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Statt Merz: Könnte die CDU mit diesen Politikern die AfD schlagen?

von | Jul 24, 2023 | Aktuelles

Immer mehr Hetze mit rechtsradikaler Rhetorik, immer mehr rechte Desinformation, Lob für Pechsteins rechtspopulistische Rede in Uniform auf dem Parteitag, viele Beispiele von Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten auf kommunaler Ebene: Die selbsternannte „Brandmauer“ der CDU wackelte unter Parteichef Friedrich Merz bereits enorm. Am Sonntag riss er sie komplett ein. Merz hatte im ZDF-Sommerinterview zwar bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD auf Bundes- oder Landesebene kooperieren werde, aber eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene sei nicht auszuschließen.

Die Kritik und das Entsetzen sind riesig. Den Faschisten zur Machtergreifung die erste Tür öffnen, das geht allen zu weit. Während die AfD feixend jubelt, ist Ablehnung, Protest und Kritik aus allen Parteien zu hören – ganz besonders aus der CDU selbst. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: „Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da Zusammenarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist.“

Hier haben wir die heftigsten CDU-Reaktionen auf Merz gesammelt:

Die CDU geht im „Kulturkampf“ unter, wie zuvor die Republikaner unter Trump. Die Partei scheint sich unter ihm immer mehr in Richtung Rechtsaußen zu orientieren. Wie diese Strategie völlig nach hinten losgeht, zeigen nicht nur Studien, sondern auch jetzt schon Umfrageergebnisse: Während die CDU kaum hinzugewinnt, werden die Faschisten immer beliebter. Doch die CDU könnte auch anders. Mit Politikern, die nicht nur am rechten Rand Anklang finden, sondern in der breiten Mitte der Gesellschaft.

AfD bedankt sich beim Support durch die Merz-CDU

Claudia Pechstein, Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, Polizeihauptmeisterin und ehemalige Kandidatin der CDU für den Bundestag. Eigentlich sollte sie beim kleinen Parteitag der CDU nur über die Bedeutung des Ehrenamts für den Sport und das Vereinswesen reden – wenig Material für Kontroversen eigentlich, oder? Auf einmal legt in bester AfD-Manier los:

Abgelehnte Geflüchtete sollten konsequenter abgeschoben werden, da man sich sonst in den „öffentlich-rechtlichen“ Verkehrsmitteln (??) nicht mehr sicher fühlen könne. Auch Regenbogenfamilien bekundet sie ihre Ablehnung: Kinder wünschten sich angeblich in erster Linie Vater und Mutter. Problematischer als ihre rechtspopulistische Rede waren jedoch die Reaktionen der CDU unter Merz: Merz beispielsweise nannte ihren Auftritt „brillant“. Der Auftritt in Uniform war da fast eine Nebensache: Die Bundespolizei leitete eine dienstrechtliche Prüfung ein. Eine Analyse ihrer Rede und der rechten Propaganda, die jetzt in der CDU offenbar normal geworden ist:

Das wird nicht nur von Linksaußen kritisiert, sondern stößt bei allen demokratischen Parteien übel auf – einschließlich aus der Union selbst. Marco Wanderwitz zeigte sich entsetzt über die „permanenten Durchbrüche“ der Brandmauer der CDU.

Das Problem am rechten Merz-Kurs

Parteichef Friedrich Merz und seine Anhänger:innen versuchen vielleicht, durch rechte Rhetorik, rechte Fake News und rechte Feindbilder potenzielle AfD-Wähler:innen abzufangen. Zumindest, wenn man dieses Verhalten wohlwollend auslegen möchte. Doch diese Rechnung scheint einfach nicht aufzugehen, wenn die Rechtsextremisten der AfD erstmals Wahlen gewinnen und in Umfragen stark sind wie nie.

