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Abrechnung mit den TOP 12 „Gegenargumenten“ in der Klimadebatte

von | Dez 2, 2019 | Aktuelles, Analyse, Umwelt/Klima

Argumente und Fakten für die Klimadebatte

Die Klimadebatte dreht sich nach wie vor im Kreis. Jede Partei hat andere Ansichten, wie man den Klimaschutz angehen sollte, die Wissenschaftler*innen raufen sich weiterhin die Haare, weil keine dieser Ansichten das Klima auch nur ansatzweise retten wird. Und dann gibt es da noch die AfD, die wertvolle Ressourcen (Zeit, Energie, Geld) bindet, indem sie einfach blindlinks den menschengemachten Klimawandel leugnet. Ein Hauptgrund dafür, dass die Debatte sich im Kreis dreht, sind die zahllosen Argumente der Klimagegner, die zwar an sich alle schon widerlegt sind, aber allein in Anbetracht ihrer gewaltigen Menge so unüberwindbar sind, dass sie viele Debatten um den Umweltschutz hemmen.

Hier deswegen eine gesammelte Abrechnung mit 12 der häufigsten Argumente, die man sich am Stammtisch, in den sozialen Netzwerken oder sogar im Bundestag anhören muss, der Übersichtlichkeit halber aufgeteilt in 5 Gruppen:



Gruppe 1 – Allgemeines Leugnen des menschengemachten Klimawandels

1. „Es gibt keinen Klimawandel“

Das, was für Computerspiele „Pong“ ist, ist dieses Argument für die Klimadebatte. Keiner benutzt es mehr öffentlich, doch irgendwie ist es schon die Grundlage der ganzen Klimaleugnerbewegung.

Der Grund dafür, dass die meisten Klimaleugner dieses Argument nicht mehr verwenden ist, dass es so schlecht in die Verschwörungstheorien dieser Gruppe passt. Denn dass das Klima sich prinzipiell wandelt, das ist sehr einfach nachzuweisen.

Falls doch jemand immer noch daran glaubt, dass das Klima sich nicht wandele, dann liegt das im Normalfall daran, dass er den Unterschied zwischen Wetter (das, was sich jeden Tag verändert) und Klima (langfristiger „Durchschnitt des Wetters“, jeweils stark vereinfacht formuliert) nicht versteht. Dadurch entstehen dann solche Posts wie dieser hier vom Präsidenten Donald Trump:

Quelle: twitter.com

Ein Beispiel:

Nein, 1975 gab es keine Rekordhitze von 40°C!

2.  Der Klimawandel wird nicht vom Menschen beeinflusst

Auf dieser Stufe befindet sich der Mainstream der Klimawandel-Leugner momentan. Der zu beobachtende Klimawandel sei ganz natürlicher Art und keineswegs vom Menschen beeinflusst heißt es da. Auch von der AfD wird dieses Narrativ getragen:

19 Belege, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel leugnet.

Doch auch das ist falsch. Es gibt einen direkten menschlichen Einfluss auf den Klimawandel. Dazu könnte man wiederum eigene Artikel verfassen, doch hier finden sich alle Artikel, die zu diesem Thema bereits auf volksverpetzer.de erschienen sind. Der Konsens der Wissenschaft liegt übrigens, was den menschengemachten Klimawandel angeht, mittlerweile bei 100% (siehe hier).

Die „Argumente „, die unter die Gruppe „stumpfes Leugnen des menschengemachten Klimawandels“ fallen, haben wir aber natürlich schon ausführlich durchgekaut. Wir wollen deswegen jetzt einige andere Gebiete beleuchten.

Gruppe 2 – Naivität und mangelndes Wissen

3. „Ein paar Grad mehr oder weniger können doch nicht wirklich so einen hohen Unterschied ausmachen oder?“

Solche Aussagen, zusammen mit jenen, die einen scheinbar unendlich geringen Prozentsatz ausrechnen, den wir angeblich an CO2 in die Luft stoßen, sind nicht unbedingt immer mit dem aktiven Leugnen des Klimawandels verbunden. Hier liegt das Problem tatsächlich oft darin, dass die Menschen mangelndes Wissen bzw. nicht genug Vorstellungskraft haben, den Klimawandel zu verstehen.

