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BILD manipuliert den Diskurs: Drosten war gegen die Schulschließungen!

von | Jan 31, 2023 | Aktuelles

Prof. Christian Drosten sah landesweite Schulschließungen von Anfang an kritisch. Dass sie kamen, war eine politische Entscheidung, die sich über den Virologen (und andere) hinwegsetzte. Dennoch hetzt die Springer-Presse seit Jahren gegen ihn und macht ihn jetzt wieder verantwortlich. Auch Karl Lauterbach, erst seit Ende 2021 Gesundheitsminister, lässt sich offenbar davon einschüchtern und glaubt, sich rechtfertigen zu müssen. BILD & Co. lügen und manipulieren aber fröhlich weiter, um ihr Geschäftsmodell der Desinformation aufrecht zu halten. Die Fakten zeigen jedoch: Wer Drosten beschimpft, hat nicht verstanden, was passiert ist.

BILD lügt so erfolgreich, dass Lauterbach die Lügen über sich selbst glaubt

Zur Erinnerung: Zu Beginn der Corona-Pandemie, also Anfang 2020, war Karl Lauterbach „nur“ normaler Abgeordneter der SPD (und regelmäßiger Talkshow-Gast). Seine Partei war in der Regierung, das Gesundheitsministerium jedoch in der Hand der CDU. Und dennoch scheint Karl Lauterbach Hauptverantwortlicher für alle Maßnahmen, die jemals getroffen wurden, zu sein. Zumindest, wenn man die Axel-Springer-Presse liest, was natürlich schon ein erster Fehler ist. Doch mittlerweile scheinen deren Narrative so stark verfangen zu haben, dass Lauterbach offenbar selbst an sie glaubt. Nur so lässt sich erklären, warum er plötzlich das Bedürfnis verspürt, sich für die Schulschließungen 2020 und 2021 zu rechtfertigen – die er nie zu verantworten hatte. Im Gegenteil: Er hatte 2022 buchstäblich versprochen, keine Schulschließungen durchzuführen.

Noch einmal, weil es so wichtig ist, um die Problematik zu verstehen: 2020 und bis Dezember 2021 war Karl Lauterbach nicht Gesundheitsminister! Die Verantwortung für die Schulschließungen lag bei Jens Spahn (CDU)! Nur, weil „Querdenker“ und Springer-Presse „WELT“ und „BILD“ den Sozialdemokraten Lauterbach verkürzt und symbolisch als Lieblingshassobjekt und Sündenbock für alle Probleme der Pandemiemaßnahmen auserkoren haben, heißt das nicht, dass er auch wirklich Schuld daran wäre!

Das ist eine bereits lange laufende Kampagne der Springer-Presse, wie Lauterbach selbst schon letztes Jahr erkannte. Die Debatte soll ausschließlich emotional und nicht mehr faktenbasiert geführt werden, denn da kennen sich BILD & Co. aus. Schlammschlachten sind sie gewohnt, faktenbasierte Berichterstattung eher weniger. Das ist ja auch viel anstrengender, man müsste recherchieren und so weiter. Das bleibt also mal wieder an einem spendenfinanzierten Anti-Desinformations-Blog wie uns hängen.

Was hatte Drosten wirklich gesagt?

Also nehmen wir mal die Brille ab, die uns die BILD aufsetzen möchte und schauen uns an, was die Wissenschaft um den Virologen Christian Drosten wirklich gesagt hatte. Kleiner Spoiler: Falls du glaubst, dass Drosten gesagt hat, man solle alle Schulen dicht machen, dann bist auch du von der Springer-Presse gaslighted worden. Aber in der Definition zu Gaslighting bei Barmer heißt es als Lösungsvorschlag: „Bleiben Sie bei Ihrer Realität, schreiben Sie diese auf und erzählen Sie Freunden davon.“ Also schreiben wir mal die Realität.

Tatsache ist, dass Christian Drosten überhaupt nicht die Schulen bundesweit schließen wollte. In Folge 78 des NDR Corona-Podcasts (März 2021) zum Beispiel sagte er:

Selbst damals im März, als beschlossen wurde, das erste Mal die Schulen zu schließen, war es nicht so, dass die Wissenschaftler das empfohlen haben. Sondern die Wissenschaftler haben eigentlich gesagt – also ich war einer von denen, aber ich war auch nicht der Einzige übrigens – dass man sich die Situation mal vor Augen führen sollte, wie sie in Gangelt (Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.) ist. Zu der Zeit hatte man in Gangelt die Schulen gerade geschlossen. Da haben wir gesagt: Das ist eigentlich das richtige Vorgehen, dass man genau schaut, wo ist jetzt dieses Virus verteilt? Also zu der Zeit war die Phase, wo die Funken gerade auf unsere mit Stroh ausgestreute Wiese fliegen. Das ist nicht überall gleich verteilt. Da haben wir gesagt: Im Moment sollte man lokal genau nachschauen. Und am nächsten Morgen waren wir ganz verdutzt, als wir dann in der Zeitung gelesen haben: Heute Nacht wurde beschlossen, alle Schulen zu schließen.