Doch, dass die Rechtsextremisten allein profitieren, ist nicht das einzige Problem. Seine verbalen Entgleisungen (Schüler als „Paschas“ zu bezeichnen) und seine diversen Versuche, sich dem Niveau der AfD anzupassen, haben ihm offensichtlich keine Sympathiepunkte eingebracht – im Gegenteil: In der Bevölkerung sind die Beliebtheitswerte vom Merz im Keller. Merz ist sogar unbeliebter als einige der wichtigsten Ampel-Politiker wie Baerbock, Lindner oder Kanzler Scholz.

ARD-DeutschlandTREND, Statista

Laut Civey wird sein politischer Kurs von mehr als der Hälfte als eher negativ oder sehr negativ bewertet. Selbst die Mehrheit der CDU-Anhänger ist unzufrieden mit Merz. Auch zum Beispiel in Thüringen gibt es trotz großer Ablehnung beider Parteien viel mehr Zuspruch zum linken Ministerpräsident Ramelow als zum Faschisten Höcke.

Andere in der CDU sind viel beliebter als Merz – aus gutem Grund?

Indem sich Merz also nicht von der AfD abgrenzt und den Rechten stattdessen Wähler:innen abfischen will, verpasst er die Chance, seiner Partei wieder den „Partei der Mitte“-Anstrich zu verpassen, den sie dringend nötig hätte. Die Liste von CDU-Mitte-Politiker:innen, die klare Kante gegen Rechts zeigen – und damit auch erfolgreich sind – ist nicht kurz.

Schauen wir auf das bevölkerungsreichste Bundesland und den dortigen CDU-Ministerpräsidenten: Hendrik Wüst. In NRW im Amt seit 2021 macht er einen hervorragenden Job und wurde für Merz zu einem ernst zu nehmenden Herausforderer im (noch inoffiziellen) Rennen um die Kanzlerkandidatur der CDU für die nächste Bundestagswahl.

Wüst gibt sich in NRW betont mitte-orientiert und versucht, alle mit seiner Politik zu begeistern. Im Gegensatz zu Merz grenzt er sich dabei jedoch deutlich von Rechtsaußen ab. Im krassen Gegensatz zu Pechsteins O-Ton beim kleinen Parteitag der CDU macht Wüst klar, dass er nicht nur für das traditionelle Familienbild Politik macht, sondern für alle Familien:

Quelle

Erfrischend modern gibt er sich auf Twitter: anstatt nur auf traditionell „deutsche“ Feiertage zu verweisen, macht er subtil, aber deutlich klar, dass auch Muslim:innen zu Deutschland gehören und sieht es daher als Selbstverständlichkeit an, einen der im Islam höchsten Feiertage ebenfalls zu würdigen.

Quelle

Offensichtlich ist sich Wüst auch fürs Gendern nicht zu schade – ein Thema, das Friedrich Merz ja ein besonderer Dorn im Auge ist. Das scheint Wüsts Beliebtheit jedoch keinen Abbruch zu tun: Im NRW-Trend vom Juni ist er der beliebteste hypothetische CDU-Kanzlerkandidat – sowohl auf das gesamte Bundesland als auch auf CDU-Anhänger:innen gerechnet.

Wüst hat erkannt: mehr politik der mitte = weniger Afd

In einem Gastbeitrag in der FAZ rechnete er scharf mit der Populismus-Strategie seines Parteivorsitzenden ab und machte einmal wieder seine deutliche Mitte-Positionierung in der Partei deutlich.

Unter anderem schreibt er dort:

„Wer nur die billigen Punkte hervorhebt und sich mit den Populisten gemein macht, legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos. (…) Wir machen Politik mit dem Herzschlag der Mitte.“

Hendrik Wüst

Obwohl Wüst Merz mit keinem Wort in seinem Gastbeitrag erwähnt, ist klar, gegen wen sich Wüsts Beitrag richtet. Die Kritik an seinem Populismus-Kurs hört Merz offensichtlich sehr ungern: Er stellte die angebliche Unzufriedenheit der Bürger:innen mit den Landesregierungen auf eine Ebene mit der Unzufriedenheit gegenüber der Ampelregierung und setzt Wüst so öffentlich herab. Merz wäre jedoch besser beraten, Politiker:innen in den eigenen Reihen, die sich klar von rechts abgrenzen, besser zuzuhören und deren Vorschläge zu einer Neupositionierung der Partei in der Mitte ernst zu nehmen. Denn Wüst ist nicht der einzige beliebte CDU-Politiker, der Merz nicht nach Rechtsaußen folgt, sondern für einen Kurs der Mitte steht.

