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Teile diese Faktenchecks, um die größten Fakes über Dr. Drosten aufzuklären

von | Feb 7, 2021 | Analyse

Faktenchecks über Dr. Drosten

In der Corona-Pandemie ist Virologe Dr. Christian Drosten zu einem der bekanntesten Gesichter der Öffentlichkeit geworden. Wenipg verwunderlich: Als Land haben wir mit ihm großes Glück, einen der „weltweit führenden Corona-Experten“ zu haben. Das ist keine Beschreibung von uns, das sagte die sehr renommierte Wissenschaftsfachzeitschrift „Science“. Die von ihm geleitete Forschungsgruppe war maßgeblich an der Entwicklung des weltweit ersten Diagnostiktests für Corona beteiligt (Quelle). Bekannt wurde er einmal wegen seines extrem informativen Podcasts (Quelle) und weil er bis März kurzzeitig einer von wenigen Wissenschaftler:innen war, der die Regierung beriet (Quelle).

Besonders seine kleine Rolle bei letzterem hat ihn jedoch für viele Maßnahmengegner:innen und Pandemie-Leugner:innen zum großen Feindbild gemacht. Massiv wird Drosten bedroht (mehr dazu) und mit allen schmutzigen Tricks, versuchen sie das Ansehen von Dr. Drosten mit Lügen und Unterstellungen kaputt zu machen. In der naiven Hoffnung, dadurch die gesamte Forschung zu Corona, hinter der tausende Wissenschaftler:innen stehen, in Misskredit zu bringen.

Deshalb sammeln wir hier die meistgeteilten Fake News über Dr. Drosten, die teilweise regelrecht absurd werden. Aber denkt daran: Diese Dinge werden nur von Menschen geglaubt, die daran glauben wollen, weil sie nicht möchten, dass die Maßnahmen eine wissenschaftlichen Sinn haben und sich danach sehnen, mit ihren Verharmlosungen Recht gehabt zu haben. Selbst wenn ihnen der wissenschaftliche Konsens und mit Dr. Drosten einer der Mitentdecker der Coronaviren an sich widerspricht.

1. Drosten hat bei der Schweinegrippe alles richtig gemacht

Besonders gerne wird das absolut professionelle Verhalten von Dr. Drosten wegen der Schweinegrippe 2009 kritisiert. Wie jeder weiß, gab es zur Schweinegrippe offensichtlich nicht eine derartige Pandemie wie jetzt. Die Schweinegrippe war ein neuartiges Schweinegrippevirus gewesen. Das Virus, welches die Spanische Grippe ausgelöst hat, war ebenfalls ein neuartiges Schweinegrippevirus. Zur Erinnerung: Bei der Spanischen Grippe starben 20 bis 50 Millionen Menschen. Zuerst sah alles danach aus, als wäre die Schweinegrippe wirklich verdammt gefährlich.

Aber wir hatten sehr viel Glück. Denn das Virus hatte ein abgeschwächtes Protein, das sog. Pb1-F2-Protein. In der Spanischen Grippe war genau dieses Protein der entscheidende Faktor, um so tödlich zu sein. Ansonsten war das Schweinegrippevirus dem Virus der Spanischen Grippe sogar ähnlich. Dr. Drosten ging vorsichtshalber vom worst case aus, bevor man das wusste. Das ist absolut richtiges Verhalten: Man kauft sich keine Versicherung, wenn das Haus bereits brennt. In seinem Podcast erklärt es Drosten selbst:

„Es ist […] nicht so, dass man sagen kann, das war alles komplett harmlos.“

„Man hat sich am Anfang der Schweinegrippe-Pandemie schon verschätzt, was die Schwere angeht. Aber wie es im Nachhinein dargestellt wird, ist auch nicht richtig. Wir wissen heute übrigens genau, warum man sich verschätzt hat. Das können wir hier auch mal erörtern. Es ist aber dennoch im Nachhinein betrachtet nicht so, dass man sagen kann, das war alles komplett harmlos.“ (Quelle)

Er führt weiter fort, dass letztlich weltweit so viele Menschen starben wie an einer normalen Grippe. Der entscheidende Faktor jedoch: Diese Menschen waren durchschnittlich viel jünger. Man habe aber auch dazu gelernt seit damals.

Kritiker:innen versuchen es so darzustellen, als läge Dr. Drosten damals bereits falsch mit seinen Warnungen vor dem Grippevirus H1N1 – und deshalb könne man ihm auch jetzt mit SARS-CoV2 nicht trauen. Selbst wenn das wahr wäre, ist das offensichtlich ein Logikfehler: Nur weil Drosten angeblich einmal vor zehn Jahren falsch gelegen haben soll, diskreditiert es nicht aktuelle Forschungen und Einschätzungen zu einem anderen Virus. Und ignoriert auch mögliches Dazulernen. Und Drosten ist mit seiner Einschätzung zur Coronakrise ohnehin nicht alleine, er hat den breiten wissenschaftlichen Konsens hinter sich. Die tatsächliche Aussagekraft dieser Information geht gegen Null.

