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Leak: Anti-Wärmepumpen-Kampagne in UK von Gaslobby finanziert

von | Sep 15, 2023 | Aktuelles

Der mediale Kulturkampf um das Heizungsgesetz und die Wärmewende geht weiter, nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen Ländern. Vor kurzem erst wurde wieder eine gezielte Desinformationskampagne der Gaslobby aus Großbritannien aufgedeckt. Über die letzten zwei Jahre hat die Lobbyorganisation Energy and Utilities Alliance (EUA), ein Zusammenschluss aus 300 Unternehmen rund um die Gasindustrie, eine Marketing-Firma dafür bezahlt, gezielt Stimmung gegen Wärmepumpen zu machen, um die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. Ein geleaktes Dokument belegt, wie die Fossillobby die Öffentlichkeit manipulieren wollte.

Die Marketing-Kampagne und alles was daraus resultierte, alle Erwähnungen und jede weitere Berichterstattung über die Inhalte zusammen, machten in Großbritannien zwei Drittel der negativen Berichterstattung über Wärmepumpen aus. Sprich: Fast alles, was negativ über Wärmepumpen berichtet wurde, ist Teil einer bezahlten Kampagne.

Wie die Gaslobby die Öffentlichkeit Manipuliert

Mit dem europäischen Klimagesetz hat sich die EU verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Auch Großbritannien hat sich der Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Die britische Regierung stellte deshalb 2021 ihre Net Zero Strategie vor, die Pläne für die Dekarbonisierung aller Wirtschaftssektoren vorsieht. Bereits dort wurden Wärmepumpen als ein wichtiger Bestandteil für die Energiewende angesehen. Zur Konkretisierung wurde im Juli 2022 der Clean Heat Market Mechanism (CHMM) vorgestellt, der Pläne für Subventionen, Anreize und Regelungen für die Industrie und Förderungen für Installateure beinhaltet.

Beispielsweise werden Heizfirmen verpflichtet, einen Jahr für Jahr prozentual wachsenden Anteil an Wärmepumpen einzubauen, der relativ zu der Gesamtanzahl der eingebauten Gas- und/oder Öl-Heizsysteme ist. Produziert eine Firma keine eigenen Wärmepumpen, kann sie sich Credits einkaufen. Ein Credit ist eine eingebaute Wärmepumpe und eine Hybridheizung mit einem Wärmepumpen Anteil sind 0,5 Credit. Im Startjahr 2024 liegt der Prozentsatz der einzubauenden Wärmepumpen bei 4%. Sollte die Anzahl der geforderten Wärmepumpen nicht erreicht worden sein, so droht für jede verfehlte Wärmepumpe eine Strafe von £5000, was ungefähr 5800€ entspricht. Gleichzeitig sieht das Programm der Regierung eine Förderung von bis zu £5000 für den Endverbraucher vor. Großbritannien möchte so bis 2028 eine Anzahl von 600.000 installierten Wärmepumpen pro Jahr erreichen.

Tendenziöse Stimmungsmache

Diese Verpflichtung gefällt der Gaslobby aus Großbritannien so gar nicht. So spricht Mike Foster, der Geschäftsführer der EUA, glatt von einem “Soviet-Stil” in einem Artikel der Times und damit konfrontiert, gegen Wärmepumpen Stimmung zu machen, nennt er diesen Vorwurf eine “alternative agenda”. Während Foster und die EUA eine Desinformationskampagne in Großbritannien veranlasst haben, welche zwei Drittel der negativen Presse ausmacht, wie der britische investigativ Blog, DeSmog aufzeigen konnte.

In einem geleakten Dokument, welches die EUA bei der Regierung im Zusammenhang mit den Plänen des CHMM einreichte, forderte diese die Regierung auf, die geplanten Maßnahmen auf 2026 zu verschieben, statt wie geplant 2024 mit der Umsetzung zu beginnen. Die EUA beschreibt die Pläne der Regierung darin als unerreichbar, da sie den Bürgern ja nicht “diktieren” können, was diese einzubauen haben. Dass die EUA das sehr wohl kann, lest ihr gleich.

Technologieoffenheit? Nicht mit der Gaslobby

In der von DeSmog, einem britischen Klima-Investigativ-Blog, aufgedeckten und dokumentierten Kampagne gegen Wärmepumpen zeigt sich, dass die Gasindustrie kein Interesse an einer ausgewogenen und wissenschaftlich fundierten Debatte hat. Stattdessen beherrschen Framing und Emotionalität die Texte. Das belegt ein geleaktes Dokument.