Daniel Günther: Der beliebteste CDU-Politiker

Da wäre zum Beispiel ein weiterer Ministerpräsident: Daniel Günther, seit 2017 Ministerpräsident Schleswig-Holsteins. Günther nimmt in seiner Kritik am Konfrontationskurs von Friedrich Merz kein Blatt vor den Mund. Die Attacken von Merz gegen die Grünen sieht er kritisch und mahnt auch in der Zuwanderungsdebatte einen moderneren Mitte-Kurs an. Bewusst stärkt er Wüst den Rücken – sein Lob von Wüsts Gastbeitrag in der FAZ ist da kein Zufall.

Während die AfD derzeit vor allem im Osten auf Höhenflug ist, hat Günther es 2022 geschafft, dass die AfD nicht mehr in den Landtag eingezogen ist.

Während bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 die CDU noch die Partei war, die am meisten Stimmen an die AfD verlor, kehrte sich dieser Trend 2022 um: Die CDU war dort dieses Mal die Partei, an die die AfD die meisten ihrer Stimmen verlor. Die Taktik: sich inhaltlich und rhetorisch nicht der AfD annähern. Im Gegenteil: Die CDU gibt sich in Schleswig-Holstein abgrenzend zum Rechtspopulismus und nimmt in den Politikfeldern Klimaschutz, Digitalisierung und auch Zuwanderung konstruktive Haltungen ein. Auch in der aktuellen Debatte um das Umfrage-Hoch der AfD kritisiert Günther den Rechtsruck der eigenen Partei und macht deutlich, dass sich die CDU auch bei gesellschaftspolitischen Themen wie der eingetragenen Lebenspartnerschaft progressiver zeigen müsse.

Quelle

Und die Wähler:innen? Sie lieben es: Im Forsa-Politikerranking ist Daniel Günther der beliebteste CDU-Politiker aktuell und liegt mit seinem konsensorientierten Politikstil klar vor Friedrich Merz. Der schneidet mit seinem Konfrontationskurs deutlich schlechter ab – eine Lehre auch für Jens Spahn, der mit „Kulturkampf“-Schuldzuweisungen provoziert?

laschet zeigt im Bundestag: so geht Mitte-politik, die parteiübergreifend zuspruch erhält

Anfang Juli triumphierte auch der CDU-Abgeordnete und ehemalige Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet im Bundestag mit seiner emotionalen Rede gegen die AfD. In nicht einmal fünf Minuten zerlegte er die Faschisten und machte deutlich, wie sehr die Partei Fakten verzerren, falsch darstellen und für ihren eigenen Nutzen instrumentalisieren. In der Aktuellen Stunde des Bundestags zu den Ausschreitungen in den Pariser Banlieues machte Laschet klar, dass nicht die Bewohner:innen in den betroffenen Banlieues das Problem sind, sondern mehr Geld für Bildung, bessere Lebensbedingungen und Aufstiegschancen benötigt wird.

Seine brilliante Rede stieß parteiübergreifend auf großen Zuspruch. Bereits während der Rede applaudierten alle außer der AfD und vor allem im Nachgang bedankten sich Politiker:innen aus den eigenen Reihen, von den Linken, den Grünen, der FDP und der SPD bei Laschet. Die Begriffe «Starke Rede» und «Laschet» trendeten zeitweise auf Twitter. Sein Tweet wurde parteiübergreifend retweetet und positiv kommentiert.