Quelle: NDR Corona-Podcast Folge 78 Skript [PDF]

Die Kurzversion: Anfang 2020 war Corona noch sehr lokal vertreten. Wir erinnern uns an die Zeit, als plötzlich alle wussten, wo der Kreis Heinsberg oder Ischgl liegen. Drosten fand es damals sinnvoll, in diesen lokal begrenzten Gebieten die Schulen zu schließen. Doch eine bundesweite Schulschließung hat er nie gefordert. Und war auch komplett überrascht davon, dass dies so schnell beschlossen wurde.

Dennoch hat Karl Lauterbach (der damals nicht mal verantwortlich war!) das Gefühl, er müsste sich rechtfertigen und Christian Drosten (der keine bundesweiten Schulschließungen gefordert hat!) kritisieren. Und zwar genau für diese Schulschließungen, die Drosten eben nicht gefordert hat. Wie kann das sein? Die Antwort wird wenig überraschen.

Springer-Presse lügt – Drosten wollte weniger Verantwortung!

Hintergrund dieser ganzen Dramatik ist eine Berichterstattung der BILD-Zeitung, die man schon als Kampagne bezeichnen kann. Dass die BILD in ihrer Drosten-Berichterstattung die journalistische Sorgfaltspflicht ständig verletzt, sagen nicht nur wir. Das hat der Deutsche Presserat bestätigt und die BILD dafür gerügt. Bei weitem nicht der einzige Fall: Von 60 Presserat-Rügen 2021 gingen 26 Rügen an die BILD.

In einem Interview mit der „Zeit“ bekräftigte Drosten bereits 2021 noch einmal, dass er und andere Wissenschaftler:innen keineswegs grundsätzlich Schulschließungen gefordert hätten und dass er sich darüber ärgere, dass er in der öffentliche Meinung die politische Entscheidung ausbaden müsse. Trotzdem veröffentlicht die BILD bis heute reißerische Fake-Schlagzeilen, die nicht nur zwischen Lauterbach und Drosten polarisieren sollen, sondern auch den falschen Eindruck verbreiten, Drosten habe die Schulschließungen gefordert oder gar zu verantworten.

Was im BILD-Geschwurbel auch untergeht: Drosten selbst hat schon sehr früh (im März 2020!) angemahnt, dass eben nicht nur Virologen wie er die Entscheidungen treffen dürften. Im NDR Corona-Podcast Folge 13 sagte er, man bräuchte auch Leute, „die sich mit Schule auskennen, mit Sozialstrukturen und so weiter. Da braucht man auch andere Fachexperten.“ Das ist vielen nicht klar, die BILD verheimlicht es ihren Leser:innen ja auch, aber: Prof. Drosten hat gefordert, dass seine Meinung weniger Gewicht haben sollte und andere Perspektiven eingebracht werden müssen! Er hat nur die wissenschaftlichen Fakten geliefert – und das im Übrigen stets differenziert und sauber. Er ist nicht umsonst laut dem renommierten „Science“ Magazin „einer der weltweit führenden Experten für Coronaviren“.

Prof. Drosten als Sündenbock

Christian Drosten stand schon frühzeitig im Rampenlicht, wenn es um die Corona-Pandemie ging. Das ergibt auch Sinn, immerhin war er schon vor der Pandemie unter den 1% der meist zitierten Wissenschaftler:innen auf seinem Gebiet. Der „Zeit“ sagte Drosten mittlerweile, dass er diese Öffentlichkeit „ganz klar“ bereut hat. Grund dafür ist natürlich die irreführende bis faktenwidrige Berichterstattungen von Zeitungen wie der BILD. Sie machen aus dem differenziert kommunizierenden, wissenschaftlich denkenden Virologen Christian Drosten ein Gesicht der Pandemie – und damit auch einen Sündenbock für alles, was (vermeintlich) schiefläuft. Drostens Gesicht wurde von extremen Maßnahmengegner:innen auf ein Plakat mit der Überschrift „SCHULDIG“ montiert. Genau wie Lauterbach wurde Drosten immer wieder attackiert und verantwortlich gemacht.

Doch wie wir gesehen haben, entspricht die „Kritik“ (was oftmals nur ein Tarnmantel für unverblümten Hass und Wissenschaftsfeindlichkeit ist) nicht der Realität. Drosten war gegen die landesweiten Schulschließungen und für mehr Perspektiven als nur die virologische. Andere Virologen wie Jonas Schmidt-Chanasit lobten Drosten im März 2020 sogar für seine differenzierte Position. Das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn und auch die Ministerkonferenzen haben Entscheidungen getroffen, die entweder auf Missverständnissen beruhen oder sich bewusst über die Empfehlungen von Drosten und anderen Wissenschaftler:innen hinwegsetzen. Wer blind gegen Drosten hetzt, hat das nicht verstanden und sich manipulieren lassen.

Hass auf Drosten – Rache für Doppelte Blamage der BILD?

