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Safe Blood & Co: Die Impfgegner-Lüge vom „sauberen“ Blut (VVP-Spezial)

von | Feb 7, 2023 | Analyse

Sie schüren falsche Ängste, locken mit falschen Versprechen – und gefährden dadurch Menschenleben. Zwei Vereine aus der Schweiz und Österreich werben im deutschsprachigen Raum damit, Blutkonserven von ungeimpften Personen vermitteln zu wollen. Aber das ist nicht nur medizinischer Humbug, sondern auch praktisch nicht möglich. Die Mitglieder von Safe Blood Donation bekommen eigentlich nichts – und riskieren im Zweifelsfall sogar ihr Leben und ihre Gesundheit. 

Das falsche Versprechen

Auf den ersten Blick kommt die Website des Vereins „Safe Blood Donation“ professionell daher. 

“Unser Ziel ist, dass unsere Mitglieder im Bedarfsfall Blut von Ungeimpften erhalten können, entweder als Frischblut oder Konserve“ heißt es dort. Man sei international vertreten und habe Mitglieder in über 80 Staaten weltweit. Als Spendenrichtwert für eine Mitgliedschaft bei der schweizerischen Organisation gelten 50 € im ersten Jahr, ab dem zweiten Jahr 20 €. Das österreichische Schwesterprojekt „Ungeimpft-Blutspenden-Österreich“ hat gar einen festen Mitgliedsbeitrag von 60 €. 

Mit Verweisen auf unwissenschaftliche Verfahren und medizinisch absurden Behauptungen wird versucht, Menschen Angst vor einer ganz normalen Bluttransfusion zu machen und sie so von einer Mitgliedschaft zu überzeugen. 

Geimpft oder ungeimpft ist dem Blut egal

Bluttransfusionen sind medizinische Eingriffe, die in Situationen vorgenommen werden, in denen Patient:innen zu wenig Blut haben. Grund dafür sind in der Regel großen Blutverlusten durch Verletzungen oder eine Operation. Auch manche Krebserkrankungen machen eine Transfusion notwendig. Bluttransfusionen gelten heute als sehr sicher. Dennoch besteht ein gewisses Restrisiko, weswegen sie natürlich nicht ohne Notwendigkeit eingesetzt werden.

Wovon mit Sicherheit kein Risiko ausgeht, ist das Blut von geimpften Personen. Ob eine Person mit mRNA Impfstoffen oder Vektor-basierten Impfstoffen gegen Corona geimpft ist oder nicht, ist in transfusionsmedizinischer Hinsicht nicht relevant. Die Impfung gegen Corona wird durch eine Bluttransfusion nicht übertragen, ebenso wenig wie eine akute Corona-Infektion oder eine durchgemachte Infektion. Das Paul-Ehrlich-Institut hat deswegen keine Rückstellung von geimpften Personen bei der Blutspende empfohlen.

Wenn eine Person eine Blutkonserve benötigt, ist der Impfstatus sowohl der empfangenden als auch der spendenden Person also unwichtig. Der Impfstatus wird bei einer Blutspende nicht erfragt, eine gesonderte Kennzeichnung von Blut von ungeimpften Personen gibt es nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben. Zwischen den vom eigenen Körper gebildeten Spike-Proteinen gibt es auch keinen Unterschied, egal ob sie via längst abgebauter mRNA durch die Impfung entstanden sind oder durch eine Infektion.

(Hier findet ihr einen Artikel von uns, der erklärt, wie die Impfung funktioniert und warum die Lügen, die über sie verbreitet werden, falsch sind.)

Auch unabhängig von Corona sind Bluttransfusionen in Deutschland sehr sicher. Sie werden nach hohen medizinischen Standards durchgeführt. Blutkonserven werden auf tatsächlich durch Blut übertragbare Krankheiten wie HIV, Hepatitis C und B sowie Syphilis hin untersucht. Die Restrisiken für Hepatitis-B sowie Hepatitis-C und HIV liegen bei unter 1:1.000.000 respektive 1:16.000.000. 