Quelle

Laschets Rede machte klar: Um die AfD in Zaum zu halten, braucht es parteiübergreifende Zusammenarbeit, die aber von gegenseitigem Respekt und Konstruktivität genährt wird und nicht von Konfrontation bei jeder Gelegenheit, wie Merz und Söder es zu tun pflegen.

Ruprecht Polenz parteiübergreifend beliebt auf Twitter

Ruprecht Polenz, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und Ex-CDU-Generalsekretär, ist ein weiteres Beispiel für einen CDU-Politiker, der es schafft, parteiübergreifend Zuspruch zu erhalten und dabei für einen modernen Mitte-Kurs der CDU einzustehen. Klarer Merkel-Fan, ist er vor allem durch seinen viralen Twitter-Auftritt bekannt und hat sich über die Plattform eine beachtliche Community aufgebaut. 2020 wurde der Senior-Influencer als „Newcomer des Jahres 2019“ mit dem Goldenen Blogger-Preis ausgezeichnet. Bemerkenswert ist seine Fähigkeit, seine Ansichten derart konsensorientiert zu vermitteln, dass auch viele, die politisch auf der gegensätzlichen Seite stehen, ihn als kompetente Stimme schätzen.

Quelle

In seinem Essay „Die Welt ist nicht Schwarz-Weiß“ macht er deutlich, was konservativ sein für ihn bedeutet:

Die CDU hat konservative Wurzeln, aber der Stamm der Partei wird in gleicher Weise von ihren sozialen und liberalen Wurzeln genährt. In ihren programmatischen Früchten kommen die drei Strömungen zusammen. Die CDU ist keine (rein) konservative Partei.

Ruprecht Polenz

Polenz steht mit seinen Haltungen der konservativen Mitte dabei so diametral im Gegensatz zu Merz, dass es nicht wundert, dass er dessen Kurs regelmäßig kritisiert. Er begegnet dem Konfrontationskurs seines Parteivorsitzenden, derzeit gegen die Grünen, kritisch und grenzt sich von dessen Polemisierung deutlich ab. Auch in der Einwanderungsdebatte steht er für einen modernen Weg der Mitte:

Quelle

madsen: ein mitte-anker im norden

Auch aus dem Norden erfährt Merz ordentlich Gegenwind. In das Mitte-Lager des CDU-Ministerpräsidenten Günther reiht sich auch dessen Wirtschaftsminister, Claus Ruhe Madsen ein. Dieser sticht vor allem durch seine moderne Haltung in der Integrationsdebatte hervor.

Quelle: Screenshot twitter.com, aus einem Interview mit brandeins

Madsen trat erst im Mai diesen Jahres in die CDU ein. Der Deutsch-Däne, der im Februar die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte, machte bereits vor seinem Parteieintritt Schlagzeilen als erster ausländische Minister einer deutschen Landesregierung. Gelungene Integration ist somit sein Steckenpferd, mit dem er punkten kann. Doch auch schon als parteiloser Oberbürgermeister Rostocks erhielt er vor allem durch seine Corona-Politik viel Lob. Politisch steht er seinem Ministerpräsidenten, Daniel Günther, nahe.

gegenwind für merz auch aus der cdu-bundestagsfraktion

Merz´ Kurs kommt jedoch nicht nur bei seinen Parteikollegen auf Landesebene schlecht an. Auch aus der CDU-Bundestagsfraktion kommt ordentlich Kritik. Wie hier beispielsweise von Yvonne Magwas, Bundestagsvizepräsidentin:

“Als Union sind wir gut beraten, konstruktiv kritisch unserer Oppositionsaufgabe nachzukommen. Ohne schrille Töne, ohne populistisches Wording.” 

