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„Überraschung“: Junge Alternative nutzt buchstäblich Nazi-Rhetorik

von | Feb 13, 2023 | Aktuelles

Nein, worüber wir hier reden ist nicht etwa ein trotziges „Alle, die ich nicht mag sind Nazis“. Das, was die AfD-Jugend da nutzt ist buchstäblich Nazi-Ideologie. Die von 1939. Und zwar vom Staatsrechtler Carl Schmitt, der die Nürnberger Rassengesetze verteidigte. Die Junge Alternative weiß das. Doch auch nach über zwei Wochen ist der Post nicht gelöscht oder richtig gestellt. Die Begründung dahinter kann nicht allein in jugendlichem Trotz oder dem Wunsch, „edgy“ zu sein gesucht werden. Die Rechtsextremen versuchen, das Sagbare und damit den ganzen Diskurs nach Rechts zu verschieben.

Die Junge Alternative: Immer noch ein bisschen weiter rechts

Die AfD gibt es mittlerweile seit 10 Jahren. Das einzige Spektakuläre, was sie seitdem geliefert haben, ist der Beweis, dass es quasi kein Limit gibt, wie weit man nach rechts eskalieren kann. Anfangs war es noch ein Haufen an Marktradikalen und Euro-Kritiker:innen. Seit 2015/16 ging es dann unter dem Panik-Schlagwort „Flüchtlingskrise“ endgültig ab nach Rechtsaußen, der Einfluss des völkisch-nationalistischen Flügels wurde immer größer. Bernd Lucke, Frauke Petry, selbst Jörg Meuthen wurden den Rechten um die Faschisten Höcke und Andreas Kalbitz zu brav und sie bauten die Partei zu dem rechtsextremen Verdachtsfall um, als den sie mittlerweile selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht.

Schon von Anfang an gab es in der Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative, Überschneidungen mit der neurechten Identitären Bewegung und auch mit der NPD. Ähnlich wie die AfD selbst hat sich auch die Junge Alternative immer mehr in Richtung Extremismus entwickelt, wodurch gemäßigte Mitglieder austraten und die Verbliebenen sich immer weniger von extremen Gruppen wie der Identitären Bewegung abgrenzten. 2016 fand sich auf der Berliner Wahlliste der Junge-Alternative-Kandidat Jörg Sobolewski mit Verbindungen ins burschenschaftliche Millieu. Mehrfach gab es schon Auseinandersetzungen, da die AfD-Jugend zu schnell nach rechts eskalierte. Yep, die Junge Alternative wurde selbst der AfD zu schnell zu rechts. Im Januar 2019 erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Junge Alternative zum rechtsextremen Verdachtsfall. Viele Belege und Beispiele dafür, dass die Junge Alternative Bestrebungen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hegt, finden sich im entsprechenden Abschnitt des Gutachtens.

Diese Hintergründe sind wichtig, um die aktuelle Verfehlung einordnen zu können – nicht als Einzelfall, sondern als gezielte rhetorische Eskalation. Und auch, um zu verstehen, warum die rechtsextreme Jugendorganisation der AfD offensichtlich keine Hemmungen hat, Rhetorik aus der NS-Zeit zu pushen.

Junge Alternative hetzt mit Begriff der Nazizeit

Die Junge Alternative verbreitete öffentlich und ohne Reflektion die rechtsextreme Theorie der „raumfremden Mächte“. Das dokumentierten unter anderem KreuzAcht auf Twitter und die Rechercheplattform „IB Doku“ auf Mastodon. Man findet diesen Tweet vom 28.01. allerdings auch bis heute (Stand: 13.02.) noch auf dem Profil der „Jungen Alternative“:

Quelle: Screenshot twitter.com Bearbeitung: Volksverpetzer

Der Begriff „raumfremde Mächte“ wurde vom Staatsrechtler Carl Schmitt geprägt. Dieser war in der Weimarer Republik anfangs noch für seine Ideen auch in linken Kreisen geachtet, wurde dann jedoch zu einem fleißigen Verteidiger von Hitlers Rassegesetzen. Doch nicht nur wegen seines Hintergrundes ist die Aussage problematisch. Denn sie stammt aus seinem Werk „Völkerrechtliche Großraumordnung: Mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte“. Erstveröffentlichung: 1939. Also während seiner Zeit als eifriger Verfechter der Naziherrschaft. Zufällig ist sicherlich auch nicht die Nähe zur nationalsozialistischen „Blut und Boden“-Ideologie.