Für die Marketing-Kampagne „Hydrogen and the Consumer“ wurde die Werbeagentur WPR engagiert. Diese veröffentlichte zuerst eine tendenziöse Bürger-Umfrage mit dem Titel „Too Close To Home“. Die gestellten Fragen waren so formuliert, dass sie bereits die Befragten beeinflussten. Wer würde denn auch nicht auf: „Wollen sie eine einfache und kostengünstige Lösung, mit der sie CO₂ einsparen“ mit „Ja“ antworten? Herausgearbeitet wurden letztendlich die immer gleichen Narrative, die auch bei uns in der Presse zu finden sind und bereits so oft widerlegt wurden. 

Wärmepumpen billiger und besser, als dargestellt

Wärmepumpen sind günstiger als Gasheizungen und werden sich erst recht wegen des Emissionshandels rapide amortisieren, das Heizen mit Wasserstoff ist noch Jahre abwegig. Für Deutschland sieht es so aus:

Egal, ob mit oder ohne Solar: Die Wärmepumpe ist so effizient, dass massiv laufende Kosten eingespart werden können – bis zu 62 % bei Solar und Wärmepumpe zusammen. Auch das Vergleichsportal Verivox kommt zum selben Schluss: Heizen mit Wärmepumpe ist etwa 30 % günstiger als mit Gaskessel. Eine Wärmepumpe ist auch im ungedämmten Altbau ohne Fußbodenheizung noch effizient: Das Fraunhofer-Institut hat viele Wärmepumpen in realer Einsatzumgebung in älteren Bestandsgebäuden evaluiert und kam trotzdem bei modernen Geräten noch auf einen mittleren Effizienz-Wert von 3,1. Also die Wärmepumpe erzeugte dort aus 1 kWh Strom mehr als 3 kWh Wärme. Und nicht zuletzt spart selbst eine schlechte Wärmepumpe natürlich massiv CO₂ ein. Selbst bei einem nicht sauberen Energiemix. 

Umfrage vermittelt bewusst falschen Eindruck

In Großbritannien ist es ähnlich: Die Anschaffungskosten einer Wärmepumpe liegen sogar im vierstelligen Bereich, sowie auch die Kosten anderer Heizsysteme. Und nochmal zur Erinnerung sieht der britische Plan zur Energiewende eine zusätzliche Bezuschussung von bis zu £5000 vor. Die Umfrage suggeriert allerdings einen fünfstelligen Bereich und dass die Bevölkerung diesen nicht bereit ist zu zahlen.

Des Weiteren machen Wärmepumpen aus 1 kWh Strom etwa 4 kWh Wärme, was einem Coefficient of Performance (COP) von 4 entspricht. Selbst im Winter liegt der COP noch bei 2. Und ja, Wärmepumpen funktionieren auch bei Kälte sehr gut.

In der Umfrage wird überhaupt nicht auf die Effizienz eingegangen, die ich euch eben genannt habe, sondern die Bevölkerung direkt gefragt, ob sie Angst habe, im Winter nicht heizen zu können mit einer Wärmepumpe. Damit wird automatisch ein Narrativ aufgebaut, das nicht der Wahrheit entspricht und die Fragestellung ist nichts anderes als gezielte Manipulation.

Kampagne mit Desinformation

Auch die Umrüstung auf eine in der Befragung beworbene Hybridheizung ist vor allem in der Anschaffung sehr viel teurer als alleinstehende Heizvarianten. Durch steigende CO₂-Bepreisung und knapper werdende Ressourcen wird das Heizen mit fossilen Brennstoffen noch dazu immer teurer. Dennoch werden hybride Gasboiler dort als kosteneffizient und Bürgerliebling dargestellt.

Ganz besonders wird hervorgehoben, dass für diese Lösung das aktuelle Gasnetz beibehalten werden müsse. Wer hätte gedacht, dass die Gaslobby dafür wirbt, Gas weiterhin verkaufen zu können und dafür sogar auf Manipulation und Fehlinformationen zurückgreift? Von euch wahrscheinlich jeder.

Auf Basis dieser tendenziösen Befragung baute die Werbeagentur WPR ihre weitere Kampagne auf. 36 Artikel, die Wärmepumpen kritisieren oder im Gegensatz für Wasserstoff werben, sind als Auszug der Arbeit auf der Webseite der Agentur zu finden. Sie selbst sprechen von über 500 Artikeln, für die ihre Kampagne die Basis war und von unzähligen Inhalten, die – teils organisch, teils bezahlt – auf Social Media geteilt wurden.

Wasserstoff zu bewerben ist auch nichts anderes als Greenwashing der Gasindustrie. 