Das Hauptproblem dabei ist, dass tatsächlich für uns minimale Veränderungen von einem bis wenigen Grad Einfluss auf Kippelemente nehmen können. Was genau diese Kippelemente sind und wann wir sie erreichen, wird in diesem Artikel sehr informativ dargestellt.

Wer einen einfacheren Vergleich zur Veranschaulichung des Einflusses kleiner Veränderungen oder Mengen benötigt, kann sich von diesem Beispiel inspirieren lassen: Das Gift Arsen kann den Menschen bereits bei einer Dosis von 60-170 Milligramm umbringen – ein unvorstellbar kleiner Wert, aber mit großer Wirkung (siehe hier).

Wir können feststellen: Auch wenn es für den Menschen kaum zu glauben scheint, doch schon leichte Erwärmung um wenige Grad kann das ganze System buchstäblich ins Kippen bringen.

4. „Innovationen werden uns schon retten“

Dieses Argument ist besonders gefährlich. Denn während gerade die Argumente aus Gruppe 1 außerhalb der Kreise von AfD und Co. selten Gehör finden, gilt das „Innovationen“-Argument gerade als „hip“. Es wird zwar auch von Rechtspopulisten vertreten, doch seine große Beliebtheit verdankt es Parteien wie FDP und CDU, deren Inhalte als politische „Mitte“ gelten.

So leugnen Politiker*innen dieser Parteien nicht, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt und zweifeln auch nicht an, dass dieser ein enormes Problem werden könnte. Doch bisher habe der Mensch es doch immer geschafft, seinen erfindungsreichen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Warum nicht auch diesmal? So oder so ähnlich lautet das Mantra. Schöner Nebeneffekt: Man kann sich schön großspurig-herablassend über den „Alarmismus“ der Klimabewegung echauffieren und steht gleichzeitig wie der/die rationale, allwissende Volkspolitiker*in da.

Doch: Diese Lösung ist nicht rational. Eigentlich nicht mal auf den ersten Blick. Denn: Einfach zu hoffen, „das wird schon irgendwie“ ist alles andere als rational. Sonst wird so gerne mit Planungssicherheit und ähnlichem argumentiert – hier glaubt man auf einmal ganz naiv und blauäugig daran, dass das schon „irgendwie“ werden wird. Das dürften sich Politiker, die unsere Zukunft in ihren Händen halten, eigentlich nicht leisten.
Genauer analysiert hat ein Gastautor das Thema hier:

Warum naives Hoffen auf „Innovation“ das Klima nicht retten wird

Gruppe 3 – Argumente ad hominem

Diese Argumente lenken oftmals von der eigenen Debatte ab – bewusst oder unbewusst. Sie sind auf den ersten Blick nicht ganz so elementar für die Debatte, doch ein genaueres Hinsehen offenbart: Argumente ad hominem sind die wahren Killer der Klimadebatte. Denn sie sorgen dafür, dass wir über einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen reden, statt über das eigentliche Problem.

Hier zwei Klassiker:

5. Argumente rund um Greta Thunberg

Greta Thunberg ist das Gesicht der Klimabewegung. Mit ihrem Freitag-Streik, der vor über einem Jahr vor dem schwedischen Parlamentsgebäude begann, hat sie einen neuen Stil des Protests geprägt: Kinder und Jugendliche, die systematisch die Schule schwänzen um für ihre Zukunft zu kämpfen. Damit haben sie nahezu alles auf den Kopf gestellt, diese Form des Protest war nicht vorgesehen.

Wie reagiert das Establishment darauf? Einige erkennen tatsächlich, dass man etwas tun muss. Politiker*innen übernehmen grüne Themen in ihre Programme, in den Medien werden Vertreter*innen von FridaysForFuture eingeladen. Doch viele Politiker*innen sind auch zu arrogant, zu wenig flexibel oder einfach zu besorgt um ihre „alte“ Wählerschaft. Deswegen gehen sie eine andere Taktik an: Sie versuchen es mit aktiver Hetze gegen die „Anführerin“ der FFF-Bewegung, Greta Thunberg.

Erwachsene Männer poltern auf Twitter gegen ein 16-jähriges Mädchen, vermeintlich seriöse Politiker*innen lassen sich zu peinlichen Äußerungen gegenüber Greta herab, ungeachtet der Tatsache, dass sie nur eine junge Frau ist. Auch das ist leider ein Teil der Klimadebatte.