Damit sollte demnach besonders kritisch umgegangen werden, egal wie anerkannt Schmitt vorher gewesen sein mag oder wie sehr geläutert danach (Übrigens: auch 1947 sprach er noch von den assimilierten Juden als „wahrem Feind“). Seine Freund-Feind-Theorie liefert sicherlich interessante Ansätze, um postdemokratische Systeme und Dynamiken wie Corona-Verschwörungsymthen zu verstehen. Selbst dann muss aber ein differenzierter Umgang mit Schmitts Aussagen möglich sein.

Das alles hält offensichtlich die Junge Alternative nicht davon ab, genau dieses nationalsozialistische Gedankengut von 1939 auf Social Media zu reproduzieren. Auf Unwissenheit können sie sich dabei nicht mehr berufen, denn in den Kommentaren wurden sie längst darüber aufgeklärt, woher die Phrase „raumfremde Macht“ kommt. Man muss also davon ausgehen, dass sie diese Gemeinsamkeit mit einem Nazi-Staatsrechtler und mit Hitlers Rhetorik mindestens stillschweigend akzeptieren.

Quelle: Screenshot twitter.com Anonymisierung: Volksverpetzer

Twitter lässt Junge Alternative-Hetze auch nach Meldung stehen

Auch wenn es hier eigentlich nicht um Twitter geht, müssen wir aber doch noch einmal über die Plattform reden. Nicht, dass man Volksverpetzer vorwerfen könnte, zu wenig über Twitter zu reden. Seit Elon Musks Twitter-Übernahme haben wir immer wieder kritisch berichtet, wie kritische Stimmen von der Plattform entfernt werden, wie der neue Twitter-Besitzer von seiner eigenen Seite einen Faktencheck erhielt oder wie extrem rechte Propaganda auf Twitter die Oberhand gewann. Und natürlich liegt die Schuld für die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut primär bei denen, die solche Inhalte verfassen und auf ihren Kanälen posten.

Dennoch ist auch der Umgang von Twitter mit extremer Propaganda ein entscheidender Teil des Problems. Es ist mittlerweile mehr als zwei Wochen her und der Post der Jungen Alternative ist nach wie vor ohne kritische Einordnung online. Die entsprechende Aufklärung in den Drukos gibt es, auch gemeldet wurde der Tweet schon mehrfach. Da es sich hier immerhin um die Nachwuchsorganisation einer Partei im Bundestag handelt, könnte man schon erwarten, dass Twitter hier etwas genauer hinschaut, als bei irgendwelchen Spam-Accounts. Aber Elon Musk ist halt mehr damit beschäftigt, die Leute zu feuern, die es wagen ihm zu sagen, dass er vielleicht nicht ganz so beliebt ist, wie er dachte.

Fazit: Verrohung und Verschiebung des Diskurses von Rechts

Man könnte natürlich sagen: Warum regt ihr euch so darüber auf? Die Junge Alternative macht das doch nur, um zu provozieren, gebt ihnen nicht diese Genugtuung! Und ja, dass die AfD-Jugend von einem Rechtsextremisten geführt wird, berichteten wir schon im vergangenen Jahr. Das sind keine krassen Neuigkeiten. Sollten wir also auf die AfD einfach das Konzept „Critical Ignoring“ anwenden und sie komplett ignorieren, bis sie wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden? Man könnte glauben, dass das ein sinnvoller Umgang ist.

Leider ist das aber nur ein Teil der Wahrheit: Rechtsextreme Parteien wie die AfD sorgen dafür, dass menschenfeindliche Positionen vertretbar, Hass und Hetze salonfähig werden. Nicht haltbares rechtes Gedankengut wie das vom „Sozialtourismus“ ist mittlerweile vom NPD-Wahlslogan bis zum CDU-Parteivorsitzenden vorgedrungen. Bei einem hat die AfD Recht: Sie wirkt. Wenn auch nicht auf die gute Art und Weise. Diskurse werden nach Rechts verschoben, hart erarbeiteter demokratischer Konsens wie die Gleichberechtigung der Geschlechter, Klimaschutz, Antifaschismus oder das Grundrecht auf Asyl wirken dadurch auf einmal wie explizit linke Themen. Diese Verrohung des Diskurses ist ein „Erfolg“ der AfD, mit dem wir sie nicht davon kommen lassen dürfen. Deswegen schreiben wir immer wieder darüber.

Artikelbild: Everett Collection