Mit der AfD geht es in Umfragen seit Wochen bergab. In einer Forsa-Umfrage erhalten die Rechtsextremen sogar ihren schlechtesten Wert seit April 2023. Und das nach einem beispiellosen Höhenflug und Träumen von einer Machtübernahme im Winter. Erkennen immer mehr Menschen vielleicht, dass die Faschisten nicht wählbar sind? Seit Anfang des Jahres sind laut Umfragen über zwei Millionen Menschen von der AfD abgewandert. Ob die AfD das mit “Migrationswende” meinte?
AfD rutscht in Umfragen ab
Umfragen zum Wahlverhalten gibt es viele. Noch dazu befinden wir uns gerade in einem Superwahljahr. Am 9. Juni steht die Europawahl an, im Mai und Juni finden in vielen Bundesländern Kommunalwahlen statt und in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird im September ein neuer Landtag gewählt. Dementsprechend gibt es auch viele verschiedene Umfragen, je nach Wahl, zusätzlich zur Standardumfrage “Was würden Sie wählen, wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre”. Die Ergebnisse der einzelnen Parteien schwanken also nach Umfragetyp und je nach dem, welche Wahl abgefragt wird. Auch spielt die Art der Umfrage eine Rolle. Worauf man achten muss und wie seriös Umfragen grundsätzlich ist, haben wir hier erklärt.
Aber schauen wir uns ein paar aktuelle Umfragen an. In einer Forsa-Umfrage, die den aktuellen Trend zur Bundestagswahl abbildet, rutscht die AfD auf 15 Prozent ab. Dabei lag sie schon mal bei 23 %. Und liegt damit bei ihrem schlechtesten Wert seit April 2023.
Klar ist: diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Die nächste Bundestagswahl ist erst im Herbst nächstes Jahr, bis dahin kann noch viel passieren. Auch, was die statistische Fehlertoleranz angeht, liegt diese bei der Forsa-Umfrage bei plus/minus 2,5 Prozentpunkte. Aber der Trend der AfD geht nach unten. Das zeigt nicht nur die Forsa-Umfrage.
Auch im sinkflug bei europaumfragen und parteizustimmungsindex
So schneidet die AfD zum Beispiel auch schlechter ab als zuvor, wenn nach der Europawahl gefragt wird. Eine Insa-Umfrage zeigt, dass die AfD in den Europawahlumfragewerten im Mai nur noch bei 17 Prozent liegt, während es im April noch 19 Prozent waren. Im Februar waren es sogar noch 22 Prozent! Minus 5 Prozentpunkte in 3 Monaten! Da war wohl ein Skandal zu viel im Gange bei den Spitzenkandidaten der AfD. Mehr zu den Gründen für den Absturz der Skandalpartei weiter unten.
Bei der Umfrage zur Europawahl von der Forschungsgruppe Wahlen vom 17. Mai liegt die AfD sogar nur bei 15 Prozent.
Aber nicht nur in Umfragen, auch im Parteizustimmungsindex rutscht die AfD beständig ab. Der Parteizustimmungsindex ist ein Prozentwert, der sich abhängig von der Einwohnerzahl des jeweiligen Bundeslandes aus den aktuellen Umfragewerten zu den Landtagswahlen und zur anderen Hälfte aus dem neuesten Umfragewert für die Bundestagswahl zusammensetzt.
Der PZI ist damit ein Vergleichswert zur aktuellen Gesamtzustimmungslage für die einzelnen Parteien. Seit Beginn des Jahres ist erkennbar, dass die AfD im Parteizustimmungsindex abrutscht, also seit den Enthüllungen von Correctiv zu massenhaften Deportationsplänen der Faschisten und den daraus resultierenden Protesten gegen die AfD.
Also einen signifikanten Einsturz gab es. Woher?