Die schlechtesten Aussagen zu diesem Thema:

  • „Greta soll doch erst einmal in die Schule gehen“ – das wird sie. Greta Thunberg hat die 9-jährige Grundschule in Schweden dieses Jahr (trotz wöchentlichem Schulstreik!) mit Bestnoten bestanden (Quelle). Für das Schuljahr 2019/20 legte sie ein „Gap Year“ ein. Das ist keineswegs radikal oder skandalös – das ist in Schweden nicht mal ein Problem, denn die Schulpflicht beträgt nur 9 Jahre. Außerdem wird sie ab nächstem Jahr aller Voraussicht nach ein Gymnasium besuchen (Mehr dazu).
  • Da sie Reden in ihrer Zweitsprache vor einem Millionenpublikum hält und sich selbstständig durch wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Klimawandel arbeitet (siehe hier), wirkt dieses Argument umso lächerlicher. Wer es verwendet, sucht einfach nur ein Argument ad hominem, um Greta zu diffamieren (Mehr dazu).
  • „Greta wird von ihren Eltern/dubiosen Unternehmen/Sonstigen kontrolliert“ – nein, das stimmt schlicht nicht. Natürlich hat Greta Hilfe von Wissenschaftlern, wenn es darum geht, Fakten zum Klimawandel zu analysieren. Und natürlich gibt es Leute, die sie unterstützen, ihr auf verschiedensten Ebenen zu helfen. Und das ist völlig normal! Alle Politiker des Bundestags haben massig Mitarbeiter, die ihnen bei der Organisation und auch bei der Ausführung ihrer Arbeit helfen. Von einer 16-Jährigen zu erwarten, all das allein zu schaffen, ist schon fast absurd. Unter anderem hier haben wir bereits über vergleichbare Vorwürfe berichtet. Auch den „Drehbuch“-Vorwurf haben wir bereits widerlegt (siehe hier).
  • „Gretas Mutter ist Alkoholikerin“ – dieses Argument, oft verbunden mit einer Andeutung, dass Greta deswegen „geistig krank“ sei, tritt zwar nicht sehr häufig auf, ist aber umso absurder. Hier wurde es von uns widerlegt.

6. Argumente gegen FridaysForFuture im Allgemeinen

Diese Argumente in der Klimadebatte überschneiden sich oft mit denen, die sich auf Greta beziehen. „Ihr solltet mal in die Schule gehen“ musste sich wohl jeder schon mal anhören, der sich als „FFF-ler“ geoutet hat. Besonders unglücklich wirkt allerdings dieser Tweet von Christian Lindner (FDP):

Christian Lindner forderte, Politik (vor allem Klimapolitik) den „Profis“ zu überlassen. Damit zeigt er, wie wenig er sich mit FFF eigentlich auseinandergesetzt hat: Denn eine zentrale Forderung, die die Kids in der ganzen Welt verbindet, ist nichts weiter, als endlich auf die „Profis“, also die Klimaforscher zu hören. Nachdem das jetzt klar ist, vielleicht sehen wir dann Lindner demnächst bei FridaysForFuture? Zumindest so schöne Abreibungen, wie er hier von David Hasselhoff kassiert, verdient er sich mit seiner seltsam opportunistischen Haltung definitiv.

FridaysForFuture: David Hasselhof unterbricht Lindner bei Lanz für eine Standpauke

„Lieber am Wochenende demonstrieren!“

Ein weiterer Komplex an Gegenargumenten ist der „sie sollten lieber am Wochenende/in den Ferien/nach der Schule“ demonstrieren. Klingt erstmal logisch, aber: Wenn das von Anfang an so geschehen wäre, hätte es niemals diese große Aufmerksamkeit für das Klima und die Klimadebatte gegeben. Klar, für viele ist die Schule heilig und sie rennen verzweifelt im Kreis, wenn Schüler dieses Heiligtum missachten. Aber eigentlich zeigt das ja umso mehr, wie wichtig das Anliegen ist. Außerdem: Es wurde auch am Wochenende und den Ferien demonstriert.