2. Drosten hat auch 2014 die PCR-Test schon für tauglich gehalten

Ebenfalls in der Vergangenheit wird von Desinformations-Verbreiter:innen gewühlt, um Aussagen Drostens zu finden, die scheinbar ihm jetzt widersprechen. So zum Beispiel ein Interview mit Drosten in der Wirtschaftswoche (Quelle) aus dem Jahr 2014.

Weder hat Drosten damals gesagt, der PCR-Test sei untauglich, noch dass er keine Infektionen nachweist, noch dass MERS, um das es damals ging, gefährlicher sei als Corona. So werden Aussagen über die relativen Fallzahlen bei den Testungen aus dem Kontext gerissen, was Quatsch ist. Außerdem bedeutet ein positiver PCR-Test bei MERS etwas anderes als bei Corona: Bei MERS müssen Viren in einem Abstrich aus den oberen Atemwegen noch nicht heißen, dass das Virus in den unteren Atemwegen repliziert und die Person damit ansteckend ist. Bei SARS-CoV-2 ist das laut aktuellem Stand schon ziemlich sicher der Fall (Quelle). Deswegen sind beide richtigen, aber unterschiedlichen Einschätzungen nicht widersprüchlich.

Außerdem ist MERS nicht gefährlicher als Corona. Es stimmt, dass MERS eine deutlich höhere Fallsterblichkeit hat als SARS-CoV-2. Es gibt bis heute 2519 bestätigte MERS infektionen, von denen unfassbare 866 zum Tod führten, also etwa ein Drittel (Quelle). An dieser Stelle muss man aber genau wie bei Covid-19 beachten, dass wir nicht genau wissen, wie viele asymptomatische Verläufe es gibt, serologische Tests deuten auch hier auf eine große Dunkelziffer hin (Quelle). Der große Unterschied scheint bisher aber zu sein, dass MERS deutlich weniger ansteckend ist. Ausführlich hier alles:

Wie dich Pandemie-Leugner über ein Drosten-Interview von 2014 belügen

3. Der „Drosten-Test“ ist validiert, zuverlässig und wissenschaftlich bestätigt

Ein weiterer Fake ist, dass behauptet wird, die wissenschaftliche Forschung, die Drosten et al. gemacht haben, die den PCR-Tests zugrunde liegt, sei fehlerhaft. Das ist auch Unsinn. Ganz allgemein sind PCR-Tests validiert, messen ausschließlich SARS-Cov2-Viren und sind extrem genau. Auch eine Forderung (selbst voller Fehler) von Wissenschaftler:innen, die anscheinend nie wirklich relevant zu (Corona-)Viren geforscht haben, dass die Studie von Drosten (und seinen Kolleg:innen) zurückgezogen werden sollte, wurde einstimmig zurückgewiesen. Und nein, Drosten war an der Entscheidung natürlich nicht beteiligt. Wir haben es hier ausführlich erklärt und belegt:

Fatale Schlappe für Fuellmich & Querdenker: Drosten-Test einstimmig wissenschaftlich bestätigt

4. Drosten kriegt kein Geld für PCR-Tests

Dr. Drosten verdient natürlich nicht an den PCR-Tests. Manche Verschwörungsideolog:innen versuchen natürlich finanzielle Motive zu unterstellen. Und wieder würde das nicht erklären, wieso unzählige Expert:innen und Studien alles bestätigen, was Drosten sagt, selbst wenn er daran Geld verdienen würde. Aber selbst diejenigen, die behaupten, Drosten würde an Tests mitverdienen, sind teilweise wieder zurückgerudert. Auch macht das ganze keinen Sinn: Denn Drosten hat zwar einen der ersten Tests mitentwickelt, jedoch ist das kein kommerzielles Produkt, sondern ein Testprotokoll – also quasi so etwas wie ein Backrezept (Quelle).

Hersteller können sich darauf stützen, oder selbst was entwickeln. Tatsächlich haben das schon sehr, sehr viele getan. Es gibt inzwischen über 400 verschiedene PCR-Tests, die oft unabhängig voneinander entwickelt wurden (Quelle). Die meisten, und vermutlich alle PCR-Tests, die man heute verwendet, basieren nicht mehr auf dem „Drosten-Test“. Also kann Drosten auch gar nichts mehr daran verdienen. Das macht logisch gar keinen Sinn.

5. Drosten ist nicht für Lockdowns verantwortlich

Eine weitere Querdenker-Argumentation – die möglicherweise nur dazu dient, Geld abzukassieren – ist die, dass man Dr. Drosten persönlich für die Schäden durch Lockdowns verantwortlich machen könnte. Dieses „Quatsch-Jura“ basiert auf sehr vielen bereits widerlegten Annahmen. Aber gehen wir sie mal zum Spaß durch: Wenn die ganze Pandemie wirklich nur Fake wäre, weil Corona nicht so gefährlich wäre oder PCR-Tests nicht oder nur unzuverlässig Infektionen nachweisen würden, dann wären Lockdowns und Maßnahmen umsonst gewesen. Mit den falschen Annahmen natürlich logisch.

