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(Nicht-)Urteile der Woche (KW 45): Wodarg-Prozess schon wieder verschoben!

von | Nov 12, 2023 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Prozesse, z.B. gegen AfD-Politiker. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fiel immer schwieriger. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verflossen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen. Diese Woche gibt es aber größtenteils Nicht-Urteile. Wir berichten über Besuche vom Staatsschutz, Hausdurchsuchungen und vor allem in eigener Sache: Der Prozess gegen Volksverpetzer von „Querdenker“ Wolfgang Wodarg. Letzte Woche berichteten wir darüber, was aus dem Haftbefehl des AfD-Youngsters Daniel Halemba wurde:

Aktivist Mann – morgendlicher Besuch vom Staatsschutz

Am 08.11.2023 hatte „Aktivist Mann“, Matthäus Westfal, anscheinend morgens um kurz nach 7 Uhr Besuch vom Bielefelder Staatsschutz. Die Reaktion von Westfal berichtet er selbst auf seinem Telegram-Kanal: „Wieso suchen Sie sich nicht einen Job bei McDonald’s? Da kann man auch Geld verdienen“ soll er dem ermittelnden Beamten entgegengebracht haben. Das sorgte am Ende nicht für einen entspannteren Gesprächsverlauf. Westfal fuhr dann einfach weg, der Staatsschutz sei ihm nach seinen Angaben noch ein Stück weit gefolgt. Für ihn ganz klar „Psychoterror“. Westfal sprach sich dafür aus, dass niemand beim Staatsschutz arbeiten solle, weil das ethisch nicht vertretbar sein.

In seinem Rage-Audiobeitrag auf seinem Telegram-Kanal regte er sich über den Besuch auf, da sie ja auch einfach einen Brief hätten schicken können, wenn sie etwas wissen wollen. Auf jeden Fall sei für ihn jetzt klar, dass Deutschland kein freies Land mehr sei. Im Hinblick auf die unzähligen Demonstrationen zur Hochphase der Covid19-Pandemie scheint der „Aktivist Mann“ da eine leichte Realitätsverzerrung zu haben. In welcher Diktatur er einfach dem Staatsschutz ohne Konsequenzen mit dem Auto wegfahren konnte, ist unklar. Hätte er also selbst merken können.

Hausdurchsuchung bei „SchwrzVyce“

Der Künstler „SchwrzVyce“ wurde in der rechten Szene durch seinen Pro-AfD-Rapsong bekannt, den er veröffentlicht hatte. Eine Hausdurchsuchung wurde vom Oberstaatsanwalt angeordnet. Ziel war es, herauszufinden, wie viel Geld er durch die Veröffentlichung des Tracks eingenommen habe. In den Lyrics kam es unter anderem zu Beleidigungen von deutschen Staatsoberhäuptern.

T-Online zitierte den Song, der als Wahlwerbespot für die rechtsextreme AfD diente, damals: „Irgendetwas stinkt hier, das ist ja wohl ein Fakt. Diese H*rensöhne ham das Land kaputt gemacht.“ Weiterhin bekäme Annalena Baerbock, diese F***e nichts auf die Kette. Habeck sei ein Prostituierter, der sich nur für einen Minister halte. Kurzer Faktencheck: Habeck ist wirklich Minister für Wirtschaft und Klimaschutz und zudem Vizekanzler, auch wenn das rechtsradikalen Rappern nicht gefällt. Das Niveau sank im Verlauf des Tracks noch tiefer.

In einem anderen Track namens „Verbrechen“ lautet die Hook, die nach jedem 3-Zeiler kam: „Unser Land wird von Verbrechern regiert“. Weiter leugnete er darin noch die Validität von Schnelltests und dass man in diesem Land ja nicht mehr demonstrieren dürfe, ohne gleich vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Typisches, realitätsfernes, rechtsradikales Gejammer. Rumopfern, dass man so unterdrückt werde. Seitdem ermitteln die Behörden. Aus seinem Hetz-Rap wurde eine Self-Fulfilling Prophecy.

Doch nicht alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Er beruft sich in seinem Rage-Video auf die Kunstfreiheit, erwähnt aber im selben Atemzug auch, dass die Politiker verantwortlich für schlimme Straftaten seien. Annalena Baerbock hätte beispielsweise Artikulationsprobleme. Gerne hätten wir den passenden Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch hier eingefügt, jedoch wäre der Artikel dann jetzt noch nicht fertig, da wir ihn bislang nicht gefunden haben. Artikulationsprobleme sind kein Straftatbestand. Das ist auch gut so, denn sonst hätte SchwrzVyce das nächste Problem: Seine Raps könnte man nämlich auch eher als unterkomplex werten, wenn man wollte.

Auch hier zeigt sich der Realitätsverlust der „Querdenker“: dafür, dass wir hier weder eine Demokratie haben, noch frei leben können, dürfen die beiden oberen Kandidaten aber eine ganze Menge Schwachsinn in die Öffentlichkeit posaunen und haben, Stand jetzt, noch nicht einmal Konsequenzen zu befürchten. 