Was vielen wahrscheinlich gar nicht bewusst ist: Es wäre für uns Kinder und Jugendliche wesentlich entspannter, ein paar Stunden in der letzten Reihe in Schule oder Uni zu hocken, als bei Wind und Wetter durch die Straßen zu ziehen und uns auch noch dafür vollmotzen zu lassen. Und den Stoff müssen wir eh in unserer Freizeit nachholen. Ganz abgesehen davon wirkt es wahnsinnig heuchlerisch, wenn man hier einen Riesenaufschrei macht, während schon seit Jahren wegen Lehrermangel zum Teil ganze Schuljahre an Unterricht ausfallen, worüber es höchstens individuelle Beschwerden, aber keinen gesellschaftlichen Shitstorm in dem Maße gab. Achja: Der Vorwurf, dass Fridays For Future alles vermüllen haben wir auch hier widerlegt:

Skandal! FridaysForFuture-Schüler vermüllen Augsburger Innenstadt!

Gruppe 4 – Whataboutismen

Ebenso wie die „ad hominem“-Argumente eignen sich Whataboutismen ideal dafür, sich der gesellschaftlichen wie individuellen Schuld zu entziehen und lieber mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ein „Whataboutismus“ ist dabei das, was der Name suggeriert: Ein Argument, das mit „What about…“ beginnt (also „Ja, aber was ist damit“). Und einfach nur vom Thema ablenkt. Hier ein paar Beispiele in der Klimadebatte:

7. „CO2 ist doch gut für die Pflanzen?“

Sehr beliebtes Argument bei den Zynikern der AfD, die glauben, mit so einem plumpen Spruch einen „Alarmismus“ und eine „Hysterie“ in der Klimadebatte zu enttarnen. Fakt ist: Aus dem Kontext gerissen stimmt es. Die Pflanzen benötigen CO2 für die Photosynthese und für ihr Wachstum. Aber: Allein von CO2 kann keine Pflanze leben. Besonders regelmäßige Wasserzufuhr ist von immenser Bedeutung für die Pflanze. Und durch den Klimawandel ist genau das in Gefahr:

Das Wetter wird extremer, es regnet weniger und vor allem heftiger innerhalb kurzer Zeit, sodass lange Trockenzeiten nur von kurzen, schweren Regengüssen unterbrochen werden. Der Boden ist dann allerdings schon so trocken und rissig, dass er das Wasser nicht mehr ordentlich aufnehmen kann. Die Pflanzen haben weniger davon. Diesen Aspekt des Klimawandels bemerken vor allem Landwirte in den letzten Jahren: Enorme Ernteausfälle bedrohen deren Existenz und können mittelfristig auch für die Lebensmittelversorgung ein ernstes Problem werden.

CO2 & Pflanzenwachstum: So schlecht ist zu viel CO2 für unser Essen



8. „Warum redet eigentlich niemand mehr über das Ozonloch?“

Die Implikation hinter dieser Aussage: Auch über das Ozonloch sei damals falscher Alarmismus betrieben worden und es war eigentlich gar nicht so schlimm. Deswegen sei es aus der Debatte verschwunden. Dasselbe versuche man jetzt bei der Klimadebatte.

Fakt ist: Das Ozonloch haben wir tatsächlich ganz gut in den Griff gekriegt. Das liegt aber nicht daran, dass es überschätzt wurde – sondern vielmehr daran, dass es damals keine AfD und Co. (und einflussreiche Lobbys) gab, die sich in derart großem Stil der Bekämpfung des Ozonlochs in den Weg gestellt haben. Stattdessen wurden verhältnismäßig zügig Verbote für FCKW, die Hauptverursacher des Ozonlochs, in allen Ländern der Erde durchgesetzt. Dies führte dazu, dass das Ozonloch sich tatsächlich nicht weiter ausdehnte und die Gefahr zumindest vorerst eingedämmt wurde (mehr dazu hier).

Da sieht man mal, wie es funktionieren kann, wenn man auf die Wissenschaftler hört und gemeinsam für die Menschheit arbeitet. Wenn es im Jahr 2019 auch so laufen würde, dann könnte man sich Artikel wie diesen hier sparen.

