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Urteile der Woche (KW 34): Waffenfund bei SEK-Einsatz nach rechten Posts

von | Aug 27, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde und Extremisten – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt uns mit dem Wegfall der Covid19-Schutzmaßnahmen immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns nun entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen. Ab sofort veröffentlichen wir die „Urteile der Woche“, und zählen darin alle Demokratiefeinde, Desinformationsverbreiter und Wissenschaftsfeinde auf. Vorvorletzte Woche berichteten wir über ein verurteiltes AfD-Mitglied, vorletzte Woche dann über zwei verurteilte Mitglieder und auch letzte Woche sind wieder Mitglieder der AfD von Gerichten verurteilt worden:

Schon wieder falsche Maskenatteste – Ärztin verurteilt

Anette F. ist Ärztin für Osteopathie, eine Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit nicht bestätigt werden kann, ähnlich wie Homöopathie, welche nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkt. Sie veranstaltete seit Mai 2020 regelmäßig mehrere Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen. Dort soll sie nach Berichten des Schwarzwälder Boten „Behörden, Politiker und Kollegen“ verbal attackiert haben. Bereits in der Hochphase der Covid19-Pandemie liefen mehrere Verfahren wegen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (sog. falsche Maskenatteste) gegen sie. Sie wurde bereits im Dezember 2021 zu einer Geldstrafe von 6.000 € verurteilt (120 Tagessätze zu je 50 €), da es das Amtsgericht Lahr als erwiesen ansah, dass die Medizinerin in mindestens sieben Fällen Befreiungen von der geltenden Maskenpflicht ausgestellt hatte – ohne Untersuchung und medizinische Gründe. Ein Anruf oder eine E-Mail reichten, dass sie diese Atteste quasi auf „Zuruf“ verschickte. Eine Untersuchung der Patient:innen erfolgte nicht.

Nach dem ersten Urteil gab es direkt die nächsten Verfahren

Gegen das Urteil legte sie Berufung ein, die jetzt verhandelt wurde. Anstatt in der Zwischenzeit ihr Verhalten nach dem ersten Urteil zu ändern, schloss sich unmittelbar an das erste Verfahren ein weiteres Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Oldenburg an. Es bestand Anlass zur Annahme, dass sie ihre damalige Geschäftstätigkeit sogar noch ausgeweitet hat und nun auch Impfunfähigkeitsbescheinigungen ausstellte. Und auch die Bundespolizeiinspektion in Selb ermittelte gegen die Ärztin Anette Franz. Denn dort trafen die Polizisten auf einen Mann, der eines ihrer Maskenatteste vorlegte.

Im ersten Prozess behauptete sie tatsächlich, dass Masken keine Wirkung hätten und die Menschen eher krank machen würden. Aus der jetzigen Berufungsverhandlung ergaben sich keine neuen Erkenntnisse, das Gericht sah es auch diesmal als erwiesen an, dass die Tatvorwürfe so zutreffen. Das Gericht korrigierte die Anzahl allerdings auf 110 Tagessätze zu je 50 € nach unten, Begründung: die lange Prozessdauer. Doch auch dieses Urteil will sie nicht anerkennen: Ihr Verteidiger kündigte direkt nach dem Prozess an, in Revision gehen zu wollen.

Zwischenzeitlich gab es eine weitere Anklage

Bis zum Ergebnis des Berufungsverfahrens gab es im Juli allerdings schon eine weitere erhobene Anklage, wie die Badische Zeitung berichtet. Da sie ihr Tatverhalten nach dem erstinstanzliche Urteil sogar noch intensiviert hätte, fordert die Staatsanwaltschaft nun nicht nur eine Haftstrafe, sondern auch ein vorläufiges Berufsverbot. Sie habe sich „in keiner Weise von der erstinstanzlichen Verurteilung des Amtsgerichts Lahr“ beeindrucken lassen, heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft. Dies kann in einem weiteren Verfahren als strafverschärfend berücksichtigt werden. Gut möglich, dass das Gericht nun erst einmal abwartet, bis das aktuelle Urteil aus der Berufung rechtskräftig wurde, um dann in einem nächsten Prozess weiterzumachen.

