21): Bhakdi frei gesprochen & Paul Brandenburg verurteilt

von | Mai 28, 2023 | Serie

TRIGGERWARNUNG ANTISEMITISMUS (3. Urteil, unten)

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen „Querdenker“ – es gibt auch immer mehr Urteile. Da es mittlerweile so viele sind, fassen wir die Urteile regelmäßig in einem Sammelartikel zusammen. In der vorherigen Woche berichteten wir über eine Intensivpflegerin, die bewusst eine höhere Strafe für sich fordert, aber auch um Menschen, die Prof. Christian Drosten via Telegram und vor Ort nachstellten. Diese Woche gilt schon fast als „Promi-Querdenker-Woche“, immerhin gab es diese Woche Verfahren gegen Sucharit Bhakdi, „Aktivist Mann“ Matthäus Westfal und Paul Brandenburg. Alle wegen unterschiedlicher Delikte. Wir haben mal hereingeschaut.

Aktivist Mann – ein alter Bekannter & Stammgast

Stammgast, darf man das so sagen? Nun ja, es gab Zeiten, da hat sich Matthäus Westfal regelmäßig Urteile von Gerichten abgeholt bzw. musste sich vor Gericht verantworten. So zum Beispiel als er antisemitische Inhalte geteilt hatte (KW 35/2022), oder als er wegen Volksverhetzung verurteilt wurde (KW 44/2022) oder auch wegen Beleidigung wie in KW 5/2023, am Ende war jedoch immer irgendwie die Presse Schuld oder wer anders – aber nie er selbst. Diese Woche gab es jedenfalls das nächste Urteil für den selbsternannten „Aktivist Mann“.

Westfal erhielt einen Bußgeldbescheid, weil er der Versammlungsleiter bei einer Demonstration gewesen sein soll. „Querdenker“ hassen diesen Trick und legen daher fast schon zwanghaft Einspruch gegen sämtliche Bußgeldbescheide ein, sodass dieser jetzt vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin verhandelt wurde. Long story short: das Gericht sieht Westfal ebenfalls als Versammlungsleiter an, er soll nun gerade einmal 200 € Strafe zahlen. Tatsächlich ein „Schnäppchen“ im Vergleich zu anderen Vergehen, man könnte das Urteil jetzt einfach annehmen, aber dann wäre man ja kein „Querdenker“. Also hat Westfal direkt Rechtsbeschwerde eingelegt … und bei Telegram um Spenden geworben. Weiterhin sah er seiner Ansicht nach Formfehler im Bußgeldbescheid. Welche das sein sollen? Unklar.

Schenkung statt Spenden – „Querdenker“ schulen sich gegenseitig

Er hat übrigens von Michael Ballweg & Bodo Schiffmann gelernt: Westfal will keine „Spenden“, er möchte eine „Schenkung zur freien Verfügung“ erhalten. Das macht es mit der Steuer dann auch einfacher und die Tagessätze bei Gerichten niedriger – ist nämlich kein Einkommen, muss man wissen.

Paul Brandenburg Verurteilt

Erneut das Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Paul Brandenburg, der bereits einen „Merkel Faschismus“ herbei fantasierte, bei dem Zuhause im Zuge einer Razzia Waffen beschlagnahmt wurden, der als Corona-Skeptiker dennoch Corona-Testzentren betrieb, der auch mal zu den Rechtsextremisten von der AfD geht, und auch damit offenbar keine Probleme hatte, war angeklagt wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen.

Screenshot

Brandenburg war u.a. einer der „Querdenker“, der hinter der PR-Inszenierung von „Allesdichtmachen“ steckte:.

Abgesehen davon, dass er offenbar mittlerweile fast täglich Post vom Berliner Staatsschutz erhält, weil er auf Telegram die Mitarbeitenden des Staatsschutzes regelmäßig mit „SS“ abkürzt, scheint er auch so recht häufig mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. All das teilt er offen auf seinen Telegram-Kanälen und scheint sich in der Rolle als Provokateur sichtlich zu gefallen. Zudem gebe es unzählige weitere Verfahren gegen Paul Brandenburg, u.a. wegen Beleidigung von Prof. Karl Lauterbach, Annalena Baerbock etc.