1. eine der Größten Protestbewegung der deutschen Geschichte – gegen die AfD
Am 10. Januar dieses Jahres veröffentlichte die Plattform Correctiv “Geheimplan gegen Deutschland”, eine Recherche, die eine der größten Protestwellen der Geschichte der Bundesrepublik gegen die AfD lostrat. Correctiv berichtete über ein Geheimtreffen von (Ex-)AfD-Funktionären, AfD-Sympathisanten und Neonazis, bei dem faschistische Vertreibungspläne besprochen wurden.
Die Parteispitze distanzierte sich zwar halbherzig. Aber einige AfD-Politiker gaben offen zu, dass die Pläne von Massen-Deportationen wahr sind. Der offizielle Account gestand, dass sie Deutschen die Staatsbürgerschaft entziehen wollen, um sie zu deportieren. Und die AfD-Fans forderten zu Tausenden die ethnischen und politischen Säuberungen in den Kommentaren.
Seitdem sind mehr als vier Millionen Menschen gegen den Menschenhass und den Faschismus der AfD auf die Straße gegangen. Mehr als 1.300 Demos wurden im ganzen Land registriert. Es ist damit eine der größten Protestbewegungen auf der Straße in der deutschen Geschichte!
Um es mit den Worten von Isabel Fezer, Bürgermeisterin von Stuttgart, zu sagen: “Die Mehrheit schweigt nicht länger.” Viele Bürger:innen haben klar gemacht, dass sich die Demokratie gegen Rechtsextremismus wehrt. Schon Anfang des Jahres reagierte die AfD mit Panik auf die riesige Protestbewegung und versuchte, sie zu diskreditieren oder schlichtweg wegzuleugnen.
Sie hat Millionen Deutschen gezeigt, wie radikal und extrem die AfD ist. Und dass die riesige Mehrheit der Deutschen nichts mit solchen Vertreibungsplänen zu tun haben will, von denen die AfD sich nicht wirklich distanzieren will. Dass Leute, die das fordern, wie der Faschist Höcke, weiterhin führende Positionen in der Partei haben und nicht von der Spitze kritisiert oder herausgeworfen werden, zeigt, dass die ganze Partei da mit drin steckt. Eine Argumentation, die sogar die Gerichte gezeigt haben, als sie die gesamte AfD als rechtsextremen Verdachtsfall bestätigt haben.
2. JEde Menge Skandale
Einige AfD-Politiker machen es ihren Wähler:innen derzeit jedoch auch ohne rechtsextremes Gedankengut sehr leicht, sich von ihnen abzuwenden. Die Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl häufen einen Skandal nach dem anderen an. Ein Mitarbeiter vom Spitzenkandidaten der rechtsextremen AfD für die EU-Wahl, Maximilian Krah, wurde verhaftet. Er wird der Spionage für China verdächtigt. Petr Bystron soll Geld aus Russland erhalten haben. Aust ist von Höcke persönlich auf die Liste vorgeschlagen worden.
2.1. Korruptionsvorwurf Bystron
Aber eines nach dem anderen: Eine tschechische Investigativrecherche legt nahe, dass unter anderem AfD-Spitzenpolitiker Petr Bystron (Listenplatz 2 für Europawahl) unter Verdacht steht, Geld von einem Putin-Vertrauten erhalten zu haben.
Wie die tschechische Investigativ-Zeitung denikn aufgedeckt hat, verfügt offenbar die tschechische Regierung über Audioaufnahmen, die belegen sollen, dass der AfD-Vizespitzenkandidat für die Europawahl Petr Bystron Geld aus Russland erhalten haben könnte.
In einer Ausschusssitzung wurden tschechische Abgeordnete von der Untersuchung der tschechischen Regierung unterrichtet. Demnach finanziert Russland über das Netzwerk „Voice of Europe“ prorussische Propaganda in ganz Europa – und unterstützt auch Politiker, die sich für diese Propaganda einspannen lassen. Ein Politiker mit besonders engen Verbindungen zum Netzwerk ist AfD-Bundes-Vize Petr Bystron.
