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Merz-Rechtsruck geht nach hinten los: AfD rauf, CDU runter

von | Aug 3, 2023 | Aktuelles

Der derzeitige CDU-Chef Friedrich Merz wird derzeit heftig kritisiert für seinen umstrittenen Kurs, besonders auch aus seiner eigenen Partei. Während viele sich eine sachorientierte und konstruktive Opposition von der Union wünschen, während die Ampel sich intern streitet, versucht der Merz-Flügel einen Rechtskurs der Konservativen. Das beinhaltet, vornehmlich die Grünen (als „Hauptgegner“) zu attackieren – wie die AfD, Geflüchtete und Migranten zu attackieren („Sozialtouristen“, „Paschas“) – wie die AfD, dementsprechend auch Desinformation zu verbreiten – wie die AfD und eine Zusammenarbeit mit der AfD zumindest auf Kommunalebene zu relativieren.

Merz unbeliebt – auch in der CDU

Damit scheint er überhaupt keinen Erfolg zu haben, weder er persönlich, noch die CDU. Merz ist einer der unbeliebtesten Spitzen-Politiker:innenauch unter CDU-Wähler:innen! Eine ähnliche Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa weist sogar darauf hin, dass gerade mal nur 26 Prozent mit Merz‘ Arbeit zufrieden sind, während 65 Prozent es nicht sind. Damit ist Merz als Oppositionsführer sogar unbeliebter als Kanzler Olaf Scholz.

Bereits im Juni gab zudem eine Umfrage von INSA, die die Bild am Sonntag in Auftrag gegeben hatte, Aufschluss über Merz‘ Standing bei CDU-Wähler:innen. Auch diese sind nicht gerade zufrieden mit dem CDU-Chef. Lediglich 34 Prozent glauben, dass er seinen Job gut macht. Damit liegt Merz hinter Partei-Kollegen wie Markus Söder mit 45 Prozent oder Hendrik Wüst mit 39 Prozent. Im NRW-Trend vom Juni ist Hendrik Wüst der beliebteste hypothetische CDU-Kanzlerkandidat – sowohl auf das gesamte Bundesland als auch auf CDU-Anhänger:innen gerechnet.

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Seine jüngste Bereitschaft zur kommunalen Kooperation mit der AfD und erneute Annäherung an die Rechtsextremen sorgte auch für eine ungewöhnliche Empörung aus der eigenen Partei. Sehr viele Stimmen protestierten deutlich. Manche sprechen schon davon, dass ein Führungs- und Richtungsstreit in der Partei entbrennt.

Auch in Hinblick auf das Kanzleramt trauen viele CDU-Wähler:innen Merz nicht zu, es mit Olaf Scholz aufzunehmen. Während Söder Scholz in den Umfragen mit 31 zu 30 Prozent übertraf, wäre Merz dem amtierenden Kanzler mit 16 zu 25 Prozent unterlegen.

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CDU verliert in Umfragen, die AfD legt zu

Auch der Beliebtheit der CDU ist der Merz-Rechtsruck nicht zuträglich, wie sich auch offenbar in den ersten Umfragen niederschlägt. Während die CDU zunächst bereits fast unmittelbar nach Regierungsantritt der Ampel auf je nach Umfrage 25-27 % zulegte, führten die Krisen, die Konsequenzen der deutschen Abhängigkeit von russischem Gas und die Preissteigerungen und Sorgen im Winter 2022/23 zu einem Anstieg auf knapp 30 % für die Union im Frühjahr 2023. Bis Anfang Mai kletterte die Union in Umfragen je nach Umfrage auch bis auf 28 – 31 %. Für die Umfrageinstitute wie Kantar & Co. sieht es oft ähnlich aus, am deutlichsten zeigt es sich in Forsa-Umfragen: Während vor knapp 2 Monaten die Union bei 30 % stand und die AfD bei 17 % …

… folgte nach einem Infragestellen des Menschenrechts Asyl, CDU-Generalsekretär Linnemanns Schnellverfahren (begleitet von Fake News), „Alternative mit Substanz“, Merz‘ Sommerinterview und „Hauptgegner Grün“ ein Absturz der Union auf inzwischen 25 %. Die AfD legt übrigens im gleichen Maße zu und erreicht Rekordwerte von 21 %.

Allein von den Momentaufnahmen eine direkte Korrelation zu schließen ist schwierig, jedoch dürften alternative Erklärungen schwer zu finden sein. Die Probleme, die interne Streits der Ampel verursacht haben, die Unbeliebtheit der FDP und auch BILDDesinformationskampagnen sind ja nichts Neues der letzten zwei Monate und haben sich bereits ausgewirkt. Dafür, dass der Rechtsruck durch Merz der CDU auf Kosten der AfD schadet, spricht auch die Forschung.