SEK-Einsatz wegen rechtsextremer Social Media Beiträge

Als Jäger rechtsradikale Hassbotschaften posten, Hitler-Bilder bei WhatsApp verschicken, verfassungswidrige und terroristische Symbole verwenden, Tiere quälen und diese auch noch sexuell missbrauchen? Was kann schon schiefgehen, wenn ausgerechnet diese Person auch noch eine waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz von Waffen hat? Eine Menge. Und das war auch der Grund, wieso diese Woche neben dem LKA, der Waffenbehörde und dem Staatsschutz auch das SEK zur Hausdurchsuchung eines rechtsradikalen Mannes erschien. Die ursprünglichen Ermittlungen nahm das Landeskriminalamt Bayern auf. Sie gaben den Fall dann an die Hamburger Behörden, dem Wohnsitz des Tatverdächtigen. Den Behörden war bekannt, dass er Waffen besitzt.

Besitz von Waffen war bekannt

Im Pressebericht der Polizei Hamburg heißt es: „Im Zuge der Ermittlungen wurde den Beamten weiterhin bekannt, dass der Mann, auch im Zusammenhang mit seiner Ausübung als Jäger, legal annähernd 40 Kurz- und Langwaffen sowie Munition besitzen soll“. Diese Vorsicht beim SEK-Einsatz war also begründet. Vor Ort stellten sie „neben den legalen Schusswaffen noch eine Vielzahl weiterer Schreckschusswaffen, über einhundert Messer und Dolche, eine Armbrust, mehrere Bajonette und über 10.000 Schuss Munition“ sicher. „Darüber hinaus entdeckten die Beamten vier, nach derzeitigen Erkenntnissen nicht zündfähige, Handgranaten und mehrere Magazine eines Schnellfeuergewehres (HK G3). Die Waffen- und Munitionsteile lagen teilweise offen und somit nicht ordnungsgemäß verwahrt in den Zimmern der Wohnung, woraufhin die Beamten zunächst alle Fundstücke sicherstellten.“

Der 51-jährige Mann aus Eidelstädt wurde fernab seiner Wohnung vorläufig festgenommen, aber mittlerweile wieder entlassen. Die waffenrechtliche Erlaubnis wurde im entzogen. Weiterhin wurden weitere Verfahren „wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Sprengstoffgesetz und das Waffengesetz eingeleitet.

Sturm auf den Reichstag: bislang sechs Urteile

Der „Sturm auf den Reichstag“ am 29.08.2020 ist nun knapp drei Jahre her und uns dennoch präsent. Rüdiger Hoffmann, Reichsbürger, früher bei der NPD, saß in den 1990er Jahren wegen versuchten Mordes mehrere Jahre im Gefängnis (er hatte einen rechtsradikalen Angriff auf ein Asylbewerberheim mitorganisiert), Gründer und Anführer der Gruppierung „Staatenlos“, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er rief zu einem „Sturm auf den Reichstag“ auf. Auch Shoahleugner und NPD-Mitglieder konnte man bei dem „Sturm“ identifizieren. Anwesend beim Sturm auch Gavin Singer, ein Mitglied der, ebenfalls vom Verfassungsschutz überwachten, AfD-Jugendorganisation „Jungen Alternative“. Wir berichteten damals:

Kurzzeitig schafften es diese „Corona-Demonstranten“, die mehr waren als nur wegen der Corona-Maßnahmen besorgte Bürger, die Treppe zum Reichstag zu besetzen. Die Polizei leitete 2020 insgesamt 346 Ermittlungsverfahren ein, der Großteil gegen „unbekannt“. Der Sturm kam zum erliegen. 89 Personen konnten jedoch identifiziert werden. Die Folgen bekommen sie jetzt Stück für Stück zu spüren: fünf Männer und eine Frau wurden bereits vom Amtsgericht Tiergarten zu Geldstrafen wegen Landfriedensbruchs, Beleidigung von Polizisten und Zeigens des Hitlergrußes verurteilt. Gegen die sechs bisher Verurteilten aus Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg, wurden Geldstrafen zwischen 1800 und 2500 Euro verhängt. Über die Rechtskraft ist noch nichts bekannt. Weitere Verfahren folgen.

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