„Querdenker“-Verteidigungsstrategien: simpel, aber erfolglos

Am 25.05.2023 also nun der Prozess wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen (Teilen einer Grafik mit Hakenkreuz). „Querdenker“-Verteidigungen sind immer recht simpel. Im Falle von Paul Brandenburg lautete die Erklärung, dass es sich um Satire handele. Außerdem habe der Künstler Jonathan Meese ja auch schon einmal Ähnliches getan und er sei freigesprochen worden.

Das Gericht ließ sich von der Argumentation nicht überzeugen und verurteilte ihn zu 30 Tagessätzen zu je 100 €, gesamt 3.000 €. Die Begründung der Richterin lautete, es sei weder Satire noch Kunstwerk. Und ihr ahnt es: Paul Brandenburg kündigte an, dass gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden sollen. Es seien laut der Einschätzung seiner Verteidiger und ihm schließlich eklatante Mängel im Urteil.

Sucharit Bhakdi – Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

Im Mai 2022 berichteten wir über die Anklage von Sucharit Bhakdi, der wegen antisemitischer Äußerungen angeklagt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein hatte Anklage gegen Bhakdi wegen des Verdachts der Volksverhetzung erhoben, das teilte die Behörde selbst mit. Dabei ging es unter anderem um Folgendes:

In einem Interview 2021 kam der diskreditierte Forscher und Verschwörungsideologe Bhakdi auf Israel und „die Juden“ zu sprechen. Er erklärte zuerst, dass er einst „die Juden“ verehrt habe, aber jetzt hält er die damalige Impfkampagne Israels für etwas Schlimmeres als die NS-Diktatur und offenbar auch den Holocaust. Ausführlich haben wir in diesem Artikel über die Aussagen berichtet:

Diese Woche kam es dann zum Prozess am Amtsgericht Plön. Eine Vielzahl an Polizist:innen stand vor dem Amtsgericht und versuchte die bis zu 100 Unterstützenden unter Kontrolle zu halten, sowie den Zugang zum Gericht weiterhin auch für Unbeteiligte zu ermöglichen. Die Sympathisanten blockierten die Zuwegungen massiv.

Bereits zu Beginn des Prozesses erging ein rechtlicher Hinweis, dass nach derzeitigem Stand von einer Strafbarkeit der angeklagten Äußerungen möglicherweise nicht mehr auszugehen sei. Die Verteidigungsstrategie zielte offenbar darauf ab, dass Bhakdi ja „die israelische Regierung“ gemeint hätte und nicht das Volk der Juden selbst. Auch wenn wir uns die Transkripte seiner Redebeiträge noch einmal genauer anschauen, finden wir an keiner Stelle die Äußerung oder einen konkreten Hinweis darauf, dass er tatsächlich die israelische Regierung meinte. Ganz im Gegenteil.

„Querdenker-Logik“ zum Bhakdi-Prozess: irgendwas wird schon zutreffen

Die Vertretung der Staatsanwaltschaft wollte im Hinblick auf das Plädoyer eine einstündige Pause, um dieses entsprechend gründlich vorzubereiten. „Querdenker“-Logik: „Die Staatsanwaltschaft ist völlig unvorbereitet.“ Aber was wäre denn die Querdenker-Logik, wenn die Staatsanwaltschaft das Plädoyer ad hoc hätte vortragen können? Björn Kawecki, „freier Journalist“, schrieb zum Urteil von Paul Brandenburg, dass das Urteil bereits im Vorfeld festgestanden haben könnte. Hätte das Plädoyer also direkt gehalten werden können, hätte es geheißen, dass es ein Schnellschuss sei und definitiv nicht fair.

