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Hetze: So widerlich instrumentalisieren AfD-Fans das Feuer von Nantes

von | Jul 18, 2020 | Aktuelles, Social Media

Hundepfeifen-Hass nach außen, Verschwörungsmythen nach innen

Heute erreichte der Hashtag Nantes Spitzenplätze, in Frankreich ist man schockiert. Die Kathedrale von Nantes hat gebrannt. 15 Monate nach dem Brand von Notre-Dame in Paris bedauerten viele den Schaden an der gotischen Kathedrale. Das Feuer unter Kontrolle ordnete der Staatsanwalt von Nantes eine Untersuchung an, denn da das Feuer an drei verschiedenen Stellen ausgebrochen sei, ist das ein Hinweis auf Brandstiftung. Doch es ist noch viel zu früh, um irgendetwas zu sagen – Weder über die Brandursache, noch über die entstandenen Schäden (Quelle).

Doch genau wie 15 Monate zuvor in Paris nutzen die Hass-Gruppen der AfD und rechte Trolle den Vorfall wieder massiv aus, um ihren Hass und ihre rassistische Ideologie zu fördern. AfD-Accounts und AfD-nahe Gruppen und Politiker*innen teilten Nachrichtenberichte zum Brand. Sicherlich nicht, weil sie große Architekturfans sind. Was der genaue Zweck dahinter ist, dazu kommen wir gleich. Auch die AfD-Unterstützerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach tweetete Spekulationen zum Brand – sogar ein AfD-Account musste sie zurecht weisen. Steinbach wird kritisiert, ein Hetz-Video gegen Walter Lübcke geteilt zu haben, kurz bevor er von einem Aktivisten der AfD ermordet wurde (Quelle).

In den rechtsextremen Gruppe, die DieInsider dokumentiert hat, ist man sich sicher: Der Brand ist Brandstiftung und Muslime/Migranten (welches für sie das gleiche ist) sind Schuld. In den Kommentaren wird völlig faktenfrei direkt oder indirekt Muslimen die Schuld gegeben oder sich sarkastisch darüber lustig gemacht, als ob sie auch nur im Ansatz Recht hätten. Teilweise wird das Anzünden von Moscheen gefordert und die Ermordung von Muslimen, manche bringen Antisemitismus ins Spiel: „Nicht nur Moscheen [sprießen wie Unkraut aus dem Boden], auch Synagogen“.

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1. Spekulationen, Suggestivfragen, Verschwörungsmythen

Die rechtsextremen Accounts überströmten derweil den Hashtag Nantes und die Kommentarspalten mit Andeutungen, Spekulationen und Hetze. Eine beliebte Strategie bei AfD-Accounts und bei rechtsextremen Blogger*innen und Influencern, ist es, die Unterstellungen als Fragen zu formulieren oder sarkastisch zu erklären, dass es kein Terror sein könne. Warum das problematisch ist? Wie gesagt: Bis jetzt existiert lediglich ein Verdacht auf Brandstiftung, geschweige denn ein mögliches Motiv. Mehr dazu später. Alles derzeit ist pure, haltlose Spekulation.

Die Spekulationen und Fragen mögen vielleicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, aber sie haben offensichtlich das Ziel, dass wir bisher völlig ohne Grund über Muslime und Terror sprechen sollen. Sollte die Realität später ganz anders aussehen, lässt sich so leichter bei der eigenen Anhängerschaft behaupten, „man“ wolle „die Wahrheit vertuschen“. Oder man nimmt irritierenderweise die eigene Paranoia und Panikmache zum „Beweis“, dass das politische Klima angeblich so schlimm wäre, dass man „natürlicherweise“ einen Anschlag in Nantes hätte vermuten müssen. Was eine sinnlose Zirkelargumentation ist, da man seine eigenen Taten als Beweis dafür her nimmt, dass man so reagiert habe.

2. Verweise auf Notre Dame

Immer wieder wird von den rechten Accounts der Verweis auf Notre Dame de Paris herangezogen – also ob das ein Argument wäre. Der Brand von Notre Dame im April 2019 – der übrigens exakt genau so von der AfD und anderen rechtsextremen Accounts ausgeschlachtet wurde (mehr dazu, mehr dazu), war schließlich ganz offensichtlich kein Anschlag, erst Recht kein islamistischer. Die Pariser Staatsanwaltschaft bewertet den Brand bis jetzt als Unfall, dessen Ursache entweder ein Kurzschluss oder beispielsweise eine unachtsam weggeworfene Zigarette gewesen sein könnte (Quelle).