Für die Herstellung von Wasserstoff wird Erdgas benötigt. Dabei wird bei der Produktion des „fossilen“ Wasserstoffs Methan freigesetzt, welches sich auf das Klima über einen Zeitraum von 100 Jahren 28-mal stärker auswirkt als CO2. Letztendlich ist nur „grüner“ Wasserstoff, hergestellt aus erneuerbaren Energien, nachhaltig. Dieser ist allerdings rar und wird nur dort eingesetzt werden, wo es keine effizienteren Möglichkeiten gibt. Die Wissenschaft ist eindeutig: Das Gasnetz kann nicht ohne weiteres Wasserstoff transportieren, auch grüner Wasserstoff wird viel teurer werden und ist Energieverschwendung. Und letztlich entstehen auch dort Abgase. Im Detail:

PR-Firma ändert heimlich Texte ab

Und zum Glück gibt es Internet Archive. WPR hat auf der Seite, auf der sie die Anti-Wärmepumpen Kampagne in ihrem Portfolio vorstellen, auf Nachfrage von DeSmog den Text geändert. Aus dem ursprünglichen „Empörung entfachen“ wurde nach der Anfrage ein „Unterhaltung entfachen“ und aus „es mit der Wärmepumpen Lobby aufnehmen“ wurde „das vorherrschende Narrativ herausfordern“.

Wer Empörung entfachen will und es mit der Wärmepumpen Lobby ‘aufnehmen’ möchte, der ist beim besten Willen nicht objektiv. Das ist eine perfide Masche zum Erhalt des eigenen Profits, entgegen jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. 

Vorher:

Quelle: https://archive.ph/i7oP8

Nachher:

Quelle: https://www.wpragency.co.uk/our-work/eua-hydrogen-and-the-consumer/

Auch in Deutschland verschont uns die Gaslobby nicht mit manipulativen Kampagnen

Wenn wir die Folgen des Klimawandels noch eindämmen wollen, dann müssen wir weg von fossilen Energieträgern. Das bedeutet aber auch, dass die Gaslobby ihre Profite wegschwimmen sieht. International wird von den gleichen Narrativen gesprochen, das gleiche Framing eingesetzt und gezielt manipuliert.

Auch in Deutschland wird vom Mythos Wasserstoff erzählt, von grünen Gasen und Klimafreundlichkeit. Gas wird dabei als der Partner der erneuerbaren Energien dargestellt. So zum Beispiel mit unterschiedlichen Kampagnen bei Zukunft Gas seit 2013. Die Brancheninitiative möchte uns mit der Kampagne „Mit Gas geht’s“ aktuell zeigen, wie wohl, ihrer Auffassung nach, Klimaschutz geht. Erdgas wird dabei als Partner für die Energiewende und als Brückentechnologie vermarktet.

Bei der Erzeugung von Energie durch Erdgas wird zwar weniger CO2 ausgestoßen als bei der Verbrennung von Erdöl oder Kohle, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn was auch hier viel zu oft nicht erwähnt wird, ist Methan, welches entlang der gesamten Lieferkette entweicht und Erdgas sogar klimaschädlicher macht als Kohle.

Quelle: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ese3.35

Neben Desinformationskampagnen bezüglich der Rolle von Gasen auf unserem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 ist Mensch auch in Deutschland nicht um die vielen reißerischen Artikel der BILD oder WELT gekommen. Unterstützt durch CDU/CSU und der FDP wurde auch in Deutschland die Wärmepumpe zum Feindbild erkoren. Ich wisst es vielleicht schon, aber ich sage es gern nochmal, der Axel-Springer Verlag gehört zu rund 36% der Beteiligungsgesellschaft KKR, die wiederum mit 78% in Energieunternehmen investiert sind, die auf fossile Brennstoffe setzen.

Die letzten Züge der Gasindustrie

Laut IPCC Synthesebericht spielt Gas in der Energiewende nur eine untergeordnete Rolle. Das, was wir hier sehen, sind Symptome der Angst. Über 1 Billion Euro (Ja, tausend Milliarden) an „stranded assets“ der Gasindustrie werden bald wertlos sein, wenn wir bald mit Erneuerbaren billiger und klimafreundlich Heizen. Mit Manipulation und Desinformation wird verzweifelt versucht, entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Gasindustrie weiterhin aufrechtzuerhalten und so lange wie möglich Geld zu verdienen. Wie wir sehen konnten, ist das auch kein rein deutsches Phänomen. 

Was wir dagegen tun können, fragt ihr euch? Uns gegenseitig aufklären, Artikel reposten in Social Media, und mit anderen austauschen, aktiv und laut werden.

Artikelbild: canva.com