Yvonne Magwas, Bundestagsvizepräsidentin

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, kritisiert die Kooperation der CDU mit der AfD scharf, vor allem auf kommunaler Ebene im Osten. Nach seinen Angaben gebe es in der Union etliche Politiker:innen, die eine Zusammenarbeit mit der AfD herbeisehnten oder mindestens tolerierten. 

klimaunion: ein weiteres bollwerk für inhalte statt konfrontation

Am 27. März 2021 wird die Klimaunion gegründet, von Mitgliedern der Union, die sich für mehr Klimapolitik in ihrer eigenen Partei stark machen wollen. Das Gründungsdatum ist dabei symbolträchtig. Der 27. März war 2021 das Datum der jährlich stattfindenden Earth Hour, eine weltweite Klimaschutzaktion, bei der an vielen öffentlichen Orten das Licht ausgeschaltet wird, um auf mehr Klimaschutz aufmerksam zu machen.

Wie diametral sich die Ansichten der Klimaunion und des populistischen Lagers der CDU entgegenstehen, zeigen wenige Worte:

Stand der Klimaunion 2021:

„Das Schlimmste, was jetzt passieren könnte, wäre, wenn Kräfte in der CDU die Oberhand gewinnen, die eine populistische Anti-Klimapolitik an den Tag legen.“

Heinrich Strößenreuther, Klimaunion Co-Founder

Stand CDU 2023:

„Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht.“

Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender

Die Ansage von Merz, dass Klimapolitik überwertet werde, ist ein direkter Hieb gegen die Klimaunion, gegen seine eigene Leute. Politiker:innen, die eigentlich versuchen, mit überparteilicher Konsenspolitik die so wichtigen Klimaziele noch einigermaßen zu erreichen. Die Angst vor populistischer Anti-Klimapolitik ist wahr geworden.

Screenshot twitter.com

Wie sehr sich Merz damit ins eigene Fleisch schneidet, zeigt folgender Kommentar eines ehemaligen CDU-Mitglieds. Ein Wegkommen vom Konfrontations- und Populismuskurs wäre dringend angebracht.

reminder: Merz‘ Strategie geht nach hinten los

Wir erinnern uns an die Aussage von Parteichef Merz Anfang Juni: „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar Hundert mehr Stimmen zur AfD.“ Dieser „Kulturkampf“ um Identitätspolitik ist jedoch ein so kleines Randthema, dass Merz sich in seiner Gender-Verbitterung so sehr verliert, dass die wirklich wichtigen Themen für die Bevölkerung (Klimaschutz, Demografie, Inflation etc.). vergessen werden. In der emotionalen Migrationsdebatte stehen Teile der Union dem Populismus der AfD nichts nach

Der Chef der Jungen Union fordert Zäune an Europas Außengrenzen, bereits in der Vergangenheit stellte Merz in Frage, ob das Grundrecht auf Asyl in der Verfassung fortbestehen sollte und sein CDU-Parteifreund Spahn teilte bereits im Mai seine Zweifel über die Genfer Flüchtlingskonvention.

Zur Integrations- und Flüchtlingsdebatte, die seitens der CDU immer populistischer geführt wird, kommen die gehäuften Kooperationen der CDU mit der AfD auf Landesebene, vor allem in ostdeutschen Bundesländern

Das alles, um potenzielle AfD-Stimmen zu gewinnen? Eine Strategie, die nicht aufgeht.

“Beim Kulturkampf hat die AfD Heimvorteil. Auf das Narrativ, dass eine kulturelle Elite die normalen Bürger umerziehen wolle, hat die AfD das Copyright. Mit Kulturkampf normalisieren Merz und Söder die AfD.”

Johannes Hillje, Politikberater, im RND 

Eigentlich sollte die CDU es doch schon besser wissen: Bereits bei der Bundestagswahl 2021 ging der Versuch, der AfD Wählerstimmen durch die Kandidatur von Hans-Georg Maaßen abzufangen, nach hinten los. Der ultrarechte Maaßen verlor sowohl Erst- als auch Zweitstimmen und erhielt auf ganz Thüringen gerechnet die wenigsten Stimmen für die CDU. Die AfD selbst erhielt dagegen einen Stimmenzuwachs. „Fun Fact“: Wie schlecht diese Strategie der „Wählerrückgewinnung“ funktioniert, zeigte die Landratswahl in Sonneberg. Der AfD-Kandidat gewann gegen den CDU-Kandidaten in der Stichwahl. Die AfD stellt nun erstmals einen Landrat in Deutschland – und das genau im Maaßen-Wahlkreis.

