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Russische Propaganda erfindet Abschiebung von Pro-Putin-Influencerin Julia P.

von | Dez 3, 2022 | Faktencheck

Die pro-russische Influencerin Julia P. ist weiterhin in Deutschland und sitzt auch nicht in Untersuchungshaft. Tatsächlich sind Abschiebungen von Deutschland nach Russland sogar ausgesetzt. Doch das erfährt man natürlich nicht, wenn man pro-russischen Propaganda-Kanälen folgt, die Fake News verbreiten, um Opfernarrative zu inszenieren.

Die „frierende“ russische Influencerin ist weiter in Deutschland und auch nicht in Haft

Zu Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg in der Ukraine gehören nicht nur Panzer und Raketen. Die Kriegsführung von Wladimir Putin umfasst auch nicht-militärische Bereiche. Längst findet der Krieg zum Beispiel auch im wirtschaftlichen Bereich statt. Doch nicht zu unterschätzen ist ebenso die Propaganda-Schlacht, welche der Kreml mit finanzierten Trollen, „nützlichen Idioten“ im Netz und auch in anderen Medien wie dem staatlich kontrollierten Propagandasender Russia Today führt. Teil dieser Strategie sind unter anderem prorussische Influencer, die in den sozialen Netzwerken unterschwellig oder offen Inhalte der Kreml-Propaganda verbreiten. Über eine von ihnen, Julia P, berichtete Volksverpetzer bereits Ende Oktober.

Kurz und knapp: Eine in Deutschland lebende russische Influencerin, die sich prorussischen Medien gegenüber als frierendes Opfer inszeniert, um zu zeigen, wie sehr Deutschland vermeintlich unter den Sanktionen gegen Russland leide. Und wenn sie sich nicht gerade bei Außentemperaturen über 14 bis 18 Grad in einen dicken Wintermantel schmeißt, bedrängt Julia P. geflüchtete Ukrainer:innen auf der Straße, denen sie verkündet: „Russland wird gewinnen“. Nun soll sie laut Berichten von prorussischen Propagandist:innen wie etwa Alina Lipp, abgeschoben worden sein. Und während Abschiebungen Rechte meistens höchstens in Schadenfreude versetzen, gilt das offenbar nicht für Julia P. Irgendwie muss das Narrativ einer unrechtmäßigen Verfolgung prorussischer Propaganda wohl aufrechterhalten werden. Doch weder ist die Russin auf dem als Hinweis verbreiteten Video zu sehen, noch wurde sie überhaupt abgeschoben.

Man springt auf den Zug auf – und liegt gleich doppelt falsch!

Besagtes Video zeigt eine blonde Frau in Begleitung eines jungen Mannes. Die Frau unterhält sich am Flughafen lächelnd mit zwei Polizisten und folgt diesen dann aus dem Bild. Prorussische Propaganda liefert auch direkt den passenden Kontext dazu: „Yulia Prokhorova wurde möglicherweise abgeschoben, nachdem man sie beschuldigt hatte, sich illegal im Land aufzuhalten […] Vermutlich wurde sie auf einen Flug nach Istanbul gesetzt.“

Quelle: Screenshot Telegram

Alina Lipp hat inzwischen Begriffe wie „vermutlich“ und „wahrscheinlich“ eingestreut, um ihre einseitige und irreführende Propaganda einen vermeintlichen Anschein von journalistischer Vorsicht und eine Ausrede zu bieten, um sich herauszureden, wenn ihre Meldungen wie so oft sich als falsch herausstellen. Viel zu oft blamierte sie sich schon damit.

Doch auf Nachfrage des Recherchezentrums Correctiv bei der Bundespolizeidirektion Berlin äußert diese, dass Julia P. in dem Video nicht zu sehen ist. Das fiel nach ihrem Posting wohl auch Alina Lipp auf, die nun zurückruderte und behauptete: „In dem Video heute Morgen, das angeblich zeigen soll, wie die Bloggerin Julia Prochorova aus Deutschland abgeschoben wird, ist nicht Julia zu sehen. Demnach ist sie immer noch in Untersuchungshaft.“

Quelle: Screenshot Telegram

Und wieder liegt Lipp falsch. Denn auch das verneint die Bundespolizeidirektion Berlin gegenüber Correctiv. Julia P. ist weder im geteilten Video zu sehen, noch wurde sie abgeschoben und auch in Untersuchungshaft sitzt die 30-Jährige nicht. Doch diese Falschdarstellung auch noch aufzuklären, so viel Selbstkritik ist dann bei Lipp wohl doch nicht drin, schließlich würde das gewünschte Narrativ dadurch zusammenfallen.

Hat sich Julia P. der Billigung von Straftaten schuldig gemacht?

Tatsächlich ist Julia P. für die Polizei dennoch keine komplett Unbekannte. Denn gegen die Russin wird seit Mai 2022 wegen des Verdachts der Beleidigung und der Billigung von Straftaten ermittelt. Das Polizeipräsidium Niederbayern und die Staatsanwaltschaft Landshut führten bereits Mitte Oktober eine Durchsuchung ihrer Wohnung durch, bei der sie drei Smartphones und ein Notebook beschlagnahmten. Der Vorwurf gegen Julia P. lautet nach einer Presseerklärung der beiden Ämter: Sie habe mutmaßlich seit Mai 2022 mehrfach den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befürwortet und verherrlicht. Darüber hinaus soll sie Anfang August 2022 eine Userin online beleidigt haben.

Warum ersteres eben keine ‚freie Meinungsäußerung‘, sondern durchaus strafrechtlich relevant ist, erklärte das Bundesinnenministerium schon Ende März 2022 auf Twitter. In besagtem Tweet heißt es: „Der russische Angriffskrieg gegen die #Ukraine ist eine Straftat. Wer diesen Angriffskrieg öffentlich billigt, kann sich strafbar machen.“ [sic] Dieser rechtliche Grundsatz findet sich in Paragraf 140 des deutschen Strafgesetzbuches wieder. Dort heißt es: Wer eine rechtswidrige Tat belohnt oder billigt, hat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe zu rechnen. Auch über diese Thematik berichtete übrigens der Volksverpetzer schon:

Abschiebungen nach Russland sind derzeit ausgesetzt

Entgegen den falschen Narrativen der Pro-Putin-Propagandistinnen ist Deutschland weiterhin ein Rechtsstaat und eine Demokratie – zumindest definitiv im Gegensatz zu dem von ihnen verherrlichten Russland. Wo Leute „verschwinden“, wenn sie dem Regime unangenehm werden, das ist Russland, sorry Alina. Erschwerend kommt wohl hinzu, dass die Russin laut Polizeibericht ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland verweilt.

Fakt ist: Trotz dieser Umstände kann und darf die Russin nicht abgeschoben werden – denn Abschiebungen von Deutschland nach Russland sind aktuell ausgesetzt. Darüber hinaus sitzt sie laut der Bundespolizeidirektion Berlins auch nicht in Untersuchungshaft. Aber das ist prorussischen Propagandist:innen wie Alina Lipp wohl egal. Sie hatten schließlich ihre polarisierende Schlagzeile, die Putin-Freund:innen einmal mehr als Opfer inszeniert. Es wäre wohl zu viel verlangt, Julia P.s gehässige Taten für das anzuerkennen, was sie sind: Gefährliche Unterstützung eines brutalen Autokraten.

Artikelbild: Screenshots