9. Aber die Arbeitsplätze?!

Ein echtes Totschlagargument: Angeblich würde die „grüne Diktatur“ die Arbeitsplätze Zehntausender in der Kohleindustrie zerstören. Dieses Argument ist deshalb so beliebt, weil es sich irgendwie logisch und richtig anfühlt. Deswegen hier mal ein paar Zahlen: In einer Studie mit dem Titel „Beschäftigungsentwicklung in der Braunkohleindustrie: Status quo und Projektion“ aus dem Jahre 2018 untersuchten die Autor*innen, wie schlimm der Kohleausstieg sich auf die Arbeitsplätze der Branche auswirkt. Dabei heißt es im Abstract:

Die hier vorgelegten Analysen zur Altersstruktur der Beschäftigten im Braunkohlenbergbau zeigen, dass der anstehende Strukturwandel bei den aktuell Beschäftigten weitgehend entlang der natürlichen Altersgrenzen vollzogen werden kann […] Zu betriebsbedingten Kündigungen kommt es nur in dem Maße, in dem künftig Neueinstellungen erfolgen. Bereits unter bisherigen Rahmenbedingungen (Referenz) geht die Zahl der Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie deutlich zurück, ohne dass zusätzliche Klimaschutzanstrengungen ergriffen werden.

Quelle

Also: Die Entlassungen treffen insgesamt vor allem Leute, die ohnehin in Rente gehen. Des weiteren sind Entlassungen in der Braunkohleindustrie ohnehin schon seit langem an der Tagesordnung – ohne, dass das Klima einen Einfluss darauf hätte.

Falls die Heuchelei beim „Arbeitsplätze“-Argument noch angezweifelt wird, hier noch ein weiterer Beleg. Die Linkspartei hatte im Bundestag in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gefragt, wie viele Arbeitsplätze bei der Windenergie seit 2017 abgebaut worden seien. Dies konnte die Bundesregierung nicht beantworten, doch dafür veröffentlichte sie die Beschäftigungszahlen in der Windenergie die ganz klar zeigen: Es gibt einen Rückgang in Arbeitsplätzen, seitdem auch unter anderem der Neubau von Windrädern ins Stocken gerät:

Weiterhin bestätigte unter anderem auch eine von IG Metall beauftragte Erhebung, dass in den letzte Jahren viele Arbeitsplätze in den Erneuerbaren verloren gegangen sind (siehe hier). Auch das Arbeitsplätze-Argument ist also sehr fadenscheinig und wird, wie so oft, äußerst einseitig ausgelegt.

10. „Die Grünen/Linken/FFF/Greta… leben ja auch nicht komplett CO2-neutral!!“

Stimmt. Das tun sie nicht. Genauso, wie die CDU sich nicht immer an die 10 Gebote hält. So what? Aber ganz ehrlich: Dieses Argument ist nicht nur sehr schwach. Eigentlich ist es nämlich ein totaler Boomerang (pun intended). Denn indem man kritisiert, dass z.B. Grüne Abgeordnete zu viel fliegen oder FFF-Kids Plastik verbrauchen, erkennt man damit ja letztendlich an, dass wir wirklich etwas gegen all das tun müssen. Klar, man tut immer so, als würde man Heuchelei aufdecken. Aber ist man selbst nicht der Heuchler, wenn man ein Argument, dessen Validität man sonst konsequent verleugnet, auf einmal aufgreift, wenn es gegen den politischen Gegner geht?

Fakt ist: In unserer Gesellschaft kommt man gar nicht umhin, an irgendeinem Punkt klimaschädliches Verhalten an den Tag zu legen. Egal, ob FFF oder nicht. Deswegen unterstützt es ja eher die Aussage der Klimabewegung, wenn man solches „Fehlverhalten“ (das eigentlich keines ist) aufzählt. Denn genau dagegen protestieren sie ja. Auch wenn es eigentlich nur ein offensichtlicher Versuch ist, vom Thema abzulenken. Und ganz abgesehen davon: Wenn jeder sein eigenes Verhalten so krass auf Umweltverschmutzung absuchen würde, wie er es bei Greta tut, die vegan lebt oder den Atlantik mit Segelboot überquert, dann würde das vermutlich schon einen erheblichen Teil des Problems lösen.

Skandal! Luisa Neubauer von FridaysForFuture schon mal Flugzeug geflogen!