die cdu braucht mehr mitte-politik

Merz‘ Populismus ist brandgefährlich. Denn seine Strategie beinhaltet:

“…natürlich immer die Gefahr, dass man Wählerinnen und Wählern damit das Original schmackhaft macht. Und das Original ist bei allem rhetorischen Rabatz, den die Union schlägt, immer die AfD.”

Politikwissenschaftler Michael Koß im WDR, 02.06.2023

Für sich spricht dabei ein Leserkommentar, bezogen auf den Essay von Polenz zu Konservativismus und Fortschritt. Mit seiner Ernüchterung über die Merz-Union steht der Leser damit sicher nicht alleine…

Quelle

Merz kann sich noch einiges von merkel abschauen

Ein Blick in die Vergangenheit der CDU zeigt: Es ist nicht immer so gewesen, dass die Konservativen mit den Rechten kuscheln. Dabei ist klar, dass man Merkels Politik nicht zu 100 % gutheißen muss. Klar ist aber auch, dass sie es geschafft hat, 16 Jahre lang erfolgreich zu regieren. Mit ihrem Kurs der Mitte. Und es ist offensichtlich, dass sie damit besser gefahren ist als Merz mit seinem Kurs der Polarisierung (Grüne sind neue Hauptgegner) und des Populismus. Es ist soeben kein Zufall, dass die aktuellen Mitte-Politiker:innen der CDU oftmals auch Merkel nahestehen und mit ihrer Politik die Partei wieder mehr in Richtung Konsens- und Lösungsorientierung lenken wollen.

Screenshot twitter.com

Mehr Kante gegen die AfD, weniger Angriff auf demokratische Parteien sind nötig

Es gibt viele Stimmen in der CDU, die gegen den Hart-Rechtskurs des derzeitigen Parteivorsitzenden stehen. Ein Parteivorsitzender, der entweder durch strategische Tabu-Brüche eine Regierung mit Faschisten vorbereitet, oder unfähig zu sein scheint, sich klar kommunikativ auszudrücken. Der Protest aus der CDU über seinen jüngsten Tabubruch ist groß. Und Politiker, die für eine klare Abgrenzung zu Rechtsextremismus und unzweideutigem Bekenntnis zur Brandmauer stehen, gibt es viele.

Sie alle eint ein Kurs der politischen Mitte, der darauf abzielt, Konsens mit den demokratischen Parteien zu bilden, anstatt den Rechten mit populistischer Rhetorik Stimmen abwerben zu wollen und die Grünen zu attackieren. Und sie haben Erfolg damit – ihre Beliebtheit spricht für sich. Das ist der Kurs, auf den die CDU abzielen sollte, um wieder eine stärkere Oppositionspartei zu werden und der AfD die Stirn bieten zu können, anstatt in ihrem rechtspopulistischen Teich mitzufischen. Was offensichtlich nur die Rechtsextremen stärkt.

Wir brauchen ganz dringend mehr Konservative, die an Sachpolitik interessiert sind, die auf dem Boden der Tatsachen bleiben, die fairen Diskurs statt rechten Kulturkampf betreiben. Und dabei nie vergessen, dass der wahre Feind für Wohlstand und Stärke unseres Landes ganz rechts im Bundestag sitzt. Inhalte statt Populismus und Kulturkampfdebatten sollte die Devise sein! Man muss nicht einer Meinung mit ihnen sein, um das anerkennen und wertzuschätzen. Dass Merz genau dafür nicht steht, da scheinen sich viele einig.

Artikelbild: FRM/dpa (Wüst), Christian Charisius/dpa (Günther), Michael Kappeler/dpa (Merz)