Safe Blood: Die Realität ist im Zweifel tödlich

Zurück zu den dubiosen Vereinen „Safe Blood“ und Co. Wenn man sich die Vereine und die rechtliche Lage genauer anschaut, stellt sich schnell heraus: Eine Kennzeichnung für Blutkonserven von ungeimpften Personen wird es nicht geben, ebenso wenig wie eine direkte Blutvermittlung zwischen bestimmten Personen. Das ist medizinisch nicht sinnvoll und ginge sogar mit einem höheren Risiko einher. Außerdem ist es praktisch nicht umzusetzen und es gibt keine rechtliche Grundlage.

Die Organisationen stellen ihren Mitgliedern dennoch Patientenverfügung bereit, in denen normale Bluttransfusionen ausdrücklich verweigert werden. Entsprechende Vordrucke lassen sich etwa auf der Seite von Safe Blood direkt herunterladen. Damit riskieren Mitglieder im Zweifelsfall auf Anregung der Vereine ihr Leben. Die Organisationen treiben Menschen mit falschen Informationen und Versprechungen dazu, sichere medizinische Versorgung zu verweigern, ohne dass sie realistisch praktikable Alternativen bieten können.

Der Mitgliedsausweis von Safe Blood mit dem Ausschnitt der Patientenverfügung, durch den die normale Bluttransfusion verweigert wird

Das Netzwerk von Safe Blood und Co

Sowohl Safe Blood als auch Ungeimpft-Blutspenden-Österreich sind im Zuge der Corona-Pandemie entstanden und kommen aus einer medizin-esoterischen Szene, die wissenschaftliche Tatsachen leugnet und ignoriert. Die schweizer Organisation Safe Blood ist eng verbunden mit dem Netzwerk Aletheia, das falsche Informationen über Corona und die Impfungen verbreitet. In “Querdenker”-kreisen sind die Vereine gut vernetzt, auch international. Momentan sind vermutlich etwas über 2000 Personen als Mitglieder bei Safe Blood registriert, wie sich aus unseren Recherchen ergibt.

Hinter Safe Blood steht vor allem der Schweizer Georg della Pietra. Der Musiker und Naturheilkundler hält Infoveranstaltungen ab und tritt in zahlreichen Videoformaten von „Querdenker:innen“ auf, um über das Projekt zu informieren. Eine naturwissenschaftlich-medizinische Ausbildung hat er nicht. Dass ihm das fachliche Wissen zur richtigen Einordnung fehlt, gibt er in einem Interview offen zu: 

“Ich bin ein Feld, Wald und Wiesen Naturopath. Also ich bin kein Virologe, kein Wissenschaftler.” 

Kronzeuge für seine Interpretation der medizinischen Hintergründe ist in erster Linie der in Wissenschaftskreisen völlig diskreditierte Desinformationsverbreiter Sucharit Bhakdi. Bhakdis Aussagen zur Corona-Impfung wurden immer wieder widerlegt und als unwissenschaftlich kritisiert. (Wir haben hier eine ganze Sammlung von Faktenchecks und Einschätzung Expert:innenen zu den vielen falschen Aussagen von Bhakdi).

Antisemitische Verschwörungserzählungen

Wie so oft in der Welt der “Querdenker” sind auch hier die antisemitisch codierten Verschwörungserzählungen nicht weit. Das überrascht wenig, immerhin sind Narrative um “reines” oder “verunreinigtes” Blut seit jeher aufs Engste mit Rassismus und Antisemitismus verknüpft. Der Kronzeuge der Bewegung, Sucharit Bhakdi, ist auch durch antisemitische Aussagen aufgefallen (darüber haben wir hier berichtet), und überhaupt ist die „Querdenkerbewegung“ durchtränkt von antisemitischen Narrativen (mehr von uns dazu hier).