Grafik von Katapult vom 28. Juni

Wissenschaft sagt: vom Rechtspopulismus profitiert nur die AfD

Schließlich zeigen Studien regelmäßig, dass rechtsradikale Positionen in konservativen Parteien nicht dafür sorgen, rechte Wähler für sie zu gewinnen. Stattdessen wandern CDU-Wähler an rechtsextreme Parteien ab, deren Standpunkte plötzlich viel salonfähiger klingen. In den meisten Fällen ist es die CDU, die mit der AfD kooperiert.

Das sagt auch der Forsa-Chef Peter Matuschek. Er erklärt, die AfD habe immer davon profitiert, wenn man ihr Aufmerksamkeit schenkt. Das machen Merz und seine Leute in der CDU. „Das schwächt die CDU und hilft der AfD“.

„Die Diskussion, die durch Friedrich Merz angestoßen wurde, hat mindestens dazu geführt, dass die Haltung der CDU in dieser Frage als unklar wahrgenommen wird. Aus vielen früheren Wahlen wissen wir, dass rechte Parteien gestärkt werden, wenn die anderen Parteien eine ambivalente Haltung zu ihr einnehmen oder wenn sie versuchen, sich sprachlich oder inhaltlich an sie anzunähern. Das ist aber das, was im Moment passiert, wenn ausdrücklich als Reaktion auf die guten Werte der AfD in den Umfragen aus den Reihen der CDU Forderungen wie die nach einer Abschaffung des Asylrechts oder nach Schnellverfahren gegen Gewalttäter in Schwimmbädern erhoben werden.“

Forsa Chef Matuschek

Die AfD besetzt gezielt politische Konfliktlinien, die von der Union im Laufe der Merkel-Regierung aufgeweicht wurden (Ruhose, Fedor 2020 & Baron, Daniel & Görtz, Antonia 2022). Zum Beispiel bei der Landtagswahl in Niedersachsen sah man: Die CDU ihre meisten Wähler an die AfD verloren. Eine Annäherung, wie sie Merz offenbar versucht, ist aber der falsche Weg. Der Populismusbarometer 2020 ergab, dass mit 71 % die Mehrheit der Wähler:innen die AfD und ihre Inhalte ablehnt. Parteien, die sich ihnen annähern, riskieren folglich, mehr Wähler:innen zu verlieren, als sie damit überhaupt gewinnen können. Das könnte derzeit live bewiesen werden.

Reden wie die rechten macht sie stark

Wie eine Studie zu Annäherungsstrategien zeigt, ist es nicht nur nicht effektiv, wenn sich Mainstreamparteien rechtsradikalen Positionen annähern, es bewirkt auch noch das Gegenteil: Anbiederungsstrategien machen rechte Parteien stärker. Auch die CDU in Baden-Württemberg machte 1992 ähnliche Erfahrungen, als sie sich der Flüchtlingspolitik der Republikaner annäherte und letztere mit 10 % den größten Erfolg seit Jahrzehnten erzielte. Ähnliches wurde bei Hans-Georg Maaßens Strategie in der Thüringer Landtagswahl 2021 sichtbar. Maaßen gibt regelmäßig Interviews für rechtsradikale und rechtsextreme Medien und verwendet antisemitisch kodierte Begriffe sowie Verschwörungsmythen. Dennoch wurde in Maaßens Wahlkreis die AfD nicht geschwächt. Im Gegenteil sogar: sie gewann 3,4 Prozentpunkte und wurde stärkste Kraft. Dies war der größte Zuwachs in ganz Thüringen, während es in anderen Wahlkreisen mit gemäßigteren Kandidaten weniger Zuwachs oder gar Verluste für die AfD gab.

Auch der Populismusbarometer 2018 warnte bereits die CDU: „Durch mehr Populismus würde sie ihren Markenkern als stärkste politische Kraft der unpopulistischen bürgerlichen Mitte preisgeben, ohne dadurch den an die AfD verlorenen rechtspopulistischen Rand wieder zurückzugewinnen. Sie liefe Gefahr, ihren unpopulistisch-bürgerlichen Markenkern an die Grünen zu verlieren.“

Fazit: Merz macht die AfD stark

Was Experten und Expertinnen seit Monaten und Jahren vorhersagen, macht Merz offenbar zur Realität: Rechtspopulismus, rechte Feindbilder und Desinformation sind das Markenzeichen der AfD, nicht der CDU. Wenn die CDU versucht, zur AfD light zu werden – oder eben „mit Substanz“, dann signalisiert sie vielen Wählerinnern und Wählern, dass es in Ordnung ist, diese rechtsextreme Partei zu wählen und dass diese mit ihren Hass und Lügen richtig liegen muss. Das gefährdet nicht nur unsere Demokratie – das hilft der Union auch nicht. Dabei brauchen wir eine konstruktive Opposition und Konservative, die den extremen Rechten die Grenzen aufweisen.

Artikelbild: photocosmos1