Das Netzwerk wird maßgeblich von Viktor Medwedtschuk geleitet, mit engen Verbindungen zum Kreml. Putin ist Patenonkel von dessen Tochter. Für den Fall, dass die russische Invasion der Ukraine Erfolg hätte, wurde Medwedtschuk immer wieder als „Statthalter“ gehandelt. Daher war Medwedtschuk auch wegen Hochverrats in der Ukraine unter Hausarrest. Außerdem hat Medwedtschuk enge Verbindungen zu AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah – und Petr Bystron. Hier ein Foto mit den dreien:
2.2. spionage-verdacht bei krah(-mitarbeiter)
Aber auch gegen Listenplatz 1, den Rechtsextremisten Krah, gibt es Vorwürfe: Ein enger Mitarbeiter von ihm ist festgenommen worden. Der 43-jähriger Jian G. steht unter dem Verdacht, jahrelang im Auftrag der chinesischen Regierung in Deutschland spioniert zu haben. Laut einem Bericht der Zeitung „Die Zeit“ überwachte er hauptsächlich die in Deutschland ansässige Exilopposition für Bejing. Die entscheidende Information, die zu seiner Festnahme führte, kam vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Gegen den Krah-Mitarbeiter wurde jetzt Haftbefehl wegen Spionage erlassen.
Drohen Krah nun selbst rechtliche Konsequenzen? Das haben unsere Kolleg:innen vom Verfassungsblog analysiert:
Doch der Spionage-Vorwurf um Jian G. ist nicht der einzige. Auch die Nähe zwischen einem mutmaßlichen Kreml-Spion und Krah wirft Fragen auf. Der Spiegel schreibt dazu:
“In Warschau muss sich derzeit ein Mann wegen des Vorwurfs der Spionage für Russland vor Gericht verantworten. Die polnischen Ermittler werfen Janusz N. vor, sich unter europäische Parlamentarier gemischt zu haben, um »im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung von Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes« Propaganda und Desinformation zu betreiben. Ziel sei es gewesen, »russische Einflusssphären in Europa aufzubauen«. Der Verteidiger von N. weist die Vorwürfe zurück.”
Sicher ist, dass Krah Janusz N. Zugang zum Europäischen Parlament verschaffte, über einen Hausausweis. Bis zu seiner Festnahme im Mai 2021 soll er mindestens 50-mal im Europäischen Parlament gewesen sein.
Und was sagt Krah zu den Vorwürfen? Im Spiegel wird er zitiert:
»Der Zugangsausweis wurde durch meinen ehemaligen Mitarbeiter beantragt, wohl aufgrund einer persönlichen Bekanntheit«. Das Arbeitsverhältnis mit diesem Mitarbeiter – einem französischen Rechtsextremen – sei jedoch seit fast zwei Jahren beendet. Janusz N. kenne er nicht, so Krah. Dem »Tagesspiegel« hatte Krah hingegen kürzlich erklärt, er habe den Polen vier- oder fünfmal getroffen.
Sogar Ex-AfD-Chef-Meuthen, der die Partei wegen totalitärem Gedankengut und Rechtsextremismus verlassen hat, erklärt, dass eine so skandalgeplagte Partei eben auch bei rechtsgesinnten Menschen abschreckt.
3. Wagenknecht
Auch die Gründung des “Bündnisses Sahra Wagenknecht” könnte zu einem Wählerverlust für die AfD geführt haben. Parallel zum Abschwung der AfD konnte das BSW einen Aufschwung erzielen, wie du in dieser Grafik sehen kannst:
Wahlforscher gehen davon aus, dass das BSW ein Faktor ist, der den Absturz der AfD erklären kann. Die neue Partei der früheren Linken-Politikerin Wagenknecht vertritt in Teilen ähnliche Positionen wie die AfD, etwa bei der Zuwanderung oder in Bezug auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Auch ein breit ausgeprägter Antiamerikanismus verbindet beide Parteien. Das BSW ist also in Teilen eine Konkurrenzpartei für die AfD und ihr gegenwärtiger Erfolg trägt wohl auch zum Absturz der AfD bei, auch wenn die Partei sicherlich auch von vielen anderen Stellen Wählerpotential zieht.
