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Ein AfD-Aktivist ist also der mutmaßliche Lübcke-Mörder – Wo ist der Aufschrei?

von | Jan 22, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Kommentar, Schwer verpetzt

Wie die AfD mit mutmaßlichen Mördern zusammenhängt

Als der AfD-Politiker Magnitz im Januar 2019 angegriffen wurde, verletzte er sich bei einem unglücklichen Sturz in Folge eines Schlages. Die AfD sprach sofort von einem “Mordanschlag” von “Linksextremen” – Doch wer die Täter waren und deren Motive ist bis heute unklar. Die Staatsanwaltschaft und Augenzeugen widersprachen der völlig falschen Behauptungen der AfD, die den Fall sofort ausschmückte und instrumentalisierte:

Fall Magnitz: Helfender Handwerker widerspricht der AfD-Darstellung

Ganz anders als der CDU-Politiker Walter Lübcke im Juni auf seiner Terrasse erschossen wurde. Erst Tage später gab es die ersten Berichte, es wurde vorsichtig formuliert. Zu Recht natürlich. Wie über Magnitz mit Begriffen wie “schwer verletzt”, “Attacke”, “Überfall” berichtet wurde und über Lübcke mit “tot/verstorben” und am häufigsten, dass man ihn tot “gefunden” habe, haben wir hier seinerzeit hier ausführlich analysiert. Rechtsextreme und auch offizielle AfD-Accounts feierten allerdings buchstäblich den Mord.

Grausam: So widerlich feiern Rechtsextreme den Mord an Lübcke

Eine völlig normale Entwicklung in den rechtsextremen AfD-Gruppen. Dort ist es regelrecht Alltag, unliebsamen Politiker*innen und Medienschaffenden den Tod zu wünschen (Mehr dazu). Die AfD-Parteispitze distanziert sich nicht, verurteilt das nicht. Im Gegenteil, man teilt Fake News und Hetze, um seinem Publikum einen Anlass für die Morddrohungen zu geben. Kritische Stimmen werden gelöscht, während Drohungen stehen bleiben dürfen.



Die AfD und die mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke

Als später bekannt wurde, dass Lübcke mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten ermordet wurde, blieb die AfD bei einer Schweigeminute demonstrativ sitzen und behauptete, ohne Merkels Flüchtlingspolitik würde dieser noch leben (Quelle). Inzwischen ist bekannt geworden, dass die mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke nicht nur an die AfD gespendet hatten, sondern sehr aktiv in der AfD waren. Sie haben Wahlplakate für die AfD aufgehängt, ihre Parteitreffen besucht und sind mit ihnen in Chemnitz mitmarschiert (Quelle).

Und nicht nur das: Das Hetz-Video, dass ein Zitat Lübckes derart entstellte und ihn zur monatelangen Zielscheibe von Morddrohungen (und wohl auch dem Mord) machte, wurde wohl von den mutmaßlichen Mördern selbst angefertigt und hochgeladen (Quelle). Neben Politikern von FDP und der „Werte“Union verbreitete das Video vor allem die AfD. Die AfD kann nichts dafür, wenn mutmaßliche Mörder sie unterstützen. Sie kann nichts dafür, dass sie ein Hetz-Video von späteren, mutmaßlichen Mördern verbreitet. Vorwürfe wären unseriös.

Es ist viel zu ruhig

Die AfD weist Vorwürfe von sich, was könne sie dafür, wenn Mörder sie unterstützen? Aber es ist absurd: Die AfD verbreitet die Hetze dieser mutmaßlichen Mörder, heizt deren Feindbild ein, ignoriert die unzähligen Morddrohungen aus ihrem Lager, distanziert sich nicht, verurteilt diese nicht, im Gegenteil, sie werden befeuert. Wenn die Partei wirklich eine demokratische Partei sein möchte, warum stört es sie nicht, wenn mutmaßliche Mörder sie wählen?

Die Partei wird bereits teilweise vom Verfassungsschutz beobachtet, kein Wunder, wenn Neonazis, Faschisten und Rechtsextreme in der Partei nicht nur geduldet sind, sondern sogar hohe Ämter bekommen und die stärkte Gruppe innerhalb der Partei ausmachen (Mehr dazu). Doch die AfD will lieber gegen den Verfassungsschutz klagen, als sich von buchstäblichen Nazis zu distanzieren. Natürlich sollen wir nicht genauso faktenfrei wie die AfD einen Mordfall instrumentalisieren und haltlose Behauptungen aufstellen.

Doch die AfD schafft es, unschuldig zu erscheinen, während der ganze Skandal des Lübcke-Attentats und die Verbindungen der AfD zu den mutmaßlichen Mördern nur tröpfchenweise an die Öffentlichkeit gelangt. Anstatt am Tag darauf zu lesen, dass ein AfD-Aktivist einen CDU-Politiker umgebracht hat, erfahren wir das ein halbes Jahr später. Und dann hat man sich an den Skandal gewöhnt. Es ist nur eine kleine Steigerung, die kaum jemanden interessiert. Die AfD spricht bei einem Schlag auf Magnitz an Tag 1 von „Mordanschlag“. Und wie Sascha Lobo kürzlich erklärte: Der erste Eindruck ist alles, was zählt.