Gruppe 5 – Sonstige Argumente/indirekte Argumente

Auch hier gibt es wieder Tausende Beispiele, die genutzt werden, um von der Klimadebatte abzulenken oder gar eine „Heuchelei“ aufzudecken. Deswegen nur zwei weitere Beispiele:

11. „Windräder töten Tiere!!“

Dieses Argument ist sehr traurig, drückt es doch das dringende Bedürfnis der sogenannten „Klimagegner“ aus, es immer ein bisschen besser zu wissen als alle anderen. Wenn man triumphierend Bilder von grauenvoll geschredderten Störchen vorzeigen kann oder zumindest mit einer Statistik „glänzt“, die zeigt, wie viele Tiere von Windrädern getötet werden, dann glaubt man, den endgültigen Plottwist in der Debatte geschaffen zu haben. Doch das ist gleich auf mehreren Ebenen falsch.

Erst einmal muss man feststellen, dass die Rechnung noch nicht abgeschlossen ist. Würde man auf Windräder verzichten, würden zwar so und so viele Tiere nicht an den Rädern sterben. Doch dann würden wir den Klimawandel wohl kaum aufhalten können und an den Spätfolgen würden sehr viel mehr Tiere zugrunde gehen.  Ist die Tierliebe nicht nur geheuchelt, so müsste man sich also eigentlich eher für die Windräder einsetzen.

Die gleichen Leute, die dieses seltsame Argument bringen, sind oft auch die, die ihre Freiheit auf der Autobahn verteidigen wollen und deren ganzer Stolz die fette Protzer-Karre ist. Zu doof, dass auch Autos regelmäßig zu Killern werden: Allein 200.000+ Rehe sterben pro Jahr in Zusammenstößen mit Autos (Quelle). Seltsamerweise hört man aus den Kreisen, die Windräder als „Killer“ bezeichnen fast nie, dass Autos „Killer“ seien. Wie inkonsequent.

Die Spitze des Zynismus findet sich im Alltag von jedermann: Während nämlich Windräder 100.000-200.000 Vögeln im Jahr das Leben kosten, sterben europaweit an Glasscheiben 240.000. Pro Tag (Quelle). Man kann ja mal darüber nachdenken, wer jetzt hier heuchelt. Fakt ist: Viele Vögel- und Insektenarten können wir sowieso nur retten, wenn wir den Klimawandel bremsen. Im Vergleich zu dieser gewaltigen Herausforderung sind alle Diskussionen über tote Tiere an Windrädern, Autos oder Glasscheiben sowieso lächerlich.



12. „Eine Geschwindigkeitsbegrenzung nimmt mir meine Freiheit!“

Oft gepaart mit irgendeiner Statistik, laut der auf einem Teilabschnitt einer Autobahn in Brandenburg nach einer Tempobegrenzung mehr Unfälle entstünden.

Erstmal ein Wort zur „Freiheit“: Es wird ja immer mit vorgetäuschtem Galgenhumor so getan, als wäre das Rasen das letzte Gebiet, wo uns die „böse Regierung“ noch nicht komplett eingeschränkt hat. Das ist Humbug in einem Land, wo es Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Religionsfreiheit gibt, wo wir regelmäßige, demokratische Wahlen haben etc. etc. Hier berichten wir darüber, wie ein AfDler ausgekontert wird, nachdem er sich über die angeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit beschwert:

Gut gekontert: So cool erklärt Merkel einem AfD-Politiker Meinungsfreiheit – Video

Zurück zur Autobahn

Bei allen anderen Themen im Zusammenhang mit der Klimadebatte heißt es ja von der „Klimaskeptiker“-Szene, wir könnten ja nicht alles alleine machen und die anderen Länder müssten auch mitziehen. Beim Thema Geschwindigkeitsbegrenzung wird dieser Blick zu den Nachbarn nicht mehr gewagt. Warum denn das? Etwa, weil wir dann herausfinden würden, dass fast alle anderen Länder mittlerweile eine Geschwindigkeitsbegrenzung haben und wir je nach Quelle alleine dastehen oder uns in einem illustren Zirkel mit Afghanistan, Somalia, Nordkorea und ein paar anderen befinden (hier)?

Ob angesichts kilometerlanger Staus und Baustellen ein Tempolimit überhaupt einen signifikanten Unterschied macht, darf man ebenfalls anzweifeln. Die Debatte um das Tempolimit ist allerdings stark emotionalisiert, fast so, als würde man den liebsten Fußballverein angreifen. Ob das nun seriös ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall lenkt es wieder und wieder von der eigentlichen Klimadebatte ab.

Artikelbild: Aaron Amat, shutterstock.com