Während sich die schweizerische Organisation in dieser Hinsicht bedeckter hält (wobei auch hier früher oder später von „psychotischen Milliardär-Weltführern“ die Rede ist, die die Welt vergiften wollten, was an den antisemitischen „Brunnenvergifter“-Mythos erinnern kann), wird in der Telegram-Kanal der österreichischen Organisation offen antisemitisches Dog Whistling (also das Bedienen bestimmter Signalwörter) betrieben.

Screenshot aus dem Telegram-Kanal von ungeimpft-blutspenden-österreich mit antisemitischen Dog Whistling

Suche führt ins Nichts

Aber zurück zu Safe Blood und was man von ihnen erwarten darf. Dass eine eigene Blutbank nicht realistisch ist, das weiß auch della Pietra. Das deutsche Transfusionsgesetz und die entsprechende Richtlinie der Bundesärztekammer stellen klare Anforderungen an die Entnahme und den Umgang mit Blutprodukten, um die Sicherheit sowohl von Spender:innen als auch von Empfänger:innen zu gewährleisten. Dazu zählt etwa, dass die Abläufe durch medizinisches Personal durchgeführt werden. Della Pietra sei deswegen momentan auf der Suche nach Kliniken, die eine direkte Blutspende von ungeimpften Personen an Menschen, die eine Bluttransfusion benötigen, ermöglichen. Dafür habe man über 400 Kliniken in Deutschland angeschrieben und sie gebeten, Auskunft über eine mögliche Kooperation zu geben. Nur wenige haben überhaupt geantwortet, und wenn, dann nur ablehnend. Mit dem Verein kooperieren will bisher keine.

Auf der Website wird dennoch so getan, als könne man über die Suchmaske medizinische Kooperationspartner finden, die eine gerichtete Blutspende (also eine gezielte Blutspende von einer bestimmten Person an eine andere) ermöglichen: 

Screenshot der Medical Partner Suche

Die Suche ergibt aktuell zwei Treffer für medizinische Einrichtungen, die sich positiv auf die Anfrage von Safe Blood rückgemeldet haben. Beide liegen in der Schweiz. Die eine führt allerdings keine Eingriffe durch, bei denen Bluttransfusionen benötigt werden könnten. Bei der anderen handelt es sich um eine Arztpraxis, geführt von einem Arzt, dem zwischenzeitlich die Berufserlaubnis entzogen war, weil er wiederholt gegen geltende Corona-Maßnahmen verstoßen hatte und Maskenatteste ausgestellt haben soll, ohne die Patient:innen gesehen zu haben. 

Tätigkeiten sind gegebenenfalls juristisch relevant

Aber auch medizinische Einrichtungen, die nicht oder ablehnend geantwortet haben, werden auf der Website aufgeführt, zusammen mit Namen und Mailadressen der ärztlichen Direktor:innen. Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung. Um Menschen vor Missbrauch ihrer Daten zu schützen, dürfen Dritte nicht einfach personenbezogene Daten veröffentlichen, selbst wenn diese in anderen Zusammenhängen frei im Internet verfügbar sind.

Da die Daten eindeutig in negativem Zusammenhang dargestellt werden und personenbezogene Daten veröffentlicht werden, könnte gegebenenfalls auch der Straftatbestand des Erstellens und Verbreitens von sogenannten Feindeslisten (§ 126a StGB) in Betracht kommen. Wir haben deswegen einen Hinweis mit diesen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden gegeben, damit diese die Veröffentlichung der Daten juristisch prüfen können. 

Kliniken-Direktor: „Das ist Quatsch“

Auf unsere Nachfrage bei einem Betreiber von mehreren auf der Liste aufgeführten Kliniken wurde uns gesagt, man habe nichts von der Nennung auf der Seite gewusst. Der ärztliche Direktor habe zwar den Fragenkatalog von Safe Blood erhalten, aber umgehend gelöscht weil es “Quatsch sei und das Transfusionsgesetz dies gar nicht unmittelbar zulässt.” Der Klinikbetreiber kündigte an, die namentlich genannten Mitarbeiter:innen zu informieren und insbesondere auf zivilrechtliche Möglichkeiten hinzuweisen. 

Erstmal nur eine Art “Kontaktbörse” – Mit einem Max Mustermann?

Bis Kooperationskliniken gefunden sind, stelle die Organisation lediglich eine Kontaktvermittlung bereit. Auf Anfrage können Mitglieder die Kontaktdaten anderer Mitglieder erhalten, die bei ihrer Registrierung dieselbe Blutgruppe angegeben haben. Ohne eine Klinik, in der sie eine direkte Blutspende durchführen können, bringt ihnen das aber natürlich nichts. Ganz abgesehen davon, dass es keinerlei Garantie gibt, dass die vermittelte Person die Blutspende tatsächlich erbringen würde, eventuell sogar, wenn ein medizinischer Notfall vorliegt, innerhalb sehr kurzer Zeit.

Der Gründer von Safe Blood betont in einem Interview, es gäbe hohe Hürden bei der Registrierung als Mitglied. So wolle man gewährleisten, dass nur Menschen, die das ganze Ernst nehmen, sich registrieren. “Spaßmitglieder haben wir keine”, sagt er.

Komisch, dass ein gewisser “Max Mustermann” die Liste der neuen Mitglieder anführte, kurz nachdem wir mit der Recherche begonnen haben…

Screenshot der Liste neuster Mitglieder, inklusive Max Mustermann

Die Mitgliedschaft bringt aktuell also wohl ziemlich genau nichts, und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.

Auf unsere Anfrage hin erklärte della Pietra, die durch die Spenden eingenommenen Gelder würden aktuell zur Deckung des administrativen Aufwands verwendet werden. Die angestrebte Gemeinnützigkeit wurde vom Steueramt Zürich nicht gewährt.

Gerichtete Blutspenden sind medizinisch nicht sinnvoll

Von den praktischen Hürden und der fehlenden rechtlichen Grundlage ganz abgesehen: Medizinisch machen gerichtete Blutspenden, also Blutspenden, bei denen ein Spender gezielt für eine bestimmte Person spendet, in den allermeisten Fällen keinen Sinn.

Der “Arbeitskreis Blut” ist in Deutschland das Expert:innengremium, das die Behörden in allen Fragen rund um Bluttransfusionen berät (nach Transfusionsgesetz §24). Bereits 1994 hat sich der Arbeitskreis Blut gegen gerichtete Blutspenden ausgesprochen. In der Stellungnahme heißt es, dass gerichtete Blutspenden gerade unter Verwandten mit einem höheren Gesundheitsrisiko einhergehen. Gerichtete Blutspenden seien deswegen keine sinnvolle Alternative zu klassischen Blutspenden. 

Gerichtete Blutspenden bergen ein größeres Risiko

Eine ganze Reihe von Gründen spricht gegen gerichtete Blutspenden. Menschen, die gezielt an eine konkrete Person spenden wollen, sind oft Erstspender. Im Vergleich zu Personen, die regelmäßig Blut spenden, haben sie ein höheres Risiko, für Krankheiten, die eigentlich zu einem Ausschluss führen sollten, aber nicht direkt erkannt werden. Gerade die Tatsache, dass viele Spender:innen regelmäßig Blut spenden und ihr Blut dadurch gut untersucht ist, trägt zur Sicherheit des Blutspendensystems in Deutschland bei. 

Außerdem ist die Sicherheit und der Schutz der Blutspender:in ein hoher Wert. Ein wichtiges Argument gegen gerichtete Blutspenden ist deswegen die Drucksituation, die sich dadurch für den Spender ergeben könnte. So könnte die Person aus Sorge um die Empfängerin oder aus Angst vor den sozialen Folgen bestimmte Risikofaktoren nicht nennen oder Blut auch dann abgeben wollen, wenn sie sich unwohl fühlt. Auch die wichtigste Sicherheitsmaßnahme des vertraulichen Selbstausschlusses würde wegfallen.

Der vertrauliche Selbstausschluss soll sicherstellen, dass keine Person aus sozialem Druck heraus gegen ihren Willen oder im Wissen um mögliche Risiken Blut spendet. Durch den vertraulichen Selbstausschluss können Spender:innen während der Spende vertraulich und unbemerkt angeben, dass ihre Spende vernichtet werden soll. Bei gerichteten Spenden bestünde diese Option natürlich nicht. Der Wegfall der Anonymität könnte auch zum Problem werden, wenn etwa tatsächliche oder vermutete Komplikationen nach der Transfusion auftreten.

Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass gerichtete Blutspenden wesentlich weniger sicher wären, als es das normale Blutspendensystem in Deutschland aktuell ist. Der Mehraufwand, den gerichtete Blutspenden mit sich bringen würden, ist deswegen nicht gerechtfertigt. 

Patientenverfügungen

Trotz all dem ermutigt Safe Blood auf der Website dazu, in einer Patientenverfügung normale Bluttransfusionen ausdrücklich zu verweigern, wie dieser Ausschnitt zeigt:

Das könnte im schlimmsten Fall Menschenleben gefährden. Denn in Deutschland muss bei Bluttransfusionen, wie bei allen medizinischen Eingriffen, das Selbstbestimmungsrecht der Patient:innen geachtet werden. Wenn eine Patientin also eine normale Bluttransfusion verweigert oder im Falle der Bewusstlosigkeit eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt, muss sich das Klinikpersonal daran halten, auch wenn sich dadurch der Gesundheitsstatus verschlechtert. Im Falle von Mitgliedern der christlich-fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas ist Krankenhauspersonal immer wieder mit diesem Dilemma konfrontiert. Viele Mitglieder der Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab. Das Klinikpersonal ist dann zwar weiterhin verpflichtet, die Patient:in bestmöglich zu versorgen, aber eben ohne die untersagten Eingriffe zu unternehmen. 

Wer eine Patientenverfügung wie von Safe Blood vorgeschlagen hat, könnte also unter Umständen tatsächlich kein Blut erhalten, weil es ein als “ungeimpft” markiertes Blut eben nicht gibt. Blutkonserven werden in aller Regel dann eingesetzt, wenn sie dringend nötig sind. Sie abzulehnen bedeutet also, im Zweifelsfall den Tod vorzuziehen.

Müssen Kinder unter den Entscheidungen ihrer Eltern leiden?

Safe Blood rät dazu, ebenfalls sämtliche Familienmitglieder auf dem Portal zu registrieren, auch Kinder. Damit stellt sich die Frage, inwiefern Kinder unter der Entscheidung ihrer Eltern leiden könnten (hier findest du einen Artikel von uns zu Fällen, in denen Querdenker ihre Kinder instrumentalisiert haben). Könnte Kindern im Notfall eine lebensnotwendige Bluttransfusion verwehrt bleiben, weil die Eltern an Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit Impfungen und Bluttransfusionen glauben?

Screenshot aus FAQs

Das steht tatsächlich nicht zu befürchten. Auch hier hilft ein Blick auf die Handlungsempfehlungen für Kliniken im Umgang mit Kindern von Mitgliedern der Zeugen Jehovas. Kinder unter 14 Jahren gelten rechtlich als nicht einwilligungsfähig. Medizinische Eingriffe sind deswegen mit den Eltern abzuklären. Wenn diese aber notwendige medizinische Eingriffe verweigern, wird das Familiengericht eingeschaltet, das gegebenenfalls das Wohl des Kindes gegen den Elternwillen durchsetzt. Das Familiengericht kann auch bei Jugendlichen bis 18 Jahren eingeschaltet werden, wenn Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit der Jugendlichen bestehen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die Jugendlichen sich nicht trauen, sich gegen den Willen ihrer Eltern für eine Bluttransfusion zu entscheiden.  

Ein Paradebeispiel in Verschwörungsdenken

Gute Quellen zu finden, die frei erfundene Behauptungen widerlegen, ist gar nicht so leicht. Die Leute, die einfach irgendwas behaupten, statt es mit objektiv nachvollziehbaren Methoden zu beweisen, sind denen, die diese Behauptungen widerlegen sollen, immer einen Schritt voraus. Deswegen funktioniert Wissenschaft ja auch genau andersherum: Alles was man behauptet, muss man auch belegen können.

Es muss nachvollziehbar und wiederholbar sein, und eben nicht einfach nur daher gesagt. Bei Safe Blood nimmt man es damit nicht so genau. Zwar wird immer wieder behauptet, man hantiere mit Fakten und nicht mit Annahmen. Aber wenn man sich diese „Fakten“ genauer anschaut, wird ersichtlich, dass sie in der wissenschaftlichen Community nicht anerkannt sind, eben weil sie nicht durch objektiv nachvollziehbare Methoden reproduzieren lassen.

Auf einen besonders schönen Widerspruch in der Logik von Safe Blood wollen wir an dieser Stelle dennoch hinweisen. Denn daran lässt sich gut zeigen, wie quer „Querdenker“ wirklich denken, um bloß nicht die naheliegenden Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, die ihren Grundannahmen widersprechen.

Partikel fliegen durch die Luft

Die grundlegende Behauptung della Pietras ist, dass sich das Blut von mit mRNA-Impfstoffen geimpfte Personen von dem Blut von ungeimpften Personen unterscheide. Er behauptet, dass es undeklarierte Bestandteile gäbe, die sich im Blut nachweisen ließen. Diese Behauptungen sind natürlich Quatsch. Hier findet ihr einen Faktencheck von Correctiv, der zeigt, dass sich die auch von della Pietra angewandte Methode nicht für die Diagnostik eignet und die Schlüsse, die aus den Blutbildern gezogen werden, falsch sind.

Interessant wird es, wenn man sich weiter mit der Logik beschäftigt. Della Pietra schreibt nämlich auch, dass “ neue Studien zeigen, dass ungeimpfte Menschen ähnlich schreckliche Blutbilder haben wie geimpfte”. Statt nun aber die Methode in Frage zu stellen und dem naheliegenden Schluss zu folgen, dass die Impfung dann wohl das Blut nicht verändere, denkt della Pietra quer: Womöglich sei das sogenannte “Shedding” daran Schuld.

Mit diesem Fantasie-Begriff ist in „Querdenker“-Kreisen eine kontaktlose Übertragung von (nicht existierenden!) undeklarierten Bestandteilen gemeint, die Geimpfte nach der Impfung angeblich im Blut haben und die auf anscheinend magischem Wege, durch die Luft in das Blut von Ungeimpften gelangen könnten. Aber man wolle nicht voreilig sein. Auf unsere Nachfrage erklärte della Pietra, es gäbe zwar Hinweise auf „Shedding“ aber „wir wissen noch nicht genug darüber, um hier von „Fakten“ zu sprechen“. [sic]

Absurde Mythen basieren auf falschen Grundannahmen

Klingt absurd? Ist es natürlich auch. Aber hier zeigt sich schön, wie faktenfreies Denken funktioniert, sobald man erst einmal eine falsche Grundannahme als absolute Wahrheit festgestellt hat, hinter die man nicht mehr zurück kommt. Dann ist man eben eher geneigt zu glauben, dass nicht existierende Gegenstände auf magische Weise das Blut der einen Person verlassen und in das Blut einer anderen Person eindringen, statt festzustellen: Vielleicht ist die Grundannahme, dass die Impfung das Blut auf schädliche Weise verändert, einfach falsch.

Was Geimpfte tatsächlich im Blut haben, sind Spike-Proteine. Diese wurden vom eigenen Körper gebildet, damit das Immunsystem an ihnen die Abwehrreaktion auf das Corona-Virus trainieren kann. Allerdings haben die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch all diejenigen, die nicht geimpft sind. Nur haben die sie nicht auf ungefährlichem Weg durch die Impfung gebildet, sondern durch vermehrungsfähige Viren im Zuge einer Infektion – falls sie diese überlebt haben.

Abzocke und falsche Versprechen als „Querdenker“-Mechanismus?

Die Safe Blood Donation ist also in vielerlei Hinsichten problematisch. Sie verbreitet falsche Behauptungen über die Impfung und die Bluttransfusion, nährt Hoffnungen mit einem Versprechen, dass sie nicht einlösen kann, ermutigt ihre Mitglieder dazu, wichtige medizinische Versorgung zu verweigern und nimmt zu guter Letzt auch noch Geld für ihre Desinformationskampagne.

Damit steht sie in guter „Querdenker“-Tradition. „Querdenker“ haben in der Vergangenheit immer wieder mit falschen Versprechen und Behauptungen Geld eingesammelt, manche auch in strafrechtlich relevanter Weise. Eine Studie aus Oxford zeigt: Die meisten Organisationen, die Lügen über Impfungen verbreiten, verdienen damit Geld. Es ist ein also Geschäftsmodell.

Es geht nicht um die Gesundheit

Dass es Safe Blood nicht wirklich um die Gesundheit der Mitglieder geht, zeigt sich spätestens an einer Aussage des Gründers Georg della Pietra im Rahmen einer Informationsveranstaltung. Dort fragt ein Gast, ob bei Safe Blood auch Menschen Blut spenden dürften, die gemäß der offiziellen Richtlinien von der Blutspende ausgeschlossen sind. Della Pietra erklärt darauf hin, dass für ihn die geltenden Bestimmungen “idiotisch” seien und man sich gegen sie wehren müsse. Er selbst habe eine Hepatitis B gehabt, aufgrund derer er nach den offiziellen Richtlinien von der Blutspende ausgeschlossen sei. (Eine durchgemachte Hepatitis B oder C Erkrankung sind eine der wenigen Gründe, die eine offizielle Blutspende grundsätzlich ausschließen, weil hier tatsächlich ein geringes Restrisiko einer Übertragung besteht.)

“Aber ich bin kerngesund, ich hab überhaupt keine Probleme”. Von den offiziellen Bestimmungen seien für ihn  “medizinisch die wenigsten haltbar”. Wir erinnern uns – della Pietra ist kein Mediziner, sondern nach eigenem Bekunden ein “Wald und Wiesen Naturopath“.

Absurder wird es nicht mehr: Blut, von dem nachweislich ein Risiko ausgeht, will er anscheinend verwenden, weil er sich eben kerngesund fühlt. Das Blut, von dem nachweislich kein besonderes Risiko ausgeht, lehnt er dagegen vehement ab, selbst wenn das gegebenenfalls lebensbedrohliche Konsequenzen haben könnte.  

In einer Zeit, in der tatsächlich eine Blutkonservenknappheit besteht, schüren “Querdenker” von Safe Blood und Co falsche Ängste und Unsicherheiten. Sie verbreiten Fake News und gefährden die Leben derer, die ihnen vertrauen. Safe Blood ist damit das Gegenteil von dem, was es verspricht: Es schützt nicht, sondern gefährdet. 

Falls Ihr lieber wirklich schützen wollt: Hier findet ihr Blutspendedienste in Eurer Nähe! Und holt euch vielleicht eine Corona-Auffrischungsimpfung.

Artikelbild: Olena Yakobchuk