Jetzt behaupten einige Pandemie-Leugner-Anwälte, ganz ähnlich wie in den vorangegangenen Fakes, dass Drosten irgendwie ganz allein PCR-Tests und Pandemien erfunden hätte und angeblich ganz alleine der Regierung gesagt hätte, im März Maßnahmen durchzuführen. Auch diese ganzen Behauptungen sind falsch. Dr. Drosten war nur kurzzeitig einer von vielen Berater:innen der Regierung bis März 2020 (Quelle). Er war also nicht der einzige Experte – und niemand hat die Bundesregierung gezwungen, auf Dr. Drosten zu hören und Maßnahmen zu beschließen.

Anwalt Jun stellte dazu fest: “Die Argumente sehen aus wie Jura, klingen wie Jura, aber sie sind Quatsch.” Weder kann Drosten für Beratung haftbar gemacht werden, noch könnte er das, wenn die Maßnahmen sich später wirklich als übertrieben herausstellen würden: Die Klagenden müssten nämlich nachweisen, dass Drosten & Co. wissentlich und vorsätzlich Corona und die ganze Pandemie erfunden hätten beziehungsweise genau gewusst haben müssen, dass PCR-Tests Corona nicht nachweisen würden oder derartiger Unsinn. Sobald das nicht nachgewiesen werden kann, ist die Klage tot. Zusätzlich dazu, dass die juristische Argumentation an allen anderen Ecken und Enden auseinanderfällt. Mehr dazu:

Anwalt: Quatsch-Klage von Fuellmich gegen Drosten ist völlig aussichtslos & nur „PR-Aktion“

6. Natürlich hat Drosten eine Doktorarbeit

Der vielleicht dümmste Versuch, um die Seriosität von Dr. Drosten anzugreifen, ist die Behauptung, dass er gar keine Doktorarbeit hätte. Offensichtlich hat er eine Doktorarbeit. Oder denken die Verschwörungsideolog:innen Drosten hätte es zum weltweit führenden Corona-Experten mit zehntausenden wissenschaftlichen Zitierungen geschafft, ohne Dissertation? Ich hätte gesagt, das hätte seine Forschung noch beeindruckender gemacht. Dazu gibt es diverse Behauptungen, die allesamt widerlegt oder erklärt werden konnten.

Zuerst hieß es: „Wir haben Drostens Doktorarbeit nicht (online) gefunden, also gibt es sie nicht!“. Das haben wir zeitnah widerlegt, indem wir – surprise – seine Doktorarbeit gefunden und ausgeliehen haben (Artikel, Artikel). Wir haben es sogar mit Videobeweis:

YouTube player

Es gab noch mehr Fakes, die ironischerweise immer mehr Beweise lieferten, dass die Doktorarbeit existiert. Mehr dazu auch hier vom correctiv. Dann änderten die Drosten-Hasser ihre Strategie: Anstatt zu behaupten, dass es Drostens Doktorarbeit gar nicht gäbe, gingen sie dazu über, eine Verschwörung dahinter zu vermuten, dass sie erst seit 2020 verfügbar ist. In deren Augen macht diese unehrliche Argumentation Sinn: Sie versuchen nicht, wie vernünftige Menschen, Fakten festzustellen und sich damit eine Meinung zu bilden, sondern sie wollen Drosten diskreditieren und suchen nur Ausreden dafür. Aber auch das konnte einfach aufgeklärt werden:

Weil auch das leicht zu erklären war, ging man zu einem Fake über den „Revisionsschein“ über. Es ist etwas komplizierter, aber Kurzfassung: Es gab einen Kommunikationsfehler der Uni und ein Missverständnis, das aber gelöst wurde. Ausführlich haben wir hier alles erklärt:

Faktencheck: Drostens Doktorarbeit ist legitim – Neue Fakes über „Revisionsschein“

Fazit: Man möchte stellvertretend mit Drosten die ganze Corona-Forschung diskreditieren

Diesen ganzen Leuten geht es nicht um Studien über PCR-Tests oder eine Doktorarbeit oder irgendwelche Revisionsscheine. Es geht ihnen darum, Menschen zu verunsichern und die Gesellschaft in einer bereits angespannten Lage in Panik zu versetzen. Sie möchten das Symbol, das Drosten geworden ist, attackieren mit Suggestivfragen, Lügen und indem sie Unsicherheit erzeugen. Entgegen jeder Logik und jeden Fakten soll damit die eigene Sehnsucht bestätigt werden, dass alle Maßnahmen unnötig seien und wir wieder zur Normalität zurückkehren können. Wir wollen das alle, wirklich. Aber Wunschdenken schafft nicht Realität.

Deswegen müssen wir umso nachdrücklicher auf Fakten beharren, dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, Verschwörungserzählungen auf den Leim zu gehen. Demokratie bedeutet Vielfalt der Meinungen, aber auf Basis von Fakten. Die Pandemie überstehen wir nur gemeinsam. Und nicht, indem wir bequeme Feindbilder mit Fake News und Strohmann-Argumenten aufbauen. Denn das führt nicht zu konstruktiven Lösungen, sondern macht alles schlimmer. Und führt sogar zu Gewalt. Das ist der falsche Weg.

Zum Thema:

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Artikelbild: Michael Sohn/POOL AP/dpa

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