Und genau das ist „Querdenker“-Logik. Man dreht sich alles so, wie es für einen selbst gerade passt. Übrigens auch in Bezug auf das Urteil im Falle Bhakdi. Die Staatsanwaltschaft forderte 180 Tagessätze zu je 90 €, also gesamt 16.200 €. Obwohl die Beweislage erdrückend war, sah das Gericht am Ende des Prozesses keine strafbare Handlung bei den Aussagen von Bhakdi.

Das Gericht sprach ihn frei und kamen somit der Forderung der drei Verteidiger (Martin Schwab, Sven Lausen und Tobias Weißenborn) nach. Der Richter hatte in seiner Begründung gesagt, es sei nicht vollständig auszuschließen, dass Bhakdi mit seinen Äußerungen nur die israelische Regierung und nicht das Volk meinte. Die Staatsanwaltschaft kündigte unmittelbar nach der Urteilsverkündung Revision an.

„Siehst du, wie die Meinungsfreiheit in Deutschland beschränkt wird? MAN DARF JA NIX MEHR SAGEN … ohh wait. Juden zu unterstellen, von Nazis „das Böse gelernt“ zu haben, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, aber trotzdem ist der Staat böse und der Feind der Querdenker, weil er Bhakdi freigesproch …äh moment …“

Kritik vom Zentralrat der Juden

Nach dem Freispruch nannte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, das Urteil „skandalös“. Im Gespräch mit dem General Anzeiger sagt er: „Das Gericht legitimiert hier reinen Antisemitismus“.

Mit der Auslegung des Begriffes „Volk der Juden“ als vermeintliche Kritik an der israelischen Regierung folge das Gericht dem Narrativ, das jeden Juden überall für die Aktivitäten des Staates Israel verantwortlich mache. Diese Haltung von einem deutschen Gericht als Argumentationsgrundlage zu hören, „ist nichts weniger als skandalös“, beklagte Schuster.

Er kritisierte auch, dass das Gericht zwar die Verharmlosung des Holocausts durch Bhakdi zweifelsfrei gesehen habe, aber Meinungsfreiheit bei einer Wahlkampfrede höhergestellt habe. „Zum wiederholten Mal sehe ich mich gezwungen darauf hinzuweisen, dass Antisemitismus keine Meinung ist“, betonte Schuster.

Quelle

Applaus von Faschisten für Bhakdi

Für jemanden, der ja angeblich keine rechtsextremen und antisemitischen Narrative verbreitet, gab es dann aber erstaunlicherweise Applaus und Zuspruch von Rechts. Der vielleicht gefährlichste Faschist des Landes, Björn Höcke, kommentierte das Urteil beispielsweise wie folgt:

Was Björn Höcke hier verwechselt: Wissenschaftsfreiheit bedeutet nicht „frei von Wissenschaft“. Denn wie oft Bhakdi falsch gelegen hat, haben wir hier analysiert:

Und auch der Landesverband Sachsen-Anhalt der Partei dieBasis kommentierte auf Twitter den Freispruch und forderte genau deswegen die Reformierung der Ermittlungsbehörden:

Diejenigen, die sonst immer von Gesinnungsdiktatur schwadronieren, sind nun die Leute, die wirklich diktieren, wollen, wie der Rechtsstaat zu handeln hat? Die, die Angst haben, dass Grundrechte wegen einer Coronapandemie quasi abgeschafft werden, wollen jetzt selbst aktiv Grundrechte und damit Menschen in ihrer Freiheit einschränken?

Dafür, dass die Anhänger von Bhakdi immer wieder behaupten, dass man in Deutschland ja gar nichts mehr sagen darf, feiern sie seinen Freispruch gerade dann doch sehr doll. Offensichtlich darf man in Deutschland noch eine ganze Menge sagen, vor allem wenn es um menschenfeindliche Dinge geht.

Artikelbild: Christian Charisius/dpa