Aber auch dieser Hinweis wird keinen interessieren, oder?

Unsere Leser*innen müssen bestimmt nicht darüber aufgeklärt werden, dass die AfD rechtsextrem ist. Eine Mehrheit der Deutschen weiß das (Quelle). Hey, selbst jeder vierte AfD-Wähler weiß das (Quelle). Die SPD weiß das. Auch die CDU weiß das, obwohl das nicht jeder in der Partei mitbekommen zu haben scheint, wenn manche laut über eine Koalition nachdenken (Mehr dazu). Aber auch führende CDU-PolitikerInnen geben der AfD eine Mitschuld an der Hetze, die womöglich zum Attentat auf Lübcke führte (Quelle).

Und die AfD? Für die ist das natürlich alles „linke Hetze“, was denn auch sonst. Die AfD dreht sich die Tatsachen ganz so, wie es ihr gerade passt. Bei Viersen, Magnitz, München, Notre Dame, Münster, Bottropp und vielen anderen Fällen hatte die AfD keine Skrupel, Unschuldige verantwortlich zu machen oder Täter mit rechtsextremen und rassistischen Motiven kurzerhand zu Islamisten zu basteln. Die AfD lügt, verschweigt und heuchelt was das Zeug hält. Und stellt sich dabei dennoch in jeder Situation als das Opfer dar. Wir haben das unzählige Male dokumentiert.

Ihre Fans, die sich teilweise schon völlig aus der Realität in die AfD-Filterblase verabschiedet haben, sind völlig indoktriniert und weder mit Fakten noch Argumenten zu retten. Falls sie diesen Artikel überhaupt zu Gesicht bekommen, klicken sie ihn sicher nicht an. Da wird dann im besten Fall ein Hasskommentar gepostet oder im schlechtesten Fall wieder mal Morddrohungen oder Freude über den Tod Lübckes geäußert. Was das Argument über die Mitverantwortlichkeit für jeden klar denkenden Menschen wieder selbstevident macht.

Also, was tun?

Wir können uns also die Mühe sparen. Und es braucht keinen ermordeten Politiker, um zu wissen, dass dieser Hass und die Hetze keinen Platz in unserer Gesellschaft haben sollten. Was fangen wir also jetzt mit der AfD an? Mit ihrem Hass? Mit ihren Anhängern, die mutmaßlich Menschen ermorden oder es zumindest gut heißen? Ich glaube, ein gewisser Teil der AfD ist nachhaltig für die Demokratie und die Realität verloren. Dagegen kann man kaum was machen, das muss man leider in einem freien Land akzeptieren. Es ist eine Perversion, die ausgerechnet in Deutschland mit seiner Geschichte alle Alarmglocken schlagen lassen sollte!

Nein, nicht jeder AfD-Politiker oder -wähler ist ein Nazi. Gauland meinte, der vom Verfassungsschutz teilweise bereits beobachtete, völkisch-nationalistische Flügel mache etwa 40% der AfD aus. Was natürlich heißt, dass es der stärkste Flügel der Partei ist. Die anderen sind aber halt trotzdem Mitläufer und drücken das rechte Auge zu, um damit an die Macht zu kommen. Unschuldig sind sie damit eben auch nicht. Wir wissen alle, dass die AfD vom Klima des Hasses profitiert und es aktiv mit erzeugt.

AfD stets abgrenzen

Es ist ein freies Land, und die AfD darf gewählt werden, wenn jemand das möchte. Aber dann ist es die Aufgabe aller Demokrat*innen, sich stets klar von der AfD abzugrenzen. Stets Hass und Hetze deutlich zu verurteilen. Ihnen keine Ämter zuzugestehen, sie in keine zu wählen und erst Recht keine Koalitionen mit ihr einzugehen, solange sie keine demokratische Partei ist. Wir müssen uns und allen immer klar machen: Das ist keine normale Partei. Und nichts und niemand darf sie normalisieren.

Der Verfassungsschutz und die Behörden müssen dringend genauer hinschauen, was nach den unzähligen Skandalen von NSU bis NSU 2.0 (pervers, oder?) nicht viel Mut macht, aber das Richtige wäre. Vielleicht wäre Druck von der Politik hier entscheidend. Das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Ordnung unseres schönen Landes müssen geschützt werden. Wir brauchen eine Überwachung der AfD, damit wir vielleicht den nächsten Mörder unter den AfD-Aktivisten finden, bevor er zuschlägt. Unsere Bürger*innen müssen geschützt werden!

Und tut mir leid, wenn das jetzt keine weltbewegende Erkenntnis ist. Aber diese Botschaft richtet sich nicht an diejenigen, die das längst wissen. Und auch nicht an diejenigen, die zu verblendet sind, um das wahr haben zu wollen. Sondern an den wichtigen Teil der Bevölkerung – und vielmehr: Der Politik – die diese Lektion nach all dem immer noch nicht gelernt hat. Bitte, überschreitet keine roten Linien. Sonst wird die AfD noch für ganz andere Dinge mitverantwortlich sein.

Artikelbild: Matthias Wehner (Gauland), Foto-berlin.ne (von Storch), shutterstock.com

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