4. Interne Lagerkämpfe
Doch nicht nur die AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl sorgen für schlechte Presse für die Partei. Auch verstricken sich die Rechtsextremen mittlerweile in mehrere interne Streitereien, die an zahlreichen Fronten zu beobachten sind. Zwar treten seit Jahren die Nicht-Rechtsradikalen und “gemäßigteren” Rechten aus der Partei aus, aber neben dem völkischen Neonazi-Flügel rund um Höcke gibt es noch einen Rest der Partei, der zumindest versucht, gemäßigt zu erscheinen. AfD-Chefin Alice Weidel gehört dazu.
So analysierten beispielsweise unsere Kolleg:innen vom Zeitungsverlag Waiblingen, wie stark das Lagerdenken der AfD in Baden-Württemberg ausgeprägt ist, welches zu Streit und Chaos führt. Konkret geht es um das Lager der Parteichefin Alice Weidel und das des Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel, der wiederum dem Lager um Björn Höcke zugerechnet wird. Allgemein gilt der Landesvorstand der Baden-Württemberger AfD als sehr zerstritten. Beim Landesparteitag in Rottweil im Februar dieses Jahres kam es zu stundenlangen Auseinandersetzungen. Vorstandsmitglieder stritten auf offener Bühne und schalteten sich gegenseitig die Mikrofone ab. Die gegnerischen Lager schrien sich an und buhten sich aus. Keine idealen Voraussetzungen für eine Partei, die damit wirbt, ehrliche und effiziente Politik machen zu wollen.
Aber auch in Thüringen streitet die AfD. Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt sogar so stark, dass der Kreisverband eine alternative Liste aufstellt, die “Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt”, die von AfD-Landeschef und Faschist Björn Höcke unterstützt und auch bei den Kommunalwahlen antreten wird. Bei diesen kann nun für die AfD oder für die “Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt” abgestimmt werden. Verwirrung hoch drei. Auch in Thüringen also führte Lagerdenken zu einer Zersplitterung und massiven Streitigkeiten. Jetzt fordern einige sogar den Rücktritt von Thüringens AfD-Führer Höcke. Die komplette Chronik des AfD-Streits im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt kannst du hier nachlesen.
Das Lagerdenken in der AfD ist ausgeprägt und führt zu internen Querelen und zu hausgemachter Ineffizienz. Die AfD hat sich über die Jahre immer weiter radikalisiert. Möglicherweise übernehmen die Neonazis und Faschisten bald völlig die gesamte Partei.
Fazit: Die AfD weiterhin stark
Für Demokratiefreunde sind die Nachrichten, dass der Aufstieg der AfD erst einmal gestoppt ist und sich umgekehrt hat, eine gute Nachricht. Der aktuelle Absturz der AfD zeigt, dass Protestbewegungen und Recherchen für die Demokratie effektiv sind und Demokratiefeinden ordentlich schaden können. Es ist ein gutes Zeichen, dass auch die Millionen von Menschen, die Anfang des Jahres auf der Straße waren, wirklich etwas bewirkt haben im Kampf gegen Rechtsextremismus.
Doch auch noch 15 % in Umfragen sind viel und zeigen auch, an wie viel Zustimmung für Rechtsextremismus wir uns gewöhnt haben. Und wir alle wissen: Umfragewerte sind volatil, sie können auch in wenigen Wochen schon wieder einen anderen Trend zeigen. Deswegen können wir uns jetzt nicht zurücklehnen und so tun, als hätten wir kein Problem mehr. Es ist wichtig, weiter über die Desinformation und den Rechtsextremismus dieser Partei aufzuklären. Es ist wichtig, wählen zu gehen und andere zu überzeugen, das ebenfalls zu tun! Wie du das machen kannst, haben wir hier erklärt:
Artikelbild: photocosmos1; Screenshot Grafik https://www.n-tv.de/politik/AfD-rutscht-weiter-ab-Union-baut-Fuehrung-aus-article24925860.html