Jenseits von der grundsätzlichen Tendenz zum Hass hat die BILD aber noch ein anderes Motiv, warum sie Christian Drosten so verzweifelt runter machen wollen. Worüber sie erstaunlich wenig reden: Drosten ist der Grund für zwei riesige BILD-Blamagen. Die erste stammt aus dem Mai 2020: Die BILD hatte sich in den Kopf gesetzt, dass man eine Studie von Drosten unbedingt kritisieren muss, koste es, was es wolle.

Dass die wahrheitswidrige Bezeichnung von Drostens Studie als „grob falsch“ eine absurde Verbiegung der Faktenlage ist, wurde jedoch fast zur Randnotiz angesichts einer weiteren Anekdote. BILD wollte eine Stellungnahme von Drosten – und gab ihm dazu genau eine Stunde Zeit. Drosten, der zu dieser Zeit die Corona-Strategie mit entwickelte und offensichtlich einen vollen Terminkalender hatte, wiegelte mit den mittlerweile fast schon legendären Worten ab:

Unser Bericht mit dem Titel „Keiner nimmt sie mehr ernst“ traf wohl ganz gut darauf zu, wie die BILD diese Episode aufgenommen hat. Denn die BILD arbeitete am Comeback und sie hatte es ein Jahr später gefunden. Ihr „Beweis“: Drosten hatte eine Studie noch nicht veröffentlicht. „Weil er lügt!!“, so der Tenor der BILD. Auf den Gedanken, dass wissenschaftliche Studien exakt arbeiten und dementsprechend Zeit brauchen, kam die BILD nicht. Wie denn auch, das ist ja nicht ihre Art und Weise zu arbeiten. Doch wieder hatte Drosten den besseren Plot Twist auf seiner Seite. Denn nur wenige Stunden nach dem BILD-Artikel wurde die entsprechende Studie veröffentlicht. Sie belegte das, was Drosten von Anfang an sagte und widerlegte die BILD-Hetze. Zweites Corona-Jahr, zweite Attacke der BILD auf Drosten, zweite Blamage für die BILD. Wir berichteten:

Wäre die BILD ein seriöses Blatt, würde sie irgendwann einsehen, dass sie sich geirrt hat, um Entschuldigung bitten und aufklären, wie es zu diesem Fehler gekommen ist. Doch die BILD arbeitet mit Emotionen und mit Hass. Darum kann es nicht darum gehen, sich mit Drosten zu versöhnen. Sondern nur darum, ihn zu vernichten. Und sie führt weiter ihre Kampagne gegen Drosten und die Wissenschaft. Zusammen mit dem Schwesterblatt „WELT“ natürlich. Über die Desinformation der Springer-Medien haben wir hier und hier ausführlicher geschrieben.

Fazit: Springer-Presse verdient an Hass – schlagt sie mit Fakten!

Mit diesem Fokus auf einzelne Personen und emotionaler Inszenierung von Streits will die Springer-Presse übrigens auch von anderen Versäumnissen rund um die Corona-Pandemie ablenken, von denen Rechte nicht so gern reden. Z.b. dass die Digitalisierung an unseren Schulen katastrophal ist, der Umgang mit psychischen Problemen noch sehr verbesserungswürdig, unser gewinnorientiertes Pflegesystem kurz vor dem Kollaps steht. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir nach wie vor ein massives Antisemitismus-Problem in unserer Gesellschaft haben und dass häusliche Gewalt in Shutdown-Phasen eskaliert.

Und auch, dass Schulen geschlossen wurden, aber Menschen sich so lange wie möglich auf Arbeit dem Infektionsrisiko aussetzen mussten, offenbar um nicht die Profite der Konzerne zu gefährden. Die Forderungen nach kritischen Debatten sind Heuchelei: Mit den Fake News, den verkürzten Narrativen und dem polarisierenden Hass machen sie jede sachliche Debatte über Corona-Maßnahmen unmöglich. Sie wollen nicht, dass wir diese Probleme angehen und beheben, denn das nimmt ihnen die Grundlage für den Hass, welcher ihr Gesellschaftsmodell ist.

Lasst euch nicht von der BILD manipulieren. Das Problem sind nicht Lauterbach oder Drosten oder die Wissenschaftler:innen. Die haben ihre Arbeit gemacht, die haben sicherlich auch Fehler gemacht, aber sie gehen in der Regel transparent damit um. Ganz im Gegensatz zu den Medien, die die Menschen mit extremen Schlagzeilen aufhetzen wollen. Das Problem ist eine einflussreiche ganze Verlagsgruppe, deren Geschäftsmodell aus dem Bedienen rechter, wissenschaftsfeindlicher Narrative besteht. Und damit auch eine Gefahr für demokratische Diskurse darstellt. Dessen sollte man sich immer bewusst sein. Denn selbst der Bundesgesundheitsminister kann in die Rechtfertigungsfalle der Springer-Presse geraten.

Artikelbild: Kay Nietfeld/dpa