Auch wenn rechte Accounts vermehrt behaupten, der Fall sei gar nicht aufgeklärt, um Spekulationen zu ihrem Feindbild aufrecht zu erhalten. Das oder sie behaupten direkt, dass es eine gigantische Verschwörung gäbe, die einen Anschlag vertuscht hätte. Natürlich ohne jeglichen Beweis. Und auf diese rechte Hetze und Verschwörungsmythen bauen sie wiederum neue Lügen über Nantes auf. In der rechten Echokammer wird so ein völlig verzerrtes Bild der Realität gebastelt.

3. Whataboutismen und Trends

Die dritte Strategie ist der Versuch, Nantes als neuestes und prominentes Beispiel eines Trends darzustellen, und durch die Blume zu unterstellen, es müsse mit den Geflüchteten nach 2015 zu tun haben. Da wird behauptet, „früher“ haben keine Kirchen gebrannt. Was natürlich völlig Unsinn ist. Die Kathedrale von Nantes brannte schon mal – vor 50 Jahren (Quelle). Es wird aber auch behauptet, es gäbe eine längere Anschlagsreihe gegen christliche Kirchen in Frankreich, einschließlich Notre Dame. Diverse Artikel dazu, sollen die rassistischen Mythen belegen.

Zu den Fakten: Im März 2019 gab es auch einen Brand in der zweitgrößten Kirche von Paris, Saint Sulpice. Niemand wurde verletzt, es brannte nur kurz. Wichtig: Die Brandursache ist unbekannt (Quelle). Doch hier wird ein Ansatz für einen Trend gesehen. Und tatsächlich gibt es viele Angriffe vor allem auf katholische Kirchen in Frankreich (Quelle). Doch in den meisten Fällen sind die Täter unbekannt. Verantwortliche sehen in den Motiven vor allem den anti-katholischen Laizismus, den es bereits seit der französischen Revolution gibt. Doch Fakt ist: Alle Behauptungen, wer (haupt-)verantwortlich ist, sind Spekulationen.

Rechtsextreme Märchen

Doch diese Darstellung – oft mit Verweisen auf (rechtsextreme) Blogs, oft ohne Impressum, die absichtlich hervorheben, dass die Täter auch Muslime sein könnten – erzeugt den gewünschten Effekt. Denn wie bereits erklärt, ist das kommunizierte Narrativ klar: Wenn es Angriffe auf christliche Gebäude gibt, dann kann es in diesem Weltbild nur einen Schuldigen geben. Weil das rechtsextreme Weltbild nur Gut/Böse kennt und nur zwei Seiten. Die Vorstellung, dass es anti-christliche Franzosen gibt – das können auch Atheisten sein – wird gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Die meisten nehmen außerhalb ihrer rassistischen Echo-Kammern die Worte „Islam“ oder „Muslime“ in den Mund, das müssen sie auch nicht. Denn ihre Kommentierenden wissen genau, wer gemeint ist. Und sprechen das dann auch deutlich aus, wie man sehen kann. Dies ist indirekte Hetze, von welcher sie sich semi-glaubwürdig freisprechen können. Doch diese Aussagen passieren ja in keinem Vakuum. Es ist klar, was gemeint ist. Der Effekt ist auch der Gleiche: Die Schuld wird wieder dem alten Feindbild gegeben.

Spekulationen und rassistische Fantasien

Während man in der realen Welt den Schaden an einer historisch bedeutsamen architektonischen Errungenschaft betrauern kann und wir wohl erst in einigen Tagen mehr über die Brandursachen erfahren werden, verbreiten die geübten Hassprediger von rechts ihre Feindbilder, ihre Gewaltfantasien und ihre durchschaubaren Spekulationen und Narrative. Widerspricht man diesem durchschaubaren Versuch, den Brand von Nantes durch haltlose Spekulationen für eine rassistische Agenda zu nutzen, wird man Opfer eines rechten Shitstorms, so wie wir heute morgen.

In diesen Gruppen, die inzwischen abgekoppelt von der Realität agieren, ist alles so, wie es nach ihrer Weltvorstellung sein soll. So deutlich, sie müssen es nicht einmal mehr deutlich aussprechen. Die ganze restliche Welt, die dieser Darstellung widerspricht ist natürlich nur Fake. Und wer mit Fakten widerspricht, wird bedrängt und terrorisiert. Und das Feindbild wird weiter bedient und man fordert dort inzwischen täglich den Mord, Tod und Deportation von Migranten, Muslimen und politischen Gegner*innen. Keiner soll der Illusion erliegen, dahinter stecke kein System. In der realen Welt sollten wir diese Spekulationen ignorieren, solange keine Fakten zur Verfügung stehen, sonst verfällt unsere Gesellschaft in dieselbe Barbarei, die Alltag in den Hass-Gruppen der AfD ist.

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In den Hassgruppen ist das völlig normal und wird nicht als falsch angesehen. In vielen Gruppen sind auch AfD-Politiker*innen, die zu den Zuständen schweigen oder einfach direkt mithetzen:

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Artikelbild: Koldunova Anna




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