Wodarg-Prozess zum 10. mal verschoben!

Das nächste Noch-Nicht-Urteil. Die ursprüngliche „Fuellmich“-Klage, in der Fuellmich gemeinsam mit Wodarg gegen uns kämpfen wollte, wird ein zehntes Mal vertagt! Im Zuge der damaligen Klage gegen uns haben wir eurerseits viel Solidarität empfangen und vor allem viel Support für diesen irre langen Prozess, der jetzt bald drei Jahre andauert. Mal wurde er verschoben, weil sich Fuellmich angeblich im Ausland befand oder er noch ein paar Sonderwünsche hatte, dann hat das Gericht verschoben, dann hat Fuellmich Streit mit Wodarg gehabt und das Mandat abgegeben und Viviane Fischer es übernommen. Dafür gab es dann wieder Verschiebungen usw. usf. Im Ergebnis steigen für uns weiter die Kosten für unseren Rechtsanwalt.

Diesmal hat jedoch das Gericht verschoben. Grund ist die „Vakanz der Berichterstatterstelle“. Offenbar ist also im Moment die Richterstelle, die den Fall bearbeiten sollte, nicht besetzt. Eine Verzögerungsrüge könnte zwar von uns beantragt werden, denn wir wollen ja auch endlich diesen lästigen Prozess hinter uns bringen, aber was soll das nützen, wenn die Justizbehörden sowieso jetzt chronisch überlastet und personell unterversorgt sind? „Querdenker“ reichen wegen jedem Unfug Klagen ein, akzeptieren keines der Urteile, die gegen sie gerichtet sind, gehen immer wieder in Berufung und sorgen so dafür, dass die Gerichte immer mehr Arbeit bekommen. Allein dadurch, dass sie simple Bußgelder von den Ordnungsämtern nicht akzeptieren, kommt es dann zu etlichen Verhandlungen vor den Amtsgerichten. Alles anscheinend mit dem Ziel, die Justiz komplett lahmzulegen. 

Wodargs Chancen stehen gar nicht gut

Natürlich hätten auch wir gerne den Prozess zeitnah beendet, zumal die Chancen diesen Prozess seitens Wodarg zu gewinnen echt gering sind, aber Pöbeln hilft uns da nicht weiter. Wir tragen es mit Fassung und Geduld, irgendwann wird es hoffentlich schon zu einem Urteil kommen. Wodarg scheint auch keinen großen Zeitdruck dahinter zu haben, obwohl er 50.000 € Schadensersatz von uns möchte, weil unsere Faktenchecks über seine Corona-Fake-News ihm geschadet haben sollen. Komisch, dass er einen kleinen unabhängigen Blog in seinem Kampf gegen das „System“ verklagt, aber nicht quasi jedes andere deutsche Medium, das das Gleiche über ihn berichtet hatte wie wir. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wir hatten damals schon berichtet, wer eine Auffrischung braucht, was die 2000-Seiten-Quatsch-Klage war:

Neuer Termin: Juni 2024!

Im Juni 2024 wissen wir hoffentlich mehr. Solange überweisen wir die nächste Rechnung für die Kosten an unseren Anwalt. Auch das hat Methode bei „Querdenkern“: uns mit Verfahren, Abmahnungen und Klagen anderweitig zu beschäftigen. Dadurch sollen wir von unserer eigentlichen Arbeit abgelenkt werden und nicht mehr zu unserer Kernaufgabe kommen: aufzeigen, wie gefährlich Demokratiefeinde wie Querdenker & Co. für unsere Gesellschaft sind.

Sie versuchen uns einzuschüchtern, damit wir uns zurückziehen und ihnen das Feld überlassen. Die Europäische Union hat das Problem der sogenannten SLAPP-Klagen gegen Journalisten bereits erkannt und erarbeitet eine Richtlinie, die es solchen Leuten erschwert, SLAPP-Klagen als Businessmodell zu nutzen und politische Gegner einzuschüchtern.

„Der damals vorgestellte Vorschlag für eine EU-Vorschrift sah einige konkrete Punkte vor: Gerichte sollten Verfahren frühzeitig abweisen können, ‚wenn ein Fall offenkundig unbegründet ist‘, hieß es unter anderem. Auch hätten Betroffene das Recht auf eine volle Entschädigung für den erlittenen materiellen oder immateriellen Schaden.“

https://www.deutschlandfunk.de/eu-richtlinie-gegen-slapp-klagen-100.html

Gäbe es diese Richtlinie schon, müssten wir vielleicht heute gar nicht mehr über die zehnte Verschiebung im Wodarg-Prozess berichten. Wir würden euch auch endlich gerne mal einen Fortschritt berichten, aber so müssen wir alle weiter warten. Danke für euren weiteren Support!

Artikelbild: Screenshot youtube.com