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Nach peinlichen Tweets: Bild-Journalist fordert uns zu Faktencheck zu Ramelow heraus

von | Feb 10, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt

Sehr geehrter Herr Röpcke,

Sie haben sich heute einen Artikel von uns zu Ihrer Auseinandersetzung mit Bodo Ramelow gewünscht und Ihrer sicherlich herzlich gemeinten Aufforderung kommen wir sehr gerne genauso herzlich nach. Sie haben sich absolut unironisch einen „politischen Faktencheck“ von uns gewünscht. Und da wir BILD-Journalist*innen gern erklären, wie die Fakten aussehen, helfen wir auch hier aus und machen das.

Hufeisentheorie und Thüringen

Aber der Reihe nach, bevor wir uns den Tweet von Bodo Ramelow anschauen. Was ist eigentlich passiert? Diese ganze Geschichte fing mit diesem Tweet von Ihnen an:

Im Kontext der Umfrage nach der Wahl in Thüringen erklärten Sie, dass „der Wähler“ „mehr Extreme“ wolle. Nach diesem Tweet posteten Sie eine grafische Darstellung der „Hufeisentheorie“ zu Thüringen, um zu provozieren (Sie schrieben „Shitstorm frei!“). Sie wollten damit ausdrücken, dass Sie ein Vertreter der von Experten in Frage gestellten „Hufeisentheorie“ sind. Dass diese Theorie von der Wissenschaft höchst umstritten ist („denkfaulste Konstruktion der Politikwissenschaft“), ist auch Fakt (Verfassungsblog, Bundeszentrale für politische Bildung, Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl). Der Verfassungsblog argumentiert sogar, dass sie durch Thüringen live widerlegt wurde. Aber das nur am Rande …

Zahlreiche Nutzer*innen machten sich dann – genau wie von Ihnen gewünscht – darüber lustig. Ein willkürlich ausgewähltes Beispiel:

Soziologe Quent entsetzt über Julian Röpcke

Auch der Soziologe und Buchautor Matthias Quent wurde auf Ihre Tweets aufmerksam und kommentierte, dass „der Wähler“ nicht wie von Ihnen behauptet „Mehr Extreme“ (Achtung! Ein direktes Zitat) wünsche, sondern „Stabilität“.

Sie widersprachen und verglichen das mit dem NS- und dem SED-Regime, die schließlich auch „extrem“ und stabil gewesen seien und dass es deswegen kein Widerspruch sei. Daraufhin fragte Quent, ob sie „den Verstand verloren“ hätten, weil Sie die letzten fünf Jahre in Thüringen mit dem Nationalsozialismus verglichen haben. Sie werfen Quent vor, er würde sich das „ausdenken“. Okay, jetzt kommt der Faktencheck. Gut aufpassen, Herr Röpcke, hier wird es knifflig:

Sie sagten, die LINKE sei extrem, richtig? Sie posteten buchstäblich das Bild mit der Hufeisentheorie und erklärten, der Wähler will „Extreme“? Okay? Gut. Dann sagten Sie, „33 bis 45“ (die Zeit des Nationalsozialismus) sei auch „‚Stabilität‘ unter Extremen“ gewesen, richtig? Und warum haben Sie das gesagt? Um diese „Extremen“ (=Nazis) mit anderen „Extremen“ (AfD und Linke) zu vergleichen. Sie kommen noch mit? Gut. Und wer hat die letzten fünf Jahre unter Bodo Ramelow in Thüringen regiert? Richtig, die Linke. Nehmen wir also den Dreisatz: Nationalsozialismus = Extreme und „Linke, die die letzten 5 Jahre regiert haben“ = Extreme ergibt: Nationalsozialismus = die letzten 5 Jahre Regierung der Linke. Einfachste Logik. Von Ihnen übrigens!

Vielleicht haben Sie das nicht absichtlich gemacht, aber Sie haben das gemacht. Denn Sie bezeichneten die Linke als Extreme, können aber nicht einfach ausblenden, dass Ramelow die letzten 5 Jahre eine völlig unspektakuläre Regierung führte.

„Debattenqualität 2020“

Quent ist daraufhin entsetzt, dass Sie alles leugnen, was Sie paar Minuten zuvor gesagt hatten (FAKT!) und twittert das:

Und Sie sagen einfach: „Sie lügen.“ Faktencheck zeigt: Sie wissen anscheinend nicht, was Sie kurz zuvor getwittert haben, was Ihre Worte bedeuten oder Sie lügen bewusst. Der Soziologe und Experte scheint dabei auch viel mehr Zuspruch bekommen zu haben als Sie. Ein Fakt, völlig wertfrei in den Raum gestellt. Hier kommen übrigens wir ins Spiel und fragten Sie, warum Sie sich daran störten, was Sie gesagt haben. Sie sagten „Mit anderen Worten wiederholen“ sei ein Oxymoron und man würde „böswillig und manipulativ den Sinn und die Intention“ Ihrer Worte „entfremden“ und das sei „AfD-Taktik“.

Herr Röpcke, Sie wissen schon, was „Paraphrasieren“ ist, oder? Der Duden sagt dazu: „(ein Wort, einen Text) frei, nur sinngemäß in eine andere Sprache übertragen, sinngemäß, nicht wortwörtlich wiederholen.“ Achtung: nicht wortwörtlich wiederholen. Und jetzt wird es knifflig, Synonyme zu paraphrasieren bedeutet:

Fakt: „Böswillig und manipulativ den Sinn und die Intention von Worten zu entfremden“ steht da nicht! Seltsam. „Ausgeschmückt“ wurde auch nichts, nur die logische Konsequenz Ihrer Aussagen verdeutlicht. Wir haben mal willkürlich den erstbesten Artikel von Ihnen gegoogelt. In diesem Artikel schrieben Sie mit Ihrem Kollegen zum Beispiel: „Die Nato ließ jedoch auch wissen, dass General Scaparrotti in seiner Eigenschaft als US-Kommandeur gesprochen habe – nicht als Nato-General. Verträge zwischen Nato und Huawei gebe es nicht, sie seien auch nicht geplant.“ Oh nein! Sie haben doch nicht etwa die Aussagen der NATO … mit anderen Worten wiederholt?! Wenn der Kopf aussetzt … das ist „beste AfD-Taktik“! (Das sind alles Fakten, versteht sich.)

„Ich habe nie über die letzte Legislatur Thüringens gesprochen“ schrieben Sie ja noch. Nun ja, oben haben wir mehrere Tweets, die belegen, dass Sie über die LINKE in Thüringen schrieben, die die letzte Legislatur anführte und dass Sie sie im Aspekt des Extrem-Seins und Stabilität u. a. mit dem Nationalsozialismus verglichen, haben ist ja auch schon geklärt. Also: Fakt. Sorry, wirklich. Elende Faktenchecks, nicht wahr? Wer wünscht sich denn so was? Ups …

Daraufhin meldete sich Bodo Ramelow selbst zu Wort:

Und jetzt kommen wir endlich zum Tweet von Bodo Ramelow, über den Sie sich eigentlich den „Faktencheck“ wünschten:

Und was machen Sie Herr Röpcke? Sie warfen ihm vor, sich nicht auf seine Politik bezogen zu haben und dass er Ihr Zitat „verfälscht“ hätte.

Dass Sie sich auf die Politik in Thüringen bezogen haben und in Aspekten mit der NS-Zeit verglichen, haben wir ja schon eindeutig klar gestellt. Aber siehe da: Tatsächlich! Bodo Ramelow hat Sie nicht wörtlich zitiert! Sie schrieben: „Was will daraufhin der Wähler? Mehr Extreme!“ und Ramelow schrieb: „Was wählen die Wähler? Mehr Extreme!“. Das ist nicht 100 % das Gleiche, da haben Sie natürlich Recht, Herr Röpcke. Und wie wir bereits etabliert haben, akzeptieren Sie ausschließlich hundertprozentige Zitate (Sorry: „Mit anderen Worten wiederholen ist ein Oxymoron“ sagten Sie, das ist etwas völlig anderes), denn alles andere ist ja „AfD-Taktik“. Fakt ist: Sie wollten ausdrücken, dass Wähler (die wählen), mehr „Extreme“ wollen würden. Und Bodo Ramelow zitierte Sie nicht genau und sagte, dass Wähler (die wählen) mehr „Extreme“ wählen würden.

Das sind natürlich zwei völlig unterschiedliche Dinge. Okay, das war Sarkasmus (Fakt). Ramelow hat rein gar nichts sinngemäß an Ihrem Zitat verändert. Er hat wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass er das Zitat nicht mehr wortwörtlich im Kopf hatte. Sie versuchen die ganze Zeit, richtige Kritik an Ihrem Tweet wegzuleugnen, indem Sie für 17 Gefällt-mir-Angaben die ganze Realität zurecht rücken. Jeder macht mal Fehler. Hey, SIE haben in dem Tweet versehentlich „Thuerigen“ geschrieben. Wir könnten uns jetzt genau so absichtlich dumm stellen wie Sie und behaupten, Sie hätten auch gar nicht „Thuerigen“ gemeint, sondern „Thüringen“. Aber das wäre unfair und dumm.

Ob es Ihnen passt oder nicht: Was Sie da die ganze Zeit treiben, ist hochnotpeinlich. Das ist ein Fakt. Kein Wunder, dass kaum jemand Ihre absurde Realitätsverzerrung ernst nimmt. Dass Sie wirklich den Mut haben sich hier hinzustellen und Faktenchecker*innen herausfordern, ist erstaunlich. Sie haben uns ein paar Stunden Arbeit geraubt, aber wir haben uns wirklich amüsiert. Sie sollten vielleicht weniger BILD-Zeitung lesen und in die Realität zurückkommen, in der die Mehrheit der Deutschen es lachhaft findet, ausgerechnet Bodo Ramelow als „Linksextremisten“  zu bezeichnen. Übrigens:

Ramelow und „Linksextremismus“

Dass Sie Bodo Ramelow explizit als „Linksextremisten“ bezeichnen, ihm implizit absprechen, ein Demokrat zu sein und mit Höcke auf eine Stufe stellen, hatten Sie zwei Tage zuvor erklärt:

Auf Nachfrage eines Twitter-Nutzers, ob Herr Ramelow denn kein „Demokrat“ in Ihren Augen sei:

Als Beispiel für den „Linksextremismus“ Ramelows nennen Sie einen Tweet, in welchem er 2018 nur mehrfach „YPG“ geschrieben hatte. Ihre Logik geht so: Ramelow würde mit diesem Tweet Unterstützung zur YPG ausdrücken. Und diese Unterstützung mache einen zum Linksextremisten. Würden wir genau so lachhaft argumentieren wie Sie, könnten wir Ihnen an der Stelle vorwerfen, dass Ramelow nur „YPG“ geschrieben hat und nirgendwo „Ich unterstütze die YPG“, aber machen wir es so, wie es gute Journalist*innen tun und zeigen wir die Fähigkeit, Transferleistungen zu vollziehen:

Ist Julian Röpcke ein Rechtsextremist?

Ganz knapp: Die YPG sind die „Volksverteidigungseinheiten“, eine bewaffnete Miliz der Kurden in Syrien. Die von ihr kontrollierten Gebiete in Nordsyrien werden demokratisch regiert, mit Pressefreiheit, Gleichberechtigung und Wahlen. Bis zu Trumps plötzlichem Rückzug waren sie auch enge Verbündete der USA im Syrienkonflikt. Was das mit Linksextremismus zu tun hat? Sie sprechen wohl auf die Nähe von der YPG zur PKK an, die sozialistisch geprägt ist und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ok, die Logik geht also so: Ramelow ist linksextrem, weil er „YPG“ getwittert hat, weil die mit der PKK in Verbindung stehen, weil die eine extremistische Vereinigung sei. Nutzen wir mal Röpcke-Argumentation, zum Spaß:

Nun … nach der Logik, könnte man diesen lustigen Tweet von Ihnen aus dem Jahr 2014 als Beweis hernehmen, dass Sie ein Rechtsextremist wären. Sie bezeichneten das ukrainische „Regiment Asow“ als „Helden“. Das Regiment Asow ist eines von vielen paramilitärischen Freiwilligenbataillonen aus dem Ukraine-Konflikt. Aufgestellt wurde sie von nationalistischen Politikern (Quelle), ihr Kommandeur ist der Führer der rechtsextremen „Sozial-Nationalen Versammlung“ (Quelle), ihre Mitglieder sind bekennende Neonazis und Antisemiten (Quelle). Voilà. Aber natürlich wäre eine derartige Argumentation bescheuert.

Sie würden sich zurecht beschweren, dass da der gesamte Kontext fehlt, ein alter Tweet herausgesucht wurde, mit Kontaktschuld argumentiert und eine vereinfachte Argumentation genutzt wurde. Ja. Exakt. Vielleicht braucht es doch mehr als nur ein Screenshot eines Tweets, um irgendetwas zu belegen.

Fazit

Wir von Volksverpetzer fühlen uns sehr geehrt, dass Sie sich an echte Faktenchecker*innen wenden, wenn Ihnen die Fakten unklar sind. Auch als Bild-Journalist, oder eher: gerade dann. Oder ist das auch ein Oxymoron? Oh nein, wir haben Ihnen mit diesem Scherz natürlich nicht abgesprochen, ein Journalist zu sein. Das haben wir schließlich nicht wörtlich so geschrieben, so eine Unterstellung wäre ja etwas „mit anderen Worten wiederholen“! Ehrlich gesagt, hätten wir Ihre Tweets gelesen und nicht gewusst, dass sie verantwortlicher Redakteur im Ressort Politik bei der BILD sind, wir hätten Sie ohne zu Zögern geblockt und für einen rechten Twitter-Troll gehalten.

No offense, sind Sie natürlich nicht. Aber vielleicht sollten Sie an Ihrer Twitter-Argumentation arbeiten. Wenn Sie wirklich nicht die letzten fünf Jahre Thüringen mit dem NS-Regime vergleichen wollen, glauben wir das, wäre ja auch krass. Sie haben es aber buchstäblich gemacht, wenn auch versehentlich. Das kommt aber vielleicht davon, wenn man der „denkfaulsten Konstruktion der Politikwissenschaft“, der Hufeisentheorie anhängt und Bodo Ramelow zum „Linksextremisten“ erklärt und ihn auf eine Stufe mit dem Faschisten Höcke stellt.

Man muss ja dann ja nicht gleich anfangen, die Linke und ihre politischen Positionen toll zu finden. Aber inzwischen findet eine Mehrheit der Deutschen diese Gleichsetzung falsch, weil sich die Linke (und erst Recht Bodo Ramelow) „normalisiert“ und die AfD radikalisiert hat. Und Höcke war schon lange Faschist, der Fantasien von Massendeportationen, notfalls mit Gewalt, in seinen Büchern formuliert. „YPG“ twittern ist da halt nicht auf dem gleichen Level.

Herr Ramelow hat Sie nicht exakt wortwörtlich zitiert, das ist klar. Aber wie er Sie wiedergegeben hat, hat nichts an der Bedeutung Ihrer Aussage verändert. Als Verantwortlicher für Politik bei der BILD-Zeitung sollten Sie nicht wie ein rechter Troll argumentieren, die Ramelow-Regierung mit Diktaturen gleichsetzen und anderen Lügen unterstellen, wo keine waren. Denn wissen Sie was? DAS ist „beste AfD-Taktik“. Und ein Fakt.

Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Tag!

Der Volksverpetzer

PS: Gegen wertende Clickbait-Überschriften haben Sie als BILD-Journalist ja sicherlich nichts dagegen.

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Text: Andreas Bergholz, Thomas Laschyk. Artikelbild: Matthias Wehnert, shutterstock